Krisenkommunikation durch Kanzleien in Zeiten der Corona-Pandemie

Wie kommunizieren Kanzleien in der Zeit von Corona? Ob diese Krise eine Chance ist, mag Ansichtssache sein: Eine Feuerprobe für das hauseigene Führungspotenzial und Kanzleiwerte ist sie in jedem Fall. Zu erfolgreichem Krisenmanagement braucht es genau zwei Kompetenzen: unternehmerische Weitsicht und empathische Führungspersönlichkeit – auch in Schlechtwetterperioden.

Natürlich sollte man seine Branche und sein Geschäft mit allen erforderlichen Zahlen und Herausforderungen ebenso kennen wie die wichtigsten Business Development Tools für die Kanzleiführung. Weil man das Schiff aber in aller Regel nicht allein durch stürmische See steuert, sollte man ebenso in der Lage sein, seine Mannschaft durch diese Krise zu führen, also Kanzleiführung auch in der Krise optimal gestalten.

Kanzleikommunikation in Krisenzeiten: Shitstorm oder Employer Branding

Dass dies nicht automatisch gelingt, zeigen die Diskussionen, Schockmeldungen bis hin zum Shitstorm in den sozialen Medien, denen sich geradezu lehrbuchhaft die großen Kanzleien in dieser Krisenzeit aussetzen:

Taylor Wessing entlässt zur Kostenreduktion fast 100 wissenschaftliche Mitarbeiter, obgleich noch im letzten Jahr öffentlich diskutiert wurde, dass die vergleichsweise hohe Bezahlung dieser aufgrund von Prädikatsexamina gerechtfertigt sei, weil diese wissenschaftlichen Mitarbeiter ein wesentliches Standbein zur Gewinnung von zukünftigen High Potentials bildet. Norton Rose Fullbright nutzt sein sogenanntes Flex-Programm wie schon in der Finanzkrise 2008, um alle Mitarbeiter zu temporärer Teilzeitarbeit und Gehaltsverzicht zur Kostenreduktion zu motivieren, obgleich das Programm ursprünglich für Personal Development und Vereinbarkeit von Familie und Beruf entwickelt worden war. Freshfields friert bis 2021 alle Gehälter ein, andere setzen mit der Nichtausschüttung von Partnergewinnen ein Zeichen. Während für die allermeisten zumindest ein Einstellungsstopp gilt, lässt Dentons mit 5 neuen Partnerernennungen aufhorchen und Graf von Westphalen mit der Eröffnung des neuen Büros in Berlin.

Krisenkommunikation kann also so oder so betrieben werden – während die einen rein zahlenorientiert versuchen, sich zu konsolidieren, nutzen andere die Krise, um mit Employer Branding ein Zeichen im hart umkämpften Markt der Nachwuchsjuristen zu setzen.

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Krisenkommunikation - die Königsdisziplin erfolgreicher Führung

Geschickt gemacht. Aber auch kühl kalkuliert? Ob diese Maßnahmen gutes Krisenmanagement nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben waren, wird wohl ein Geheimnis der Agierenden bleiben, die hoffentlich die jetzt höheren Kosten der Recherchearbeiten durch die Anwälte ebenso in die Berechnungen einbezogen haben wie die späteren Einarbeitungskosten neuer Kräfte. Krisenkommunikation – und zwar nach außen wie nach innen - waren diese Maßnahmen in jedem Fall, ob bewusst oder unbewusst. Dabei ist gerade diese die Königsdisziplin erfolgreicher Führung.

Wenn in einer Krisensituation „Sicherheit“ und „Stabilität“ in jeder erdenklichen Hinsicht abnehmen, folgt in aller Regel ein Zusammenrücken der Teams, um die Situation gemeinsam zu meistern. Auch in dieser Corona-Krise erlebten wir diverse Solidaritätsbekundungen und fühlten uns vielleicht in mancher Hinsicht mit unserer Familie und Freunden mehr verbunden als zu Zeiten, in denen wir uns hätten mit ihnen ungehindert treffen können. Gleichzeitig wachsen die Sehnsucht und der Bedarf nach Führung und zwar nach einer solchen, die verantwortungsbewusst und zielgerichtet aus der Krise führt. Verantwortung soll dabei vor allem für die Menschen übernommen werden, die sich dieser Führung anvertrauen.

Kritische Verhaltensweisen von Führungskräften im Krisenfall

Anerkannte Leadership Assessments haben bestimmte Persönlichkeitstypen darauf hin untersucht, wie diese im Krisenfall – also unter großem Stress – als Führungskräfte reagieren und diese Verantwortung wahrnehmen. Hogan Assessment zum Beispiel nutzt für dies Untersuchung sowohl die Funktion der eigenen Selbsteinschätzung als auch die der von uns gegenüber Anderen aufgebaute Reputation. Dabei wurde überraschenderweise festgestellt, dass nicht alle in Krisensituationen in erster Linie die Nähe zu anderen suchen und erst Recht nicht als Führungskraft die erforderliche Verantwortung für andere übernehmen wollen. Stattdessen wurden drei kritische Verhaltensweisen herausgearbeitet: Die Führungskraft

  1. entfernt und/oder isoliert sich vom Team,
  2. sucht die Konfrontation mit einzelnen Teammitgliedern oder
  3. begibt sich in das Team und bildet bilaterale Allianzen,

um die eigenen Ängste zu kontrollieren. Dabei zeigen diese Führungspersönlichkeiten im Alltagsgeschäft oft Charakterstärke und zeichnen sich durch eine breite Anhängerschaft aus.

Gerade im ersten Fall beispielsweise brillieren diese Persönlichkeiten im Alltag oft als besonders gewissenhaft und unabhängig und werden als sachliche und energetische Gesprächspartner wahrgenommen. In Krisensituationen ist ihnen hingegen „die Jacke näher als die Hose“ und sie nutzen ihre Stärken vor allem im eigenen Interesse und nicht im Interesse des ihnen anvertrauten Teams. Sie fühlen sich an die eine oder andere Krisenintervention und Kanzleiführung von oben erinnert? Zu Recht.

Nun sind derart reduzierte Informationen wie die oben genannten sicher nicht die ganze Wahrheit. Auch bilden derartige Maßnahmen nicht in erster Linie den Krisenmodus einzelner ab, sondern waren bestenfalls von allen notwendigerweise mitgetragene Mehrheitsentscheidungen.

Der Umgang mit Krisensituationen steht für eine bestimmte Führungskultur

Und doch stehen diese Maßnahmen und deren Kommunikation wie immer in Krisensituationen für eine bestimmte Führungskultur. Diese mögen nicht unbedingt im Einklang stehen mit den Inhalten der gestylten Kanzlei-Website knackig dargestellten Kanzleivision und Kanzleiwerten. Sind jedoch umso authentischer. Krisenmanagement und dessen sensible Kommunikation ist also vor allem deshalb die Königsdisziplin erfolgreicher Kanzleiführung, weil hier die wahren Werte und unternehmerischen Ziele ungeschönt zum Ausdruck kommen.

Idealerweise stimmen die Kanzleiwerte und die Kultur der Kanzleiführung mit denen der Außendarstellung überein. Was im Alltagsgeschäft und erst recht in wirtschaftlich stabilen Zeiten relativ leicht vorgetäuscht werden kann - in Krisenzeiten wie diesen werden Verwerfungen und Friktionen offensichtlich.

Nagelprobe zur Passung von Kanzleiwerten und Außendarstellung:

Stimmen die gesetzten Kriseninterventionen und deren Kommunikation nicht mit der Außendarstellung überein und bilden stattdessen eines der drei oben beschriebenen kritischen Führungsverhalten ab, wird die Kanzlei nicht nur als Arbeitgeber massiven Vertrauensverlust erleiden, sondern auch im vertrauensbasierten Rechtsberatungsgeschäft schweren Schaden nehmen. Wie kann das verhindert werden?

Die Bedeutung einer reflektierte Krisenintervention und bewussten Krisenkommunikation auch bei der Kanzleiführung dürfte den allermeisten deutlich geworden sein. Ob man dafür einen internen Krisenstab einrichtet, sich Profis einkauft oder zumindest damit beginnt, einen sogenannten Notfallplan vorzubereiten, bleibt jedem selbst überlassen. In jedem Falle sollte unmittelbar nach der unmittelbaren Krise eine Bestandsaufnahme der eigenen Führungspersönlichkeiten in der Kanzlei und ein Abgleich mit den Kanzleiwerten erfolgen.

Und so wie in der Wirtschaft werden krisensichere und erfolgreiche Kanzlei-Führungsteams auch in der Rechtsbranche künftig zielgerichtet aufgebaut und geschult werden müssen. Persönlichkeitstests, gezielter Teamaufbau, Wissenstransfer und bewusst gesetzte Entwicklungsmaßnahmen werden zum ersten Mal eine größere Rolle spielen. 

→ Die Autorin Geertje Tutschka ist Juristin, Beraterin und Coach sowie Präsidentin der deutschen Sektion der International Coach Federation (ICF). In ihrem Fachbuch  „Kanzleigründung und Kanzleimanagement“ beschäftigt sie sich auch mit dem Thema Kanzleiführung und Kanzleiwerte.

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Schlagworte zum Thema:  Rechtsanwalt, Kanzleiorganisation, Coronavirus