Legal Tech-Regulierung und mehr Freiheiten für Rechtsanwälte

Das Gesetz „zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ soll Anwälten in engen Grenzen das Vereinbaren von Erfolgshonoraren und Prozessfinanzierung erlauben. Für Legal Tech-Firmen werden Registrierung und Informationspflichten stärker reglementiert, um Verbraucherechte abzusichern und unwirksame Abtretungen wie in Dieselfällen zu verhindern.


Der Gesetzentwurf bildet den vorläufigen Schlusspunkt einer Auseinandersetzung darum, welche Geschäftsmodelle Anwälten vorbehalten sind.

Gesetzesziele: Verbraucherschutz und Widerspruchsfreiheit im Berufsrecht

Bisher ist Rechtsanwälten die Vereinbarung von Erfolgshonoraren nur in sehr engen Grenzen erlaubt und die Übernahme von Verfahrenskosten ist ihnen vollständig untersagt. Dieses Verbot gilt aber nicht für nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz registrierte Inkassodienstleister, die jüngst den Wettbewerb im Rahmen der Durchsetzung geringfügiger Forderungen belebten.

Insbesondere Verbraucher sahen angesichts der Kostenrisiken (Verfahrenskosten und Anwaltskosten) im Zusammenhang mit geringfügigen Forderungen, z.B. im Bereich der Wohnraummiete oder Fluggastrechten zunehmend von der Verfolgung ihrer Ansprüche im Rechtsweg ab, wodurch eine faktische Rechtsschutzlücke entstand.

Sogenannte Legal-Tech-Unternehmen skalierten unter Einsatz von Software die Durchsetzung geringwertiger Forderungen aus spezifischen Rechtsgebieten, agierten auf Basis einer Erfolgsbeteiligung und boten Verbrauchern damit eine risikoarme Alternative zur Beauftragung von Anwälten.

Welche Tätigkeiten sind Rechtsanwälten vorbehalten

Mit zunehmender Herausbildung eines Marktes für diese Geschäftsmodelle stellte sich die Abgrenzungsfrage, welche (rechtlichen) Tätigkeiten der Anwaltschaft vorbehalten sind. Denn nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten Rechtsdienstleistung, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Sogenannte Inkassodienstleistungen dürfen – nach Registrierung – aber auf Grund besonderer Sachkunde auch ohne Anwaltszulassung erbracht werden. Nicht nur sah also ein Teil der Anwälte eigene Marktanteile durch nichtanwaltliche automatisiert operierende Dienstleister gefährdet. Hinzu kamen Rechtsunsicherheit über die Reichweite des Inkassobegriffs und der Umstand, dass Rechtsanwälte selbst keine Inkassodienstleistungen erbringen durften.

Öffnung von Inkassodiensten und erfolgsabhängiger Vergütung für Anwälte

Der Gesetzesentwurf ändert dies, indem Inkassodienste teilweise für Anwälte geöffnet werden. Ferner soll die Vereinbarung von Erfolgshonoraren nunmehr zulässig sein, falls sich der jeweilige Auftrag auf eine Geldforderung von höchstens 2.000 Euro bezieht.

Mehr Verbraucherschutz durch Transparenz bei Rechtsdienstleistungen

Außerdem enthält der Entwurf verbraucherschützende Vorschriften: Denn bisher hatte das Rechtsdienstleistungsgesetz primär den Dienstleister selbst, aber weniger den Schutz der Verbraucher als Auftraggeber im Blick. Der Entwurf zielt auf eine Erhöhung der Transparenz und Verständlichkeit der angebotenen Geschäftsmodelle ab. Schließlich haben sich durch das Abweichen der Legal-Tech-Unternehmen vom klassischen Berufsbild eines Inkassodienstleisters in der Praxis rechtliche Unsicherheiten gezeigt, die durch den Entwurf abgebaut werden sollen.

