
Das OLG Koblenz lehnt ein Recht auf Gegendarstellung gegen vermeintlich unrichtige Behauptungen in Anwaltsblogs ab. Begründung: Anwaltsblogs dienen kommerziellen und nicht journalistisch-redaktionellen Zielen.
Das OLG Koblenz hatte sich mit der bisher rechtlich ungeklärten Frage zu befassen, ob Personen, die von vermeintlich unrichtigen Behauptungen im Rahmen eines im YouTube-Kanal platzierten Anwaltsblogs betroffen sind, ein Recht auf Gegendarstellung zusteht.
Kanzleihomepage auf YouTube
Der vom OLG entschiedenen Fall betrifft eine Rechtsanwaltskanzlei, die auf YouTube eine Homepage unterhält, auf der sie ihre Kanzlei und die von ihr bearbeiteten Tätigkeitsbereiche vorstellt. In diesem Kontext platzieren die Anwälte auf der Homepage auch Verlinkungen zu u.a. von Mitgliedern der Kanzlei verfassten und gestalteten aktuellen Inhalten.
Vorwurf unseriösen Marktverhaltens
Im konkreten Fall beanstandete der Betroffene Verlinkungen zu Berichten der Kanzleianwälte, in denen ihm diverse Rechtsverletzungen vorgeworfen werden. Er wurde als gewinnorientierter Wettbewerber dargestellt, der Markenrechte anderer verletzt, seine Aussagen dabei journalistisch verbrämt, um auf diese Weise zu Unrecht journalistische Freiheitsrechte für sich in Anspruch nehmen zu können.
Rechtsanwälte verweigern Gegendarstellung
Die Anwaltskanzlei war nicht bereit, die von dem Betroffenen geforderte Gegendarstellung in ihrem Blog zu veröffentlichen. Dieser beantragte daraufhin Prozesskostenhilfe für eine auf Gegendarstellung gerichtete gerichtliche Klage. Sowohl das LG als auch im Beschwerdeverfahren das OLG versagten dem Antragsteller die gewünschte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung.
Gegendarstellungsanspruch bei journalistischen Angeboten
Die entscheidende Norm für die Erfolgsaussicht einer Klage auf Gegendarstellung sahen die Gerichte in § 20 Abs. 1 des Medienstaatsvertrages (MStV). Nach dieser Vorschrift sind die
„Anbieter von Telemedien mit journalistisch redaktionell gestalteten Angeboten … verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen“.
§ 20 Abs. 3 MStV sieht für die Durchsetzung des Anspruchs auf Gegendarstellung den ordentlichen Rechtsweg, ausdrücklich auch im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, vor.
Nicht jeder redaktionelle Beitrag ist journalistisch
Die konkrete Entscheidung machte das OLG an den Begriff der journalistisch-redaktionell gestalteten Angebotes fest. Ein solches setze voraus, dass
- die Auswahl und Strukturierung der Inhalte auf einer erkennbar publizistischen Zielsetzung beruhen
- mit dem Ziel des Anbieters, einen Beitrag zur öffentlichen Kommunikation zu leisten (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 9.5.2017, 1 S 1530/16; VGH München, Beschluss v. 27.1.2017, 7 CE 16.1994).
- Hiernach seien nicht alle redaktionell gestalteten Angebote ohne weiteres als Online-Journalismus zu werten, sondern nur Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse dienen (BGH, Urteil v. 22.2. 2011, VI ZR 115/09).
Beiträge zu Akquisezwecken sind kommerziell
Nach diesen Grundsätzen ist streng zwischen einem journalistisch redaktionell gestalteten Angebot und einer in erster Linie kommerziellen Interessen dienenden Kommunikation zu unterscheiden. Der Begriff der kommerziellen Kommunikation ist in § 2 Nr. 5 TNG definiert. Kommerziell ist danach jede Kommunikation, die der Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder der Darstellung des Erscheinungsbildes eines Unternehmens oder einer sonstigen Organisation dient. Eine kommerzielle Kommunikation, die nicht an Kriterien gesellschaftlicher Relevanz, sondern in erster Linie an kommerziellen Interessen ausgerichtet ist, ist nach Auffassung des OLG daher nicht Gegenstand des in § 20 MStV geregelten Anspruchs auf Gegendarstellung.
Kanzleiblog ist kein Beitrag zur öffentlichen Kommunikation
Nach diesen Grundsätzen bewertete das OLG die Homepage der Anwaltskanzlei in erster Linie als Werbeträger für die von ihr angebotenen Tätigkeitsfelder wie Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und weitere Gebiete. Die Links zu diversen Beiträgen dienten erkennbar dem Zweck, die Rührigkeit und Bekanntheit der Kanzlei auf ihren Fachgebieten und ihre dort bestehende Kompetenz zu unterstreichen. Ein Beitrag zur öffentlichen Kommunikation stehe nicht im Vordergrund. Dies gelte auch für die konkreten Berichte über den Antragsteller verbunden mit dem Vorwurf der Verletzung fremder Markenrechte. Sie fügen sich nach der Bewertung des Gerichts in diesen kommerziellen Kontext ein und dienen offensichtlich der Anwerbung eines vom Antragsteller potenziell geschädigten Personenkreises.
Wahrheitsgehalt der Darstellung ist nicht entscheidend
Das OLG verneinte im Ergebnis einen Anspruch auf Gegendarstellung. Auf die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Darstellung im Blog komme es für den Anspruch nach § 20 MStG nicht an. Die vom Antragsteller beabsichtigte Klage auf Gegendarstellung habe damit keine Aussicht auf Erfolg. Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hatte das LG nach der ablehnenden Beschwerdeentscheidung des OLG daher zu Recht abgewiesen.
(OLG Koblenz, Beschluss v. 12.4.2021, 4 W 108/21)
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