Kuriose Fälle vor Gericht - Auch das noch: Angebaut

Wer den Anbau von Haschisch in seiner Mietwohnung perfektioniert, riskiert nicht nur strafrechtliche Verfolgung, sondern auch das Dach über'm Kopf: Seine Liebe zu verbotenen Substanzen kostete einen Mieter in einem Fall, der vor dem AG Karlsruhe landete, seine Wohnung.

Die Legalisierung von Cannabis wird immer mal wieder, zur Zeit verstärkt (→ Justiz-Zweifel an Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Cannabisverbots), diskutiert, gut 40 Jahre nachdem Reggae-Legende Peter Tosh „Legalize it“ appelliert hatte.

Häusliche Anbau von Cannabis

Für den Mieter einer Wohnung in Karlsruhe kommen derlei Bestrebungen allerdings zu spät. Er hatte Wohnung und Keller zum perfekt organisierten Anbau von Cannabis genutzt, unter Einsatz eines speziellen „Growschranks“, der ganzjährig gute Wachstumsbedingungen ermöglichte. Von derlei gärtnerischen Aktivitäten war die Vermieterin überhaupt nicht angetan und schickte die fristlose Kündigung. Der Mieter führte medizinische Gründe ins Feld, die ihn zum Marihuana-Konsum veranlassten.

Straftaten muss der Vermieter nicht hinnehmen

„Die Kündigung war sowas von berechtigt“, sagte das AG Karlsruhe (Urteil v. 3.2.2017, 6 C 2930/16) und verwies den Mieter der Wohnung. Mit dem Cannabis-Anbau habe der Mieter die Wohnung schlichtweg für eine Straftat benutzt, und zwar in einem Umfang, der weit entfernt von einer Bagatelle sei.

Zu gut ausgerüstet, um eine Bagatelle zu sein

Schon die vorgefundene Ausrüstung spreche gegen einen unerheblichen und nur einmaligen Vorfall. Solch schwerwiegende Verstöße müsse ein Vermieter nicht hinnehmen und sich auch nicht mit einer Abmahnung begnügen. Das „Medizin-Argument“ überzeugte das Gericht nicht, zumal der Mieter bis zuletzt keinerlei ärztliche Bescheinigungen vorlegen konnte.

Hintergrund: Cannabis

Der Begriff Cannabis kommt aus dem Lateinischen und bezeichnet die Hanfpflanze. Marihuana (Gras) ist ein Produkt aus den getrockneten Blüten dieser Pflanze. Haschisch besteht aus dem Harz der Hanfpflanze, das eine hohe Konzentration von THC, CBD und anderen Cannabinoiden enthält, die für die Erzeugung der entspannenden Wirkung bzw. des von den Konsumenten erstrebten Rauschzustandes zuständig sind.

Cannabisverbote weltweit auf dem Rückzug

In weiten Teilen der Welt sind der Verzehr und der Handel mit Cannabisprodukten, Haschisch und Marihuana illegal. Immer mehr Staaten legalisieren jedoch den bloßen Besitz dieser Rauschmittel. Die USA schreiten voran. In vielen Bundesstaaten ist der Besitz dieser Rauschmittel mittlerweile gestattet, schon um die Kriminalisierung und mafiöse Geschäfte mit Drogen zu verhindern. Die WHO steht einer Legalisierung inzwischen nicht mehr negativ gegenüber. Im November hat der EuGH entschieden, dass der nicht psychoaktive Inhaltsstoff Cannabidiol nicht als Betäubungsmittel gilt, wenn sein THC-Gehalt unter 0,2 % liegt (EuGH, Urteil v. 19.11.2020, C-663/18).

Cannabis als Medizin

In der Medizin wird Cannabis wegen seiner entspannenden Wirkung inzwischen zur Linderung der Symptome verschiedener Erkrankungen wie multipler Sklerose, Depressionen, Spastik, Lähmungserscheinungen, Epilepsie, als Begleitung von Chemotherapien oder bei Erkrankungen des Nervensystems eingesetzt.

Bernauer Jugendrichter kämpft für Legalisierung

Der Bernauer Jugendrichter Andreas Müller hält das Verbot von Cannabis in Deutschland für unverhältnismäßig, unter anderem auch deshalb, weil die unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol grob willkürlich sei. Außerdem führe das Verbot zu einer nicht zu rechtfertigenden Kriminalisierung zahlreicher Konsumenten. Richter Müller führt seit vielen Jahren einen zähen Kampf für die Freigabe und hat im April 2020 eine 140-seitige Richtervorlage beim BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG mit dem Ziel der Legalisierung eingereicht. Im Jahr 2002 war der Richter mit einer ähnlichen Vorlage beim BVerfG allerdings gescheitert (BVerfG, Beschluss v. 29.6.2004, 2 BvL 8/02).

Drogenmafia als Nutznießer der bisherigen Politik

Schätzungen nach leben in Deutschland ca. 4 Millionen Cannabiskonsumenten. Diese sind darauf angewiesen, ihren Stoff aus illegalen Kanälen zu beschaffen. Das freut die Drogenmafia und schadet den Konsumenten. Nach Expertenmeinung sind mehr als 90 % des in Deutschland verbrauchten Cannabis mit anderen gefährlichen Substanzen verschnitten. Dies führt zu hohen Gesundheitsrisiken der Konsumenten und belastet letztlich das Krankenversicherungssystem. Durch eine rege Schwarzmarkttätigkeit entstehen riesige Kriminalitätsprobleme. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden - besonders in Großstädten - sind mit den Aufgaben aus der Bekämpfung der Drogenkriminalität total überfordert. Die Übernahme anderer wichtiger Aufgaben wird hierdurch teilweise blockiert. 

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