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Personal Branding: Was Anwälte post-corona zum Experten macht

Es gibt viele gute Anwälte. Manche sind besser bekannt als andere. Nur wenige sind als Experten ihres Fachs gefragte Ansprechpartner oder gar berühmt. Der strategische Aufbau eines Expertenstatus als Anwalt oder Jurist gehört nicht zum Standard-Repertoire des Kanzleimarketing. Und das ist gut so. Personal Branding ist nicht für jeden.

Was ist Personal Branding?

Dabei geht es nicht darum, mit Marketingmitteln “den Lauten” zu machen. Personal Branding ist mehr: Es setzt an der Persönlichkeit an, dringt zu den Kernwerten der Anwaltspersönlichkeit vor. Dort, wo sich die Authentizität befindet. Es gilt, diese (wieder) zu entdecken und deren kraftvolle Energie zu nutzen.

Und auf der anderen Seite geht es um Können, um Fachwissen, Erfahrung und um Expertise. Aus dieser einzigartigen Kombination gilt es, eine „Personal Brand“ zu machen. Eine Anwaltsmarke, wenn man so will.

Eine Anwaltsmarke ist ein Statement, das sichtbar ist

Das gefällt nicht jedem: denen nicht, die es selber gern wären und denen nicht, die für andere Kernwerte stehen. Und man selbst ist sowieso immer der schlimmste Kritiker.

Sie muss aber auch nicht jedem gefallen. Einer der am weitesten verbreiteten Irrtümer im Zusammenhang mit Personal Branding – oder auch Human Branding - ist, dass hier eine glattgeschliffene Kunstfigur geschaffen wird, die den Mainstream bedienen muss. Das ist es ganz und gar nicht. Eine markige nahbare Anwaltspersönlichkeit oder eine offene charismatische Anwältin kommt viel besser an. Den meisten fallen jetzt bestimmt der „Youtube-Star“ Solmecke, die „Insta-Influencerin“ Carmen Thornton oder der „singende Fernsehanwalt“ Dominik Herzog ein. Personal Brands und Anwaltsmarken aus der ersten Reihe! Aber das sind Giganten, die Unicorns der Branche, wenn man so will.

Personal Branding auch ein Thema für den Arbeitsrecht-Nerd oder den allzeit-bereiten Strafrechtler?

Der strategische Aufbau einer solchen Marke macht bei Einzelanwälten Sinn und ersetzt in vielen Fällen das Kanzleimarketing. In den letzten Jahren haben aber gerade Anwälte aus Großkanzleien und Boutique-Kanzleien das Thema für sich entdeckt: schließlich möchte ein Experte seines Fachs seine Lorbeeren nicht ausschließlich für das (Mega) Brand der Kanzlei nach deren Policy kassieren. Er möchte selbst sichtbar sein und auch ein stückweit selbst und unabhängig entscheiden, wie er seinen Expertenstatus strategisch auf- und ausbaut. Immerhin sind der Expertenstatus und seine damit aufgebaute Mandantschaft das einzige, was ihm bleibt, falls es mit der Kanzlei nicht auf immer und ewig hält.

Wie hat sich der Aufbau des Expertenstatus mit der Pandemie verändert?

Punkt 1: Online ist das neue Offline

Wie bereits im ersten Kapitel beschrieben, haben die Lockdowns die Menschen in die Online-Welt katapultiert. Machten vorher Business-Network-Veranstaltungen, Konferenzen und Messen, repräsentative Anzeigen in Fachmagazinen und gut platzierte bezahlte Artikel einen Großteil des Marketingbudgets aus, machte es plötzlich keinen Sinn mehr, für Präsenzveranstaltungen und print-Medien tausende von Euros auszugeben. Manches wurde halbwegs nach online transferiert. Schnell war jedoch klar, dass online-Formate einer anderen Logik folgen und online-Zielgruppen andere Bedürfnisse haben.

Die Social Networks und Business Networks haben davon profitiert: Twitter, Instagram, LinkedIn hatten beispielsweise rasante Zuwächse zu verzeichnen und konkurrieren mittlerweile auf Augenhöhe mit den klassischen Rundfunk- und Fernsehmedien. Und: