Mit der EU-Erbrechtsverordnung wird (ver-)erben internationaler

Nicht nur das Wirtschaftsrecht wird immer europäischer. Was im internationalen Warenverkehr längst Alltag ist, greift zunehmend auch auf private Lebensbereiche über. Aktuell betroffen von der Europäisierung des Rechts ist das Erbrecht. Besonders im Ausland lebende Rentner müssen aufpassen, dass ihnen ihr Testamen nicht "zerschossen" wird.

Zum 17. August dieses Jahres tritt die neue EU-ErbrechtsVO in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt wird das Erbrecht für EU-Angehörige in einem wichtigen Punkt neu geregelt. Künftig beantwortet sich die Frage, nach dem Recht welchen Staates das jeweils geltende Erbrecht zu beurteilen ist, nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern knüpft an den gewöhnlichen Aufenthaltsort, sprich an das Recht des Staates an, in dem der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt hat.

Erhebliche Rechtsfolgen für Rentner auf Malle

Da das Auslandsrentnerdasein heute keine Ausnahmeerscheinung mehr ist und viele ältere Pflegebedürftige sich wegen der günstigeren Kosten im Ausland und nicht in ihrem  Heimatland pflegen lassen, wird die neue Regelung erhebliche Konsequenzen für eine Vielzahl von im Ausland lebenden Rentnern haben.

Statt deutscher gelten dann spanische, französische oder polnische Gesetze. Ob ein zu Hause errichtetes Testament wirksam ist, richtet sich dann nach dem Recht des Landes, in dem der Rentner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Abwicklung seines Nachlasses kann dann nach überraschend anderen Regeln laufen als gedacht.

Ein Berliner Testament ist im Ausland Makulatur

Ein Großteil der im Ausland lebenden Rentner hat vor einem deutschen Notar ein so genanntes Berliner Testament errichtet. Hierin setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein und ihre Kinder zu Nacherben. Diese deutsche Regelung kennen andere Länder nicht. Soweit die deutsche Regelung dann beispielsweise dem spanischen Recht widerspricht, würde die Erfolge nach spanischem Recht geregelt.

Andere Länder, andere Erbschafts-Sitten

Dabei ist nicht zu verkennen, dass auch spanische oder französische Regelungen Vorzüge bieten können, die das deutsche Recht nicht kennt. Diese Regelungsmöglichkeiten muss man aber kennen, wenn man sie sinnvoll nutzen will.

In Spanien haben Eheleute weniger starke Erbrechte

So ist es in Spanien möglich, dass eine Erbschaft komplett den gemeinsamen Kindern zufällt und der Ehepartner lediglich ein Nutzungsrecht an der zuletzt gemeinsam benutzten Wohnung erhält.

Schweden sind erbrechtlich gar nicht so kinderlieb

In Schweden ist unter bestimmten Voraussetzung der Ehepartner Alleinerbe und die Kinder sind von der Erbschaft ausgeschlossen. Wichtig ist hier für Auslandsdeutsche eine umfassende und qualifizierte Information, gegebenenfalls über einen vor Ort ansässigen Rechtsanwalt.

Wichtig: Die EU-ErbrechtsVO gilt nicht in Großbritannien, Irland und Dänemark. Diese Länder sind der VO nicht beigetreten.

Es bleibt ein Ausweg aus dem EU-rechtlichen Durcheinander

Wer über die erheblichen Folgen der EU-Verordnung erschrocken ist, für den gibt es einen einfachen Ausweg. Die EU-Verordnung selbst lässt für Skeptiker ein Schlupfloch:

  • Wer möchte, dass sein Nachlass nach dem Recht seines Heimatlandes geordnet wird, kann durch einfaches Testament festlegen, dass für die Nachlassverteilung auch künftig seine Staatsangehörigkeit maßgeblich sein soll.
  • Wer die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten hat, kann auf diese Weise ohne weiteres die Geltung deutschen Erbrechts bestimmen.
  • Allerdings muss er dies in einem formgültigen, handgeschriebenen und unterschriebenen Testament tun.
  • Deshalb ist die Kenntnis über den Zeitpunkt des Eintritts der Geltung der neuen EU-Verordnung so wichtig. Wer nichts tut, dessen Erben haben möglicherweise das Nachsehen.

Europa macht das Recht bunter

Der Vorgang zeigt, dass die Europäisierung des Rechts nach und nach auch auf ganz private Regelungsbereiche übergreift. Gleichzeitig werden aber auch die Regelungsmöglichkeiten des Einzelnen durch die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Regelsystemen erweitert. Europa vergrößert also die Spielräume seiner Bürger und bringt damit mehr Farbe ins Spiel. Es liegt bei jedem selbst, die gebotenen Möglichkeiten zu nutzen.