Denn Legal-Tech-Unternehmen, die als Inkassodienstleister Forderungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern einziehen, weichen vom herkömmlichen Bild der Inkassodienstleistung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 des Rechtsdienstleistunggesetzes) ab.

Legal-Tech-Dienstleistungen folgen nicht immer dem Interesse der Verbraucher 

Während „Inkasso“ traditionell von einem Schwerpunkt auf die Forderungsdurchsetzung geprägt ist, bieten viele Legal-Tech-Unternehmen weitere Leistungen wie zum Beispiel eine automatisierte Prüfung darüber an, ob oder in welcher Höhe ein Anspruch besteht.

Auch ließen sich solche Unternehmen in Massenverfahren zuweilen Vollmachten zum Abschluss von Vergleichen einräumen, was zur misslichen Situation führen konnte, dass sich für die Verbraucher ein Rechtsstreit lohnenswert erschien, während für den Dienstleister der Abschluss eines Vergleichs – gegenüber einem kostenträchtigen Prozess – wirtschaftlich attraktiver war. Inkassodienstleister müssen daher nach der Entwurfsfassung künftig ihre Dienstleistung und den Umfang der ihnen eingeräumten Rechte transparent erklären – auch um den Verbrauchern einen Vergleich der Leistungen unterschiedlicher Anbieter zu ermöglichen.

Ausbau des Verbraucherschutzes durch Gewerbeaufsicht

Schon im Rahmen des Zulassungsverfahrens als Inkassodienstleister sollen die entsprechenden Unternehmen nun angeben, welche konkreten Tätigkeiten sie erbringen wollen.

Damit soll der Aufsichtsbehörde eine eingehende Vorabprüfung der Vereinbarkeit der angestrebten Tätigkeit mit einer Registrierung als Inkassodienstleister ermöglicht werden. Ziel dieser Prüfung ist eine hohe Übereinstimmung in der verwaltungsrechtlichen und zivilrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit.

Mehr Rechtssicherheit für Verbraucher bei Abtretung durchzusetzender Forderungen

Auch dies hat einen verbraucherschützenden Hintergrund. Denn vereinzelt entschieden Gerichte, dass die Abtretung von Verbraucherforderungen an Legal-Tech-Unternehmen unwirksam waren, weil die konkrete Abtretungsvereinbarung nicht mehr von der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz gedeckt war (→ Myright im Abgasskandal nicht klagebefugt). Dies hinderte letztlich die wirksame Durchsetzung der abgetretenen Forderungen und traf wirtschaftlich neben den Legal-Tech-Unternehmen auch die Verbraucher.

Die öffentlich-rechtliche Zulassung der Dienstleistung durch die Aufsicht soll daher nunmehr unmittelbare zivilrechtliche Konsequenzen haben und die Wirksamkeit der Abtretung von Forderungen herbeiführen. Ferner bekommt die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, die Inkassobefugnis für Rechtsdienstleistungen mit „besonderer Vertraulichkeit oder Verschwiegenheit“ oder „besonders komplexen rechtlichen Erwägungen“ nicht zu erteilen und damit bestimmte Leistungsinhalte Rechtsanwälten vorzubehalten: Die genauen Inhalte und Grenzen der zitierten Begrifflichkeiten sind allerdings noch unklar.

Fazit: Der Gesetzentwurf stärkt die Rechte von Verbrauchern, legitimiert neue Geschäftsmodelle und sorgt für mehr Widerspruchsfreiheit im Rahmen des anwaltlichen Berufsrechts. Begrüßenswert für Verbraucher ist, dass sich mit den Änderungen vermutlich das Feld der kostengünstigen Durchsetzung geringwertiger Forderungen stetig erweitert und ausdifferenziert. Mit Spannung darf erwartet werden, welche Beratungsmodelle hier demnächst entstehen und wie auch die Anwaltschaft ihre neuen Freiheiten mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle wahrnimmt.


Schlagworte zum Thema:  Legal Tech, Anwaltsgebühren