Neu: Verschwiegenheitspflicht beim Legal Outsourcing in § 2 BORA

Die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts bei Einschaltung externer Dienstleister wurde neu geregelt. Die Einschaltung von IT-Unternehmen und die externe Speicherung von Mandantendaten wurde damit aus der juristischen Grauzone heraus geholt. Diese Änderung zum Mandantengeheimnis trat am 1.7.2015 in Kraft.

Der Satzungsversammlung, dem "Parlament der Rechtsanwaltschaft", ist es nun nach mehreren Anläufen gelungen, das Non-legal Outsourcing von Kanzleien berufsrechtlich neu zu regeln.

Neuer § 2 BORA konkretisiert Verschwiegenheitspflicht

Im neuen § 2 BORA wird klargestellt, dass kein Verstoß vorliegt, wenn die Weitergabe

  • mit Einwilligung des Mandanten,
  • in Ausübung berechtigter Interesse
  • oder in Rahmen der Sozialadäquanz erfolgt.

Auch Kanzleiexterne zur Verschwiegenheit verpflichten - Workflow überprüfen

Es ist wohl jedem Mandanten klar, dass der Anwalt seine IT nicht selbst pflegt und bei Problemen externe Dienstleister in Anspruch nimmt. Deshalb ist jetzt im Berufsrecht niedergelegt, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich auch die Dienste kanzleiexterner Personen in Anspruch nehmen kann, diese aber ebenso wie Kanzleimitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichten muss.

Anwaltskanzleien tun gut daran, auf die Jahresmitte den gesamten Workflow zu überprüfen und von sämtlichen Dienstleistern, sofern noch nicht geschehen, schriftliche Verschwiegenheitserklärungen einzuholen.

Umstrittene Neuregelung - Justizministerium hatte Bedenken

Die neue Vorschrift ist nicht unumstritten. So hatte das Bundesjustizministerium die Bestimmung im Frühjahr dieses Jahres teilweise aufgehoben, weil der Satzungsversammlung die Gesetzgebungskompetenz fehle. 

Nach Ansicht des Bundesjustizministeriums enthielt die Neuregelung eine Befugnisnorm im Sinne des § 203 StGB, zu deren Erlass der Satzungsversammlung die Kompetenz fehlte. Da ein „sozialadäquates Verhalten“ auch kein anerkannter Rechtsfertigungsgrund im Rahmen des § 203 StGB sei, könne der Gedanke der Sozialadäquanz allenfalls Grundlage eine gesetzliche Befugnisnorm im Sinne des § 203 StGB sein. In einem weiteren Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 31.3.2015 heißt es jetzt allerdings, dass eine erneute Prüfung unter Einbeziehung der später übermittelten Begründung der Beschlussvorlage ergeben habe, dass die beschlossene Neuregelung „als noch akzeptabel“ angesehen werden könne und deshalb der frühere Aufhebungsbescheid aufgehoben wird.

Rechtsänderung zum 1.7.

Nach dem bisherigen § 2 Absatz 4 BORA hat der Rechtsanwalt seine Mitarbeiter und alle sonstigen  Personen, die bei seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken, zur Verschwiegenheit (§ 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung) ausdrücklich zu verpflichten und anzuhalten.

Die neue Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

§ 2

Verschwiegenheit

(1)     Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und berechtigt.

         Dies gilt auch nach Beendigung des Mandats.

(2)     Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 43a Abs. 2

         Bundesrechtsanwaltsordnung) liegt nicht vor, soweit Gesetz und Recht

         eine Ausnahme fordern oder zulassen.

 

(3)     Ein Verstoß ist nicht gegeben, soweit das Verhalten des Rechtsanwalts

         a) mit Einwilligung erfolgt oder

         b) zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist, z.B. zur Durchsetzung oder  Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder zur Verteidigung in eigener Sache, oder

         c) im Rahmen der Arbeitsabläufe der Kanzlei einschließlich der Inanspruchnahme von Leistungen Dritter erfolgt und objektiv einer üblichen, von der Allgemeinheit gebilligten Verhaltensweise im sozialen Leben entspricht (Sozialadäquanz).

(4)     Der Rechtsanwalt hat seine Mitarbeiter zur Verschwiegenheit schriftlich

         zu verpflichten und anzuhalten, auch soweit sie nicht im Mandat,

         sondern in sonstiger Weise für ihn tätig sind.

(5)     Abs. 4 gilt auch hinsichtlich sonstiger Personen, deren Dienste der

         Rechtsanwalt in Anspruch nimmt und

         a) denen er verschwiegenheitsgeschützte Tatsachen zur Kenntnis gibt oder

         b) die sich gelegentlich ihrer Leistungserbringung Kenntnis von

             verschwiegenheitsgeschützten Tatsachen verschaffen können.

Nimmt der Rechtsanwalt die Dienste von Unternehmen in Anspruch, hat er diesen Unternehmen aufzuerlegen, ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit über die Tatsachen gemäß Satz 1 zu verpflichten. Die Pflichten nach Satz 1und 2 gelten nicht, soweit die dienstleistenden Personen oder Unternehmen kraft Gesetzes zur Geheimhaltung verpflichtet sind oder sich aus dem Inhalt der Dienstleistung eine solche Pflicht offenkundig ergibt.

(6)     Der Rechtsanwalt darf Personen und Unternehmen zur Mitarbeit im

         Mandat oder zu sonstigen Dienstleistungen nicht hinzuziehen, wenn

         ihm Umstände bekannt sind, aus denen sich konkrete Zweifel an der

         mit Blick auf die Verschwiegenheitspflicht erforderlichen

         Zuverlässigkeit ergeben und nach Überprüfung verbleiben.

(7)     Die Bestimmungen des Datenschutzrechts zum Schutz

         personenbezogener Daten bleiben unberührt.

Informationsweitergabe mit Einwilligung des Mandanten

Besonders praxisrelevant ist dabei Absatz 3. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheit ist danach nicht gegeben, wenn eine Einwilligung der Mandanten vorliegt. Schaltet der Anwalt also Sachverständige, ein Übersetzungs- oder Schreibbüro etc. ein, kann die Weitergabe von Mandanteninformationen durch Einwilligung des Klienten gedeckt sein. Im Mandatsvertrag sollten deshalb entsprechende Klauseln formuliert werden, die dem Anwalt eine möglichst weitreichende Handhabe lassen.

Berechtigtes Interesse an Informationsweitergabe

Zahlt der Mandant nicht oder wird der Anwalt von ihm verklagt oder angezeigt, lässt Absatz 2 eine weitere Ausnahme vom Mandantengeheimnis zu. Dann liegt es nämlich im berechtigten Interesse des Anwalts, Informationen weiterzugeben.

Sozialadäquate Informationsweitergabe

Der dritte Ausnahmefall des Absatz 3 führt generalklauselartig aus, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht ausscheidet, wenn die Informationsweitergabe im Rahmen der Arbeitsabläufe der Kanzlei einschließlich der Inanspruchnahme von Leistungen Dritter erfolgt und objektiv einer üblichen, von der Allgemeinheit gebilligten Verhaltensweise im sozialen Leben entspricht (Sozialadäquanz).

Ist Sozialadäquanz zu abstrakt?

Die Formulierung ist in ihrer Abstraktheit schon vielfach kritisiert worden. Rechtssicherheit schafft sie zunächst nicht, weil keine konkreten Beispiele für die Sozialadäquanz genannt werden. Darf der Anwalt etwa seine Akten auf einem externen Speicher via Internet und Cloud ablegen? Das wird so heute schon vielfach praktiziert. Allerdings gibt es auch immer wieder datenschutzrechtliche und sicherheitstechnische Vorbehalte.

Cloudcomputing lieber nur mit Mandanten-Einwilligung

Im Zweifel – Snowden lässt grüßen – wird man daher dem Anwalt raten müssen, sich das Cloudcomputing lieber per Einwilligung vom Mandanten bestätigen zu lassen. Kommt es später etwa zu einem Datenleck bei dem IT-Dienstleister, ist der Anwalt fein raus. Fehlt die Einwilligung des Mandanten, heißt es schnell: „Wie konntest Du nur!“

Nach Absatz 5 des neuen § 2 BORA muss der Anwalt darauf hinwirken, dass die externen Dienstleister wiederum ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichten. Wer ganz auf Nummer Sicher gehen will, der lässt sich das von den Drittfirmen bestätigen. Bei Großunternehmen als Auftragnehmer des Anwalts dürfte das allerdings schwierig werden. Microsoft oder Apple werden dem Anwalt kaum bestätigen, dass und mit welchem Inhalt sie ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichtet haben.

Auch Absatz 6 ist heikel: Erfährt der Anwalt davon, dass der Dienstleister es mit der Geheimhaltung nicht so genau nimmt, darf er ihn nicht beauftragen. Im Umkehrschluss dürfte das auch bedeuten, dass er auch einen bereits bestehenden Vertrag aufkündigen muss, wenn es zu Unregelmäßigkeiten oder Datenlecks kommen sollte.

Fazit: Die Vorschrift ist gut gemeint, aber eher schlecht gemacht.

Es fehlen konkrete Beispiele, die der Praxis gerade in Zweifelsfällen weiterhelfen könnten.

Vor allem bei technischen Neuerungen muss der Anwalt lange warten, bis sich eine Sozialadäquanz im Sinn einer objektiven Üblichkeit herauskristallisiert hat. Innovationsfreude geht anders.

Dann bleibt nur der Weg über die konkrete Einwilligung des Mandanten – der ohnehin einzig sichere Weg, wenn man zudem berücksichtigt, dass Absatz 7 klarstellt, dass daneben das Bundesdatenschutzgesetz nach wie vor gilt. 

Vgl. auch:

Was ändert sich zum 1.7.?

So machen Sie Ihren Mandant glücklich

BGH zu Konkurrenzklauseln in der Anwaltskanzlei

Schlagworte zum Thema:  Schweigepflicht, Datenmanagement, Datenschutz