Rabatt auf fast alles? Oder fast alles vom Rabatt ausgenommen??

Schenkt man den verbreiteten Werbeaktionen Glauben, so wird in Baumärkten und Möbelhäusern fast nichts mehr ohne hohe Rabatte verkauft. Wer mit dem Slogan wirbt: „Rabatt auf fast alles“, muss dem Kunden allerdings auch Rabatt auf fast alles gewähren und darf nicht fast alles vom Rabatt ausnehmen.

Über eine zu vollmundige Rabattansage hatte kürzlich das OLG Köln zu entscheiden. Ein Möbelmarkt warb in einem Prospekt mit dem Slogan

„30 % Rabatt auf fast alles“.


Das Wörtchen „fast“ war zu allem Überfluss deutlich dünner als der Rest gedruckt und in einer Falte des Prospekts leicht versteckt, so dass der oberflächliche Betrachter den Eindruck gewinnen konnte, Rabatt würde nicht nur auf fast alles, sondern uneingeschränkt auf alles gewährt, was der Möbelmarkt so anbietet.

Liste rabattierter Waren in einer Sprechblase

Aber auch der sich mit dem Prospekt eingehender befassende Interessent konnte in einer im Prospekt abgebildeten Sprechblase erfahren, dass

  • Rabatt „auf Polstermöbel, Wohnwände, Küchen, Schlafzimmer, Stühle, Tische ...
  • einfach auf fast alles“ gewährt werde.

Im Möbelmarkt wartete die große Rabatt-Frustration

Wer den Prospekt dann nicht näher studierte und sich von dem Slogan des Möbelmarktes inspirieren ließ, wurde beim Einkauf im Möbelmarkt dann bitter enttäuscht.

  • Das Angebot an Waren, für die der Möbelmarkt die im Prospekt versprochenen 30 % Rabatt gewährte, war erheblich eingeschränkt.
  • Wie sich bereits aus einer klein gedruckten Anmerkung zu der Sprechblase ergab, waren die Rabatte durch zahlreiche Ausnahmen erheblich reduziert.
  • Von den Rabatten ausgenommen waren die Waren von 40 Herstellern,
  • die bereits in den Prospekten erwähnten Angebote,
  • die Angebote aus Anzeigen des Möbelmarktes und aus Mailings.
  • Außerdem waren sämtliche bereits reduzierten Waren von den Rabatten ausgenommen.

Prospekt enthält laut OLG dreiste Lüge

Für den Senat des OLG war das lockende Versprechen im Prospekt mit 30 % Rabatt auf fast alles schlicht eine dreiste Lüge. Der Senat wies darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung sich der Gehalt einer Werbeaussage nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers beurteilt, der die Werbung mit einer der Situation entsprechenden angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (BGH, Urteil v. 2.10.2003, I ZR 252/01). Aus der Sicht dieses verständigen Verbrauchers, erweckte der Prospekt nach der Wertung des Senats in seiner Gesamtheit einen unrichtigen Eindruck, denn

  • der Prospektinhalt suggeriere dem unbefangenen Verbraucher, dass er bei einem Einkauf in dem Möbelmarkt auf den ganz überwiegenden Teil der Waren die versprochenen 30 % Rabatt erhalte.
  • Tatsächlich bleibe für die versprochenen 30 % Rabatt aber nur ein sehr überschaubarer Teil der Waren übrig.
  • Die Aufzählung der Waren in der Sprechblase könne der Verbraucher nur dahin verstehen, der Rabatt werde auf sämtliche in der Sprechblase genannten Warenbestände uneingeschränkt gewährt mit Ausnahme von dort nicht genannten Produktkategorien wie zum Beispiel Gartenmöbel.
  • Diesen Eindruck könne der Möbelmarkt nicht durch eine Anmerkung zur Sprechblase so relativieren, dass sich der Sprechblaseninhalt als objektiv unrichtig darstelle.
  • Ob bereits die Blickfangwerbung „30 % Rabatt auf fast alles“ - wobei das Wort „fast“ optisch in den Hintergrund trete - eine Irreführung der Verbraucher enthalte, könne angesichts dieser klaren Sachlage offen bleiben. 

Inhalt des Prospekts ist unzulässig

Der Werbeprospekt enthält nach dem Diktum des Senats daher eine unzulässige Werbung und ist in Zukunft zu unterlassen. Eine Revision hat das OLG nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig.

(OLG Köln, Urteil v. 20.4.2018,  6 U 153/17).


Hintergrund:

Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung

Ähnlich wie das OLG Köln hatte das OLG Saarbrücken bereits im Jahr 2006 im Fall der „Praktiker Baumärkte“ entschieden, die mit dem Slogan geworben hatten: 20 % auf alles außer Tiernahrung. Der Slogan war deshalb irreführend, weil die Praktiker Baumärkte Artikel von Tchibo anboten und hierauf keinen Rabatt gewährten. Das OLG hatte die Werbung daher als Täuschung der Verbraucher und daher als unzulässig bewertet (OLG Saarbrücken, Urteil v.  18.10.2006 1 U 670/05). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde zurückgewiesen (BGH, Beschluss v. 5.6.2008, I ZR 196/06). Nach der Meinung von Betriebswirtschaftler hat die Rabatt-Werbung die Praktiker-Baumärkte später trotz hoher Umsätze in die Insolvenz getrieben, da die Gewinnmargen einfach zu gering waren. Werbung mit hohen Rabatten kann also in mehrfacher Hinsicht gefährlich sein.