MPU-Anordnung gegen stark alkoholisierte Radfahrer rechtmäßig

Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach einer Fahrt mit dem Fahrrad mit einem Blutalkoholgehalt von 1,85 Promille ist rechtens. Bei Weigerung des Radfahrers ist die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis angezeigt.

Fahrradfahren in stark alkoholisiertem Zustand kann zu einem Entzug der Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs führen.

Mit 1,85 Promille auf dem Fahrrad

Diese Erfahrung musste ein Radfahrer in Sachsen-Anhalt machen, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,85 Promille einen gemeinsamen Fuß- und Radweg befuhr. Der Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) kam der Radfahrer nicht nach, worauf ihm die Behörde mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis für die Fahrzeugklassen AM, A1, A, B und L entzog.

Antrag auf Eilrechtsschutz gegen Entziehung der Fahrerlaubnis

Der Radfahrer beantragte beim zuständigen VG Eilrechtsschutz. Er hielt die Anordnung der Behörde für rechtswidrig und wendete ein, er habe das Fahrrad auf einem Bürgersteig genutzt, der nach seiner damaligen Kenntnis ausschließlich für Fußgänger bestimmt gewesen sei. Erst später habe er erfahren, dass es sich um einen gemeinsamen Fuß- und Radweg handelte.

Radfahrer wähnte sich außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs

Der Radfahrer argumentierte weiter, dass er sich aufgrund seiner Fehlvorstellung in einem Tatbestandsirrtum gefunden habe, denn aus seiner Sicht habe er beim Befahren eines ausschließlich für Fußgänger vorgesehenen Weges nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr sei aber Voraussetzung für die Einleitung einer Maßnahme mit dem Ziel einer möglichen Entziehung der Fahrerlaubnis.

Unzulässige Gleichstellung mit alkoholisiertem Autofahrer?

Schließlich machte der Radfahrer geltend, die Nutzung eines Fahrrades unter Alkoholeinfluss sei als deutlich weniger gefährlich einzustufen als die Trunkenheitsfahrt mit einem Kfz. Dies habe die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt und das Radfahren unter Alkoholeinfluss in unverhältnismäßiger Weise mit dem Führen eines Kfz unter Alkohol gleichgestellt.

Eilantrag erstinstanzlich ohne Erfolg

Für das angerufene VG waren die Argumente des Radfahrers nicht überzeugend. Es bestätigte die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als rechtmäßig. In der Folge sei auch die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis angesichts der Weigerung des Radfahrers zur Beibringung eines MPU-Gutachtens nicht zu beanstanden.

Auch Fußwege gehören zum öffentlichen Straßenraum

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des VG blieb ohne Erfolg. Die irrige Vorstellung, einen ausschließlich für Fußgänger vorgesehenen Weg zu benutzen, ist nach Auffassung des OVG für die Beurteilung der Rechtslage völlig unerheblich. Zum öffentlichen Straßenverkehr gehörten auch allein für den Fußgängerverkehr vorgesehene Wege. Wer als Radfahrer mit dem Fahrrad einen reinen Fußgängerweg benutze, nehme unzweifelhaft am öffentlichen Straßenverkehr teil. Die seitens des Radfahrers behauptete Fehlvorstellung sei daher für die Entscheidung ohne Bedeutung.

Keine unverhältnismäßige Gleichstellung mit Kfz-Führer

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers habe die Vorinstanz die Nutzung eines Fahrrades in alkoholisierten Zustand nicht in unzulässiger Weise mit dem Führen eines Kfz gleichgestellt. Der Beschwerdeführer habe mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,85 Promille die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,6 Promille deutlich überschritten. Wer in diesem Zustand ein Fahrzeug führe - gleichgültig ob Fahrrad oder Kraftfahrzeug - stelle eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar. Der gemessene Alkoholgehalt von 1,85 Promille begründe im übrigen den Verdacht, dass der Beschwerdeführer seinen Alkoholkonsum insgesamt nicht im Griff hat.

Behörde war zur Gefahrenabwehr und daher zum Handeln verpflichtet

Das OVG kam angesichts der beim Beschwerdeführer gemessenen hohen Blutalkoholkonzentration zu dem Schluss, die Behörde sei zur Anordnung einer MPU nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen. Im Fall berechtigter Zweifel an der Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen sei die Behörde verpflichtet, diesen Zweifeln nachzugehen und zur Abwendung von Gefahren für andere Straßenverkehrsteilnehmer im Fall fehlenden Mitwirkens des Betroffenen bei der angeordneten Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Behörde habe damit unter allen Gesichtspunkten das Recht in zutreffender Weise angewendet.

(OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 15.8.2022, 3 M 65/22)

Hintergrund:

Die geltende Rechtslage sieht für Fahrten mit dem Fahrrad unter Alkohol oder Drogeneinfluss folgende Konsequenzen vor:

  • Bei auffälliger Fahrweise und Ausfallerscheinungen droht bereits ab einem Blutalkoholgehalt von 0,3 Promille eine Strafanzeige mit der Folge eines Punkteeintrags, der Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe sowie des Entzugs der Fahrerlaubnis.
  • Das gleiche gilt, wenn ein Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 0,3 Promille oder mehr einen Unfall verursacht.
  • Bei Überschreiten der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,6 Promille liegt eine Straftat gemäß § 316 StGB vor. Es kommt zum Eintrag von 3 Punkten in der Flensburger Kartei, zur Anordnung einer MPU gemäß § 13 FeV (Fahrerlaubnisverordnung) sowie zu einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Auch ein Radfahrverbot ist möglich.