
Bei den Gebühren eines Pflichtverteidigers werden Mittagspausen nach ihrer tatsächlichen Länge bei der Berechnung der Verhandlungsdauer in Abzug gebracht. Durch eine Spätabreise bedingte Hotelzusatzkosten werden nur bei zwingenden Gründen erstattet.
Ein einem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordneter Rechtsanwalt wehrte sich bis zum OLG gegen die Absetzung von Auslagen und Gebühren in einem von ihm gestellten Kostenerstattungsantrag. Gegenstand waren im Wesentlichen
- ein Zuschlag nach RVG VV 4120, 4122, 4123 wegen langer Verhandlungsdauer,
- die Erstattung von Hotelzusatzkosten infolge einer sogenannten Spätabreise von 60 Euro netto im Rahmen einer Übernachtung im Juli 2018
- sowie von jeweils mehr als 300 Euro netto für Übernachtungen im September 2018 (Oktoberfestzeit in München).
Das OLG wies die Erinnerung des Anwalts gegen die Verweigerung der entsprechenden Festsetzungen zurück.
Anwalt wollte nicht komplette Mittagsunterbrechung in Abzug bringen
Im Fall des so genannten Längenzuschlags für die überlange Verhandlungsdauer hatte der Pflichtverteidiger für die Mittagspause lediglich eine Pauschale von 1 Stunde in Abzug gebracht. Tatsächlich war die Mittagspause wesentlich länger, weil die Verhandlung unterbrochen war. Der Anwalt begründete den Ansatz lediglich einer Stundenpauschale damit, dass er in der verlängerten Mittagspause keine Möglichkeit gehabt habe, seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Mittagspausen sind nach der tatsächlichen Länge zu berücksichtigen
Dies sah das OLG anders: Nach dem eindeutigen Wortlaut der RVG VV Nr. 4123 und 4122 setze der Längenzuschlag voraus, dass der Rechtsanwalt mehr als 8 Stunden (Nr. 4123) bzw. mehr als 5 Stunden bis zu 8 Stunden (Nr. 4122) an einer Hauptverhandlung teilgenommen hat.
- Sei die Verhandlung unterbrochen, sei der im Gesetz verwendete Begriff der Teilnahme nicht erfüllt.
- Nach der Wertung des OLG ist die Mittagspause eine prozessneutrale Unterbrechung, die einerseits der Regeneration diene
- und in der der Anwalt andererseits seiner anderweitigen beruflichen Tätigkeit durchaus nachgehen könne, wenn er entsprechende Unterlagen bzw. entsprechende elektronische Hilfsmittel mit sich führe.
- Deshalb sei nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Mittagspausen in voller Länge bei der Kostenabrechnung zu berücksichtigen seien (OLG München, Beschluss v. 23.10.2008, 4 Ws 150/08; OLG Celle, Beschluss v. 12.8.2016, 1 Ws 297/16).
Kostenerstattung für Spätabreise nur bei zwingenden Gründen
Auch die Erstattung der Mehrkosten für eine Hotelübernachtung infolge einer Spätabreise lehnte das OLG ab. Der Anwalt habe es versäumt, zwingende Gründe darzulegen, weshalb er das Hotel nicht zu der vorgesehenen Abreisezeit hätte verlassen können. Die seitens des Hotels in Rechnung gestellten Mehrkosten von 60 Euro für eine verspätete Abreise seien daher nicht als angemessene Auslagen im Sinne der Nr. 7006 VV RVG zu werten und damit nicht ersatzfähig. Ersatzfähig seien nur die regulären Hotelkosten.
Auch zu Oktoberfestzeiten Übernachtungskosten nicht über 300 Euro
Ähnliches gilt nach dem Spruch des OLG für die von dem Anwalt in Rechnung gestellten Übernachtungskosten von mehr als 300 Euro für zwei Nächte im September 2018.
- Der Anwalt habe nicht plausibel dargelegt, aus welchen Gründen kein Zimmer bis zu einem Höchstbetrag von 300 Euro buchbar gewesen sei.
- In München sei während der Oktoberfestzeit ein Hoteltarif bis 300 Euro für eine Übernachtung als Höchstgrenze bei gerichtlichen Kostenfestsetzungen anerkannt.
- Soweit die Übernachtungskosten den Betrag von jeweils 300 Euro netto überstiegen, seien diese Auslagen nicht angemessen.
- Sei tatsächlich im Einzelfall kein innerhalb des Kostenrahmens von 300 Euro liegendes Zimmer zu finden gewesen, so müsse auch hier der Anwalt plausibel darlegen, dass eine Buchung innerhalb dieses Kostenrahmens nicht möglich gewesen sei.
- Dazu müsse er auch Bemühungen nachweisen, sich um anderweitige, preiswertere Unterkunftsmöglichkeiten bemüht zu haben.
- Dies sei angesichts übersichtlicher und einfach zu bedienender Buchungsportale und Suchmaschinen im Internet zumutbar.
- Nach den Erfahrungen des Senats seien auch während Oktoberfestzeiten in München Zimmer in einer Preisklasse von deutlich unter 300 Euro netto buchbar.
Der Pflichtverteidiger musste daher die vorgenommenen Abzüge hinnehmen.
(OLG München, Beschluss v. 14.2.2019, 8 St(K) 1/19)