Nicht zu stürmisch! Polizist haftet für rasante Verfolgungsjagd

Auch wenn es im "Tatort" nicht immer so rüberkommt, auch die Polizei muss sich an Verkehrsregeln halten, wenn sie für Ordnung sorgen will. Das musste ein Polizist erfahren, der im Eifer des "Gefechts" bei einer Verfolgungsfahrt über eine rote Ampel bretterte - nur mit Blaulicht, aber ohne Signalhorn. Die 19.000 Euro Sachschaden muss er selbst tragen, denn Sonderrechte aus § 35 StVO haben Grenzen.

Bei der Verfolgung eines vermutlich betrunkenen Fahrers eines Kleinkraftrades, der zudem eine Ampel bei Rot überfahren hatte, wurde es Ernst. Der verfolgende Polizeiwagen, der ebenfalls bei Rot über die Ampel fährt, kollidiert auf der Kreuzung mit einem anderen Fahrzeug. Schaden des Verkehrsunfalls: knapp 19.000 Euro.

War der Freund und Helfer nun, immerhin  in Ausübung seiner Pflicht, haftungsrechtlich auf der sicheren Seite?

Blaulicht sehr spät, Martinshorn nicht eingeschaltet

Der Polizeibeamte hatte mehre Problem als es um Schadensersatzansprüche ging und der Sachverhalt wegen eine möglichen Amtspflichtverletzung vor Gericht landete:

  • Er hatte das Blaulicht erst sehr spät eingeschaltet – etwa in Höhe der Haltelinie vor der Ampel, das war etwa zehn Meter vor der Kreuzung.
  • Das Signalhorn, das die anderen Verkehrsteilnehmer mit seinem Tatütata hätte warnen können, war überhaupt nicht eingeschaltet.

Der Polizist erklärte dies damit, dass er versucht habe, das Martinshorn einzuschalten, was ihm aber nicht gelungen sei. Nachdem er kurz vor der Haltelinie abgebremst und das Blaulicht eingeschaltet habe, habe er wieder Gas gegeben und die rote Ampel überfahren, um die Verfolgung des Kleinkraftrades fortzusetzen. Dabei kam es zum Unfall.

Amtspflichten grob fahrlässig verletzt

Das Gericht entschied, dass der Polizeibeamte den Schaden am Dienstwagen privat ersetzen muss. Er habe bei dem Einsatz seine Amtspflichten grob fahrlässig verletzt, die einen schonenden Umgang mit dem Eigentum des Dienstherren einschließen.

Der Polizist, der zum Zeitpunkt des Unfalls gut 20 Jahre Berufserfahrung mitbrachte, hätte die Verfolgungssituation anders einschätzen müssen. Beachte er in so einer Situation die Voraussetzungen für ein Einfahren bei Rotlicht nicht, so lasse er damit eine erhöhte Risikobereitschaft erkennen, die angesichts des Ausmaßes möglicher Schäden den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertige.

Sonderrechte aus § 35 StVO greifen nicht

Der Polizist habe mit seinem Verhalten auch gegen das Gebot des § 35 Abs. 8 StVO verstoßen, wonach Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Anspruch genommen werden können.

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Wenn ein Einsatzfahrer in eine Kreuzung einfährt, muss er auch beachten, ob die Signale des Einsatzfahrzeugs von allen Straßenverkehrsteilnehmern beachtet und wahrgenommen werden konnten (Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. KG Berlin, NZV 1989, 192; VersR 1992, 1129 (1131); OLG Hamm, NJW-RR 1996, 599 (600).

Der Polizisten hätte angesichts der unübersichtlichen Verkehrsverhältnisse insbesondere unbedingt das Martinshorn einschalten müssen, um einen etwaigen Querverkehr zu warnen, bevor er die Ampel bei Rot überfuhr. (VerwG Münster, Urteil v. 05.09.2016, 4 K 1534/15)

Hintergrund: Wegerecht nach § 38 StVO

Sind am Rettungswagen Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet und befindet sich das Fahrzeug in einem Rettungseinsatz, so gilt das Wegerecht des § 38 der Straßenverkehrsordnung:

„Alle übrigen Teilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen.“

Auch hier werden die Verkehrsregeln nicht geändert. Diese werden nur dahingehend abgewandelt, dass die anderen Verkehrsteilnehmer auf ihr Vorfahrtsrecht vorübergehend verzichten müssen, wenn sie die besonderen Zeichen bemerkt haben oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wahrnehmen können.

 

Schlagworte zum Thema:  Haftung, Verkehrsrecht, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter