Note gesenkt, weil Jura-StudentinJeans zur Master-Prüfung trug

Trotz Jeans eine Top-Juristin: Der vom Prüfling gewählte Kleidungsstil darf die abschließende Prüfungsnote nicht negativ beeinflussen. Wenn eine Jura-Studentin Bluejeans in der Masterprüfung trägt, ist das eine angemessene Bekleidungswahl. So urteilte das Verwaltungsgericht Berlin und ließ die Note wieder auf 1,3 raufsetzen.

An einer Berliner Hochschule fand an einem heißen Sommertag mit 35° Außentemperatur die mündliche Abschlussprüfung zum Masterstudiengang „Recht für die öffentliche Verwaltung“ statt. Die klagende Studentin hatte u.a. das Modul „E-Government zwischen Verwaltungsmodernisierung und Bürgernähe“ belegt.

Kriterien einer Dozentin mit ausgeprägtem Stilbewußtsein für eine juristische Master-Prüfung

Die Dozentin dieses Faches teilte den Prüflingen im Vorfeld in mehreren Mails die maßgeblichen Kriterien für die Bewertung der Prüfungsleistung mit, darunter eine Punkteskala für die Bewertungsfaktoren. Zu den Kriterien gehörte unter anderen

ein sicheres und überzeugendes Auftreten mit einem dem Charakter der Prüfung angemessenen Kleidungsstil“.

In einer ergänzenden E-Mail wies die Dozentin ihre Studenten und Studentinnen nochmals darauf hin, dass in die Prüfungsnote auch ein „angemessenes, dezentes und ansprechendes Kleidungsbewusstsein“ einfließen werde.

Lockerung der Kleiderregeln wegen extremer Sommertemperaturen

Als sich sehr hohe Sommertemperaturen für den Prüfungstag abzeichneten, schwächte die Dozentin in einer weiteren, an jeden einzelnen Prüfling versandten E-Mail ihre strengen Bekleidungsanforderungen dahingehend ab, dass sie im Hinblick auf die heißen Temperaturen auf einen „strengen formalen, geschäftlichen Dress-Code“ verzichte, jedoch erwarte, dass die Prüflinge sich „dem Anlass entsprechend ansprechend und gepflegt“ kleiden.

Abwertung der Prüfungsleistung wegen Jeans und gepunktetem Oberteil

Eine Studentin erschien daraufhin zur Prüfung in Jeans und einem gepunkteten Oberteil. Dieser Kleidungsstil war für die Dozentin ein eindeutiges „No-Go“. Sie bewertete die Prüfungsleistung der Kandidatin mit der Note 1,7. Die Erläuterungen der Benotung zeigten unter dem Stichwort Präsentationshinweise auf, dass die fachliche Prüfungsleistung mit der Note 1,3 bewertet wurde, die Leistung wegen einer „eher einem Alltagsoutfit (u.a. Jeans, Oberteil mit Punkten)“ entsprechenden Kleidung auf die Note 1,7 herabgestuft worden war.

Ein Top mit elegantem Kurzjackett wäre besser gewesen

Die Studentin monierte diese Bewertung gegenüber der Dozentin. Diese erklärte, eine Bluejeans sei ein casual“ Kleidungsstück und bei großer Hitze auch als luftiges Kleidungsstück ungeeignet. Die Dozentin hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, welche Kleidung angemessen gewesen wäre und meinte, die Kandidatin hätte besser

auf eine weiße Leinenhose und Blackshirt mit Ethnokette oder einen lieblichen oder auch strengen Blouson oder auch ein Top mit elegantem Kurzjackett

zurückgreifen sollen. Womöglich hatte die Dozentin bei ihrer Berufswahl ihr Traumziel verfehlt?

Einfließenlassen der Bekleidung in die Master-Note war ein klarer Bewertungsfehler

Gegen die Herabstufung ihrer Bewertung in dem betreffenden Prüfungsmodul wegen einer angeblich unangemessenen Kleiderwahl erhob die Studentin Klage beim VG Berlin. Dieses hielt die Einbeziehung der Kleiderwahl in die Masterabschlussnote für eine fehlerhafte Bewertung. Die Kleidung dürfe bei einer Prüfung nur dann bewertet werden, wenn ein konkreter Bezug zum Prüfungsfach bestehe, wie beispielsweise im Fach Modedesign. Für das konkrete Prüfungsfach bestehe hier ein solcher Bezug aber nicht.

Letzte Kleidungsanweisung war zu unkonkret

Die diversen Anweisungen an die Studierenden zur Kleiderwahl waren nach Auffassung des Gerichts auch zu unbestimmt. Die letzte Anweisung habe lediglich gelautet, eine dem Charakter der Prüfung angemessene Kleidung zu tragen. In dieser Anweisung sei nicht konkret dargelegt worden, was die Prüferin als unangemessen bewertet und was nicht. Die Leistungsanforderungen im Hinblick auf die Kleidung seien damit zu unkonkret gewesen, als dass die Kleiderwahl Gegenstand der Prüfungsnote sein hätte sein können.

Jeans sind angemessene Prüfungskleidung

Im Ergebnis bewertete das Gericht die von der Klägerin gewählte Kleidung als der Prüfungssituation nicht unangemessen. Der Punkteabzug sei daher rechtlich fehlerhaft. Das Erscheinen zur Prüfung in Jeans sei kein sachlich und fachlich zulässiger Grund, die Prüfungsleistung insgesamt abzuwerten.

Hochschule muss Abschlussbewertung heraufsetzen

Das Gericht verpflichtete daher die Hochschule, die Prüfungsleistung der Studentin im konkreten Prüfungsmodul mit der Note 1,3 zu bewerten und die Gesamtabschlussnote entsprechend anzupassen. Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum OVG Berlin Brandenburg gestellt werden.

(VG Berlin, Urteil v. 19.2.2020, 12 K 529.18)


Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unseren Kleidern. (Heinrich Heine)

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