Promis und ihre Menschenrechte - Dieter, Ernst und Oskar

Die Zigarettenmarke Lucky Strike geht in ihrer Werbung mit Prominenten nicht zimperlich um. Ironisch sarkastische Seitenhiebe müssen Prominente aber hinnehmen. Diese Rechtsprechung des BGH hat der EGMR nun bestätigt und sogar sehr gelobt. Harte Zeiten für hohe Häupter.

Vor ca. 15 Jahren indizierte die Zigarettenmarke „Lucky Strike“ eine satirische Werbekampagne, in der Prominente ungefragt als Protagonisten dienten. Unter anderem traf es den Pop-Titanen Dieter Bohlen und den Berufsprinzen Ernst August Prinz von Hannover. Beide verlangten von dem Tabakproduzenten „British American Tobacco“ Schadenersatz wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Das Unternehmen habe ohne Rücksprache ihre Namen zu Werbezwecken missbraucht.

Tabakhersteller zeigt Sinn für Satire

In der Causa Dieter Bohlen zielte die Werbekampagne auf das kurz vorher erschienene Bohlen-Buch „Hinter den Kulissen“ ab. Wegen einer Reihe von Beschwerden Prominenter, die in dem Buch wenig ruhmvoll wegkamen, erschien das Buch mit einer Reihe geschwärzter Textpassagen.

Die Zigarettenwerbung von Lucky Strike bildete darauf zwei sich unterhaltende Zigarettenschachteln ab mit folgender Textzeile, die ebenfalls teils geschwärzt aber noch insgesamt lesbar war: “Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“. Die Werbung mit dem adeligen Prinzen zielte auf dessen tätliche Auseinandersetzungen mit einem TV-Journalisten und einem deutschen Nachtklubbesitzer. In der Kampagne wurde eine stark zerknitterte Zigarettenschachtel abgebildet unter der Überschrift „War das Ernst? Oder August?“

BGH zeigt den Prominenten die kalte Schulter

Der BGH hatte die Klagen der prominenten Kläger auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte – nach teils stattgebender Entscheidungen der Vorinstanzen - abgewiesen.

Die BGH-Richter stellten allerdings klar, dass die Persönlichkeitssphäre der Betroffenen durch die Werbekampagnen jeweils tangiert wurden. Allerdings war nach Auffassung des BGH das Recht auf Privatsphäre mit dem Recht auf Meinungsfreiheit des werbenden Unternehmens abzuwägen.

Kalter Kaffee

Lucky Strike habe mit seiner Werbung nämlich auf Vorfälle angespielt, die von öffentlichem Interesse und die in den Medien bereits zuvor ausführlich behandelt worden seien. In diesem Fall habe auch ein werbendes Unternehmen ein grundsätzlich berechtigtes Interesse, solche, öffentlich bereits diskutierte Vorgänge, aufzunehmen und in seiner Werbung - in diesem Fall auf satirische Weise - zu verarbeiten (BGH, Urteile v. 5.6.2008, I ZR 96/07 u. I ZR 223/05).

Instrumentalisierung Prominenter zu Werbezwecken kann zulässig sein

Nach Auffassung des BGH ist die werbende Verarbeitung eines öffentlichen Themas regelmäßig dann zulässig, wenn

  • ein öffentliches Informationsinteresse an dem Thema besteht,
  • ein öffentliches Informationsinteresse an den Protagonisten besteht und
  • die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Prominenten durch Inhalt und Form der Werbung nicht in unwürdiger Weise beschädigt werden.

Diese Vorgaben sah der BGH in den anhängigen Fällen als erfüllt an. Die jeweils sarkastischen Seitenhiebe auf die beiden Kläger, die für einen Großteil des Publikums ohne weiteres identifizierbar gewesen seien, seien von der Meinungsfreiheit gedeckt und stellten keine die Würde der Betroffenen in unangemessener Weise herabsetzende Schmähungen dar.

Lob für den BGH von ganz oben

Der EGMR hat die vom BGH entwickelten Abwägungsmerkmale für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Prominente einbeziehenden Werbekampagne ausdrücklich gelobt.

Mit großer Sorgfalt habe der BGH ein verbindliches Gleichgewicht zwischen Meinungsfreiheit und der Achtung des Privatlebens gefunden. Die Entscheidung des BGH sei hinsichtlich der Abwägungskriterien geradezu vorbildlich. Der Pop-Titan und der adlige Prinz gingen daher auch beim EGMR leer aus (EGMR, Urteile v. 19.02.2015, 53495/09 - Rechtssache Bohlen u. 53649/09 – Rechtssache Ernst August von Hannover).

Auch Oskar Lafontaine musste schon Lehrgeld zahlen

Damit ist die Rechtsprechung des BGH bestätigt, die in Werbekampagnen seit Jahren die Anspielung auf öffentliche Vorgänge und damit verbundene prominente Personen als zulässig erachtet.

Beim Rücktritt des seinerzeitigen Finanzministers Oskar Lafontaine hatte der BGH eine Werbung des Autovermieters Sixt für zulässig erachtet, in der ein Foto verwendet wurde, auf dem unter anderem Lafontaine zu sehen war. In der Werbung wurde auf den Rücktritt Lafontaines als Finanzminister angespielt. Lafontaine verlangte für die Vermarktung seines Fotos die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr und ging – nachdem er den Vorinstanzen Erfolg gehabt hatte – vor dem BGH leer aus (BGH, Urteil v.26.10.2006, I ZR 182/04).

In der Folge hat Sixt seinen Erfolg vor dem BGH genutzt und den Justizskandal um Gustl Mollath mit den Worten kommentiert „Wenn hier jemand verrückt ist, dann Sixt mit seinen Preisen“. Später hat der Autovermieter den GDL-Chef Claus Weselsky wegen der Bahnstreiks zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt.

Für Künstler versiegt eine wichtige Einnahmequelle

Gerade für Künstler wie Schauspieler oder Sänger war die Nutzung Ihres Konterfeis zu Werbezwecken bisher eine gut sprudelnde zusätzliche Einnahmequelle. In Zukunft dürften sie schlechte Karten haben, wenn ihre Namen oder Bilder ungefragt zu Werbezwecken genutzt werden. Erforderlich aus Unternehmenssicht ist eigentlich nur, dass anlassbezogen auf ein medial diskutiertes Ereignis Bezug genommen wird. Auf diese Weise könnten Unternehmen sich in Zukunft Millionen an Werbekosten ersparen.