Orientalische Geldwäsche: LG verurteilte „Hawala-Banker“ zu Haft

Das LG Düsseldorf hat fünf „Hawala-Banker“ wegen der Erbringung unerlaubter Zahlungsdienste zu Haftstrafen verurteilt. Daneben müssen sie noch 170 Millionen EUR an den Staat zahlen. Die Summe wird als Beute im Weg der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung eingezogen.

Hawala-Banking“ bezeichnet eine besondere Form des Geldtransfers. In Deutschland ist das „Hawala-Banking“ unter nicht-muslimischen Geschäftsleuten kaum bekannt. In muslimischen Ländern dagegen ist das Hawala-Banking ein beliebtes alternatives System zur „Überweisung“ von Geldbeträgen.

So funktioniert das Hawala-System

Entscheidendes Merkmal des „Hawala-Bankings“ ist der Umstand, dass Geldbeträge transferiert werden, ohne dass in der Realität eine Geldbewegung stattfindet. Die Übermittlung der Geldbeträge erfolgt durch Bildung von Liquiditätsvorräten in sogenannten „Töpfen“ an bestimmten Ausgangs- und Zielorten. Der Kunde zahlt das Geld an einem bestimmten Ort ein und erhält den Betrag aus einem anderen Liquiditätstopf abzüglich einer Provision zurück. Auf diese Weise ist das staatliche Banken- und Finanzwesen und damit jede Finanzkontrolle bei diesen Geldtransfers völlig ausgeschaltet. Im vom LG Düsseldorf entschiedenen Fall waren Ziel- bzw. Ausgangsort häufig Istanbul bzw. Duisburg.

Die Beteiligten müssen sich uneingeschränkt vertrauen

Weiteres Merkmal dieser orientalischen Art des Geldtransfers ist das für diese Geschäfte erforderliche hohe persönliche Vertrauen von und in sämtliche Beteiligten. Es wird häufig ohne Quittungen und Belege gearbeitet. Einzahler und Geldempfänger vertrauen darauf, dass alles entsprechend mündlich getroffener Vereinbarungen abgewickelt wird. Die Betreiber der jeweiligen Töpfe rechnen regelmäßig ihre gegenseitigen Forderungen auf der Grundlage intern gefertigter Aufzeichnungen ab und gleichen die Fehlbeträge aus. Das aus westlicher Sicht Erstaunliche: Es funktioniert - jedenfalls meistens.

170 Millionen Euro in die Türkei transferiert

In dem seit April 2021 geführten Strafverfahren gegen fünf Angeklagte aus Düsseldorf und Duisburg sah es das LG als erwiesen an, dass die fünf Männer in ca. 2.500 „Transaktionen“ mindestens 170 Millionen Euro an der Finanzaufsicht vorbeigeschoben und vornehmlich in die Türkei transferiert haben. Die Angeklagten hatten für ihre Dienste Provisionen in Höhe von ca. 22 Millionen Euro kassiert.

„Hawala“ diente der Geldwäsche

Der u.a. angeklagte Düsseldorfer Kaufmann hatte die Vorwürfe zwar in tatsächlicher Hinsicht eingeräumt, gleichzeitig aber behauptet, dass er die Aktionen für legal hielt. Hier wurde er durch die Strafkammer eines Besseren belehrt. Diese Form des „Hawala-Banking“ bewerteten die Richter als unerlaubtes Erbringen von Zahlungsdiensten, das gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG unter Strafe gestellt sei. Im Ergebnis handle es sich hier um ein rechtswidriges System zur Geldwäsche, das zumindest in Deutschland häufig dazu diene Gelder aus Drogengeschäften sowie die Einnahmen von Personen aus dem Rotlichtmilieu oder aus der illegalen Wettszene sauber zu waschen.

Einvernehmliches „Hawala-Banking“ ist Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung

Das LG bewertete die koordinierte, einvernehmliche Verhaltensweisen der Beklagten darüber hinaus als die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB. Nur durch professionell koordiniertes Zusammenwirken und gemeinsame Planung hätten es die Angeklagten schaffen können, die enorme Summe von 170 Millionen Euro von Deutschland in die Türkei an jeder Bankenaufsicht vorbei in die Türkei zu transferieren.

Landgericht zieht transferierte Beträge komplett ein

Das LG bewertete die gesamte transferierte Summe als Tatertrag und verfügte die Einziehung des Gesamtbetrages gemäß §§ 74 ff StGB. Obwohl die Verurteilten nach ihren eigenen Angaben den Großteil des Betrages an ihre Kunden wieder ausgezahlt hatten, müssen sie im Rahmen des Einziehungsverfahrens nun die Gesamtsumme als Beuteertrag an die Staatskasse zahlen.

LG verhängt hohe Haftstrafen

Das LG verurteilte einen 52 Jahre alten Juwelier aus Duisburg als Organisator und Kopf des Systems zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten, einen Komplizen zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft. Drei weitere Angeklagte erhielten Bewährungsstrafen.

Untersuchungshaft unter Corona-Bedingungen als Strafmilderungsgrund

Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des LG zu den Strafzumessungsgründen. Bei zwei Angeklagten hat das LG die erlittene Untersuchungshaft aufgrund der in der Haftanstalt bestehenden erschwerten Pandemiebedingungen als strafmildernd berücksichtigt. Auch die lange Dauer der Hauptverhandlung und des Ermittlungsverfahrens wertete das Gericht zu Gunsten der Angeklagten.

Strafschärfend bewertete die Kammer die hohe kriminelle Energie, die die Angeklagten über einen langen Tatzeitraum in professioneller Weise aufgewendet hatten. Nur so sei es möglich gewesen, 170 Millionen Euro an der Bankenaufsicht vorbei zu transferieren.

Der BGH dürfte das letzte Wort haben

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Anwalt des Hauptangeklagten hat Revision zum BGH angekündigt.

(LG Düsseldorf, Urteil v. 23.11.2021,14 KLs 2/21).

Hintergrund: Einziehung der Tatbeute

Das LG Düsseldorf hat bei der Verurteilung des Hauptangeklagten den zur Verfügung stehenden Strafrahmen nahezu ausgeschöpft. Auch bei der Bewertung der gesamten Transfersumme als Tatertrag ist das Gericht ziemlich weit gegangen.

Maximal fünf Jahre Freiheitsstrafe wäre möglich gewesen

Das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG) enthält dezidierte Regelungen über die Berechtigung zur Erbringung von Zahlungsdiensten u.a. im Zusammenhang mit Einzahlungen, Auszahlungen und Überweisungen. § 63 ZAG enthält umfangreiche Strafvorschriften für Verstöße gegen die Vorschriften des ZAG. Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ohne Erlaubnis oder Registrierung Zahlungsdienste erbringt.

Einziehungsverfügungen dienen der Abschöpfung der Taterträge

Gemäß § 74 StGB kann ein Gericht die Einziehung von Tatprodukten und Tatmitteln und in besonderen Fällen auch von Tatobjekten verfügen. Gemäß § 74 Abs. 3 StGB ist die Einziehung zulässig, wenn die Gegenstände dem Täter oder Teilnehmer gehören. Gemäß § 74 a StGB ist die Einziehung von Gegenständen, die nicht dem Täter gehören, nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. Mit der Bewertung der gesamten Transfersumme und nicht nur der vereinnahmten Provisionen als Tatertrag der Angeklagten legte das LG Düsseldorf die Einziehungsvorschriften eher weit aus. Ob diese Gesetzesauslegung im Revisionsverfahren beim BGH Bestand hat, bleibt abzuwarten.

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Schlagworte zum Thema:  Strafrecht, Geldwäsche, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter