OLG bei Regelgebührenerhöhung weniger tolerant als der BGH

Unter Zivilgerichten ist Streit um die vom Anwalt festzusetzende Regelgebühr entbrannt. Diese wird in Zivilsachen normalerweise mit dem Faktor 1,3 bestimmt. Weil der BGH Anwälten eine darüber hinausgehende Toleranz von 20 % zubilligt und eine Regelgebühr mit dem Faktor 1,5 ohne Prüfung zulassen will, gehen Instanzgerichte auf die Barrikaden.

Rechtsanwälte haben bei der Bestimmung ihre Gebühren gewisse Freiräume. Doch wie weit gehen diese? Das OLG Celle will in Sachen Regelgebührenerhöhung die Marschrichtung des BGH verlassen und dessen Toleranzgrenze gegenüber den Anwälten nicht akzeptieren.

Verkehrsunfall mit Rettungswagen

Der zugrunde liegende Fall betraf einen Verkehrsunfall, bei welchem dem Kläger, einem Krankenhaus, dessen Rettungswagen bei einem Einsatz beschädigt worden war, ein Gesamtschaden in Höhe von 35.000 EUR entstanden war. Im Laufe der Verhandlung und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens kam heraus, dass dem Rettungsfahrer an einer Kreuzung die Vorfahrt genommen worden und die in die Kreuzung einbiegende Unfallgegnerin extrem langsam gefahren war.

Statt die Kreuzung in vier Sekunden zu queren, benötigte sie über 8 Sekunden. Am Ende trug sie deshalb die Hauptschuld. Allerdings verblieb beim Kläger die eigene Betriebsgefahr, weil der Unfall für den Rettungsfahrer nicht unabwendbar war. Er hätte schlicht langsamer fahren können, meinte das Gericht.

Nur durchschnittlich aufwändig und schwierig

Nach Auffassung des Gerichts war hier auch eine Erhöhung der 1,3fachen Regelgebühr auf eine 1,5fache Gebühr - wie vom Kläger beantragt - nicht gerechtfertigt.

  • „Die Sache ist für den Rechtsanwalt des Klägers nicht überdurchschnittlich aufwändig oder schwierig gewesen.
  • Es handelt sich für den Klägervertreter in diesem Verfahren um einen durchschnittlich schwierigen Verkehrsunfall, nämlich lediglich um die Abwicklung von Sachschäden aus einem Verkehrsunfall.

Ein über den durchschnittlichen Verkehrsunfall hinausgehender Aufwand oder eine besondere Schwierigkeit ist weder vorgetragen noch sonst aus der Akte ersichtlich“, meinte das Gericht. Der Sachschaden als solcher sei unstreitig. Die Parteien stritten in der Sache lediglich - wie regelmäßig - um die Haftungsquote.

 

Spielraum zur Gebührenbestimmung: Celler OLG weniger tolerant als der BGH

Das Gericht sah sich auch nicht an die Bestimmung einer 1,5fachen Geschäftsgebühr durch den Rechtsanwalt gebunden. Zwar räumt der 9. Zivilsenat des BGH dem Rechtsanwalt auch im Rahmen von Nr. 2300 VV RVG einen Spielraum zur Gebührenbestimmung von 20 % (sog. Toleranzgrenze) mit der Folge ein, dass im Falle einer lediglich durchschnittlich aufwändigen Tätigkeit dennoch die Erhöhung der 1,3fachen Geschäftsgebühr auf eine 1,5fache Gebühr einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen sei. Allerdings stößt diese Rechtsprechung auf Kritik, der sich die Celler Richter anschließen.

 

Durchschnittsfall oder nicht?

Der Gesetzgeber habe für den „Durchschnittsfall“ in Nr. 2300 VV RVG als Regelsatz die 1,3fache Gebühr vorgesehen. „Für eine darüber hinaus gehende Gebühr hat er ausdrückliche Kriterien dahingehend festgelegt, dass der Rechtsanwalt eine Gebühr von mehr als 1,3 nur fordern kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Diese Voraussetzungen unterliegen der gerichtlichen Überprüfung. Das kann nicht durch die vom BGH herangezogene Toleranzgrenze eingeschränkt werden.“

 

Kein Raum für BGH-Auslegung zur Toleranzgrenze?

„Der eindeutige Wortlaut einer Vorschrift zieht einer richterlicher Auslegung Grenzen“, gibt das Gericht zu bedenken. Eine andere Wertung, insbesondere die Einräumung eines Toleranzspielraums, würde dem klaren Gesetzeswortlaut widersprechen und im Ergebnis dazu führen, dass die ohnehin schon erfolgte Erhöhung der Regelgebühr von 1,0 auf den 1,3 fachen Regelsatz in Zukunft in jedem durchschnittlichen Fall auf das 1,5 fache angehoben werden könnte und würde.

Dies aber laufe der eindeutigen Intention des Gesetzgebers zuwider, kritisierte das Gericht, das im Übrigen die Revision zum BGH zuließ.

(OLG Celle, Urteil vom 28.12.2011, 14 U 107/11).


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