Kinderrechte sollen im Grundgesetz verankert werden

An einem Entwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz arbeitet zur Zeit eine Expertenkommission der Bundesregierung. Verankert werden soll dort das Recht jedes Kindes auf Förderung seiner Entwicklung, auf Beteiligung, auf Berücksichtigung seines Willens sowie des Kindeswohls bei wichtigen Entscheidungen.

Die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) ist zwar noch nicht so alt wie das Grundgesetz, aber auch sie hat in diesem Jahr Geburtstag und wird immerhin 30 Jahre alt. Zurzeit hinkt die deutsche Verfassung allerdings noch hinter der UN Konvention her.

Bisher keine speziellen Kinderrechte mit Verfassungsrang

1992 wurde die UN Kinderrechtskonvention von Deutschland ratifiziert. Im GG finden Kinderrechte nur indirekt in Art. 6 GG Berücksichtigung. Danach obliegt den Eltern das Recht und die Pflicht zur Erziehung und Pflege der Kinder. Als eigenständige Rechtssubjekte werden Kinder in der Verfassung im Gegensatz zur KRK nicht behandelt. Damit fehlt es an einem nachhaltigen Schutz der Kinderrechte mit Verfassungsrang. Die KRK selbst ist ein völkerrechtlicher Vertrag und hat damit lediglich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.

Kernprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention

Mit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention ist die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 14 KRK die Verpflichtung eingegangen,

  • alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen.
  • Der UN-Ausschuss für Rechte des Kindes hat den Vertragsstaaten die Aufnahme der Kinderrechte in die nationale Verfassung nahegelegt.
  • Befürwortet wird die Aufnahme der Kernprinzipien der Kinderrechtskonvention, das sind der Diskriminierungsschutz gemäß Art. 2 KRK, das Recht auf Entwicklung gemäß Art. 6 KRK, der Vorrang des Kindeswohls gemäß Art. 3 KRK, das Recht auf Gehör und Beteiligung gemäß Art. 12 KRK.

Expertengruppe der Regierung arbeitet an einem Entwurf

Der Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung sieht eine Verankerung der Kinderrechte im GG vor. Die Grünen sind mit Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfs nun in Vorlage getreten. Aber auch die mit dem Thema befasste Arbeitsgruppe von Bund und Ländern steht kurz vor Abschluss ihrer Arbeit und will in den nächsten Wochen eine Empfehlung vorlegen, wie Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden könnten.

Gutachten für die Aufnahme von Kinderrechten im GG

Eine viel diskutierte Frage ist, ob die Aufnahme von Kinderrechten im GG überhaupt praktische Rechtsvorteile für Kinder bringen würde. Verschiedene Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie des Kinderhilfswerkes  bejahen diese Frage im wesentlichen:

  • Die Verankerung eigener Kinderrechte würde unmittelbare Pflichten sowohl von Eltern und sonstigen Erziehungspersonen gegenüber den Kindern als auch Pflichten des Staates gegenüber den Kindern auslösen, die bisher in dieser Form nicht bestünden.
  • Die Kompliziertheit der derzeitigen Herangehensweise der indirekten Ableitung von Kinderrechten aus dem GG sei mit ein Grund dafür, dass bei der Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland noch ein erhebliches Defizit bestehe.

Welche praktischen Auswirkungen hätte die Verankerung im GG?

Die Gutachter messen der Aufnahme spezieller Kinderrechte im GG im wesentlichen folgende praktische Auswirkungen zu:

  • So müssten mit Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung Behörden künftig bei Planungsvorhaben, beispielsweise bei der Planung von Wohnvierteln, beim Straßenbau, beim Kita-Ausbau immer das Kindeswohl in den Abwägungsprozess  von Entscheidungen einbeziehen. Eine Nichtbeachtung des Kindeswohls bei einer Planungsentscheidung wäre dann ein Planungsfehler und könnte rechtlich geltend gemacht werden.
  • Auswirkungen könnten auch hinsichtlich der Pflichten des Staates zur Bekämpfung der Kinderarmut, zur Angleichung der Bildungschancen und bei der Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse eine Rolle spielen.
  • Schon beim Erlass von Gesetzen müssten die Grundrechte der Kinder Berücksichtigung finden, also bereits früh im Gesetzgebungsverfahren.
  • Auch bei Abwägungsentscheidungen der Gerichte, beispielsweise innerhalb eines Bebauungsplanverfahrens hinsichtlich der Spielflächen für Kinder, würde eine direkte Verankerung im GG zu einer besseren Berücksichtigung der Interessen der Kinder führen. Die Beteiligung von Kindern an der Entscheidungsbildung würde gestärkt.
  • Schließlich wird auf die wichtige Signalwirkung hingewiesen, Kinder von Verfassungswegen als eigenständige Rechtspersönlichkeiten mit eigenen Rechten auszustatten.

Die Meinungen sind geteilt

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes Thomas Krüger weist darauf hin, dass Kinder nicht einfach kleine Erwachsene sind und deshalb besonderer Rechte bedürfen.

Dies gelte besonders für den Schutz der Kinder vor Gewalt oder Vernachlässigung.

Gegner einer Verfassungsänderung wenden ein, dass das GG im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 und Art. 1 sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 und nicht zuletzt des Schutzes der Familie in Art. 6 bereits einen hinreichenden Schutzraum für Kinder biete.

Der ehemalige Präsident des BVerfG, Hans-Jürgen Papier gibt sich skeptisch und weist darauf hin, dass die im GG formulierten Grundrechte allen Menschen zustünden, also auch den Kindern. Er befürchtet eine symbolische Überfrachtung des GG. Möglicherweise pochten als nächstes die Senioren auf eigene Grundrechte.

Einige Staaten haben KRK in ihrer Verfassung verankert

Einige Länder haben bereits gehandelt. Norwegen, Belgien, Irland, Spanien, Österreich und Südafrika haben in ihre Verfassungen inzwischen einen ausdrücklichen Hinweis auf die KRK  aufgenommen und damit den dort verankerten Grundprinzipien Verfassungsrang gegeben.

Konkrete Vorschläge liegen vor oder sind in Arbeit

Nach dem Vorschlag der Grünen soll es ein neu in Art. 6 GG einzufügender Abs. 4 a richten. Dieser soll lauten:

Jedes Kind hat das Recht auf Förderung seiner Entwicklung. Bei allen Angelegenheiten, die das Kind betreffen, ist es entsprechend Alter und Reife zu beteiligen; Wille und zuvörderst Wohl des Kindes sind maßgeblich zu berücksichtigen.“

Etwas allgemeiner, inhaltlich aber nicht unähnlich, dürfte nach derzeitigem Kenntnisstand der Vorschlag der Expertengruppe ausfallen.


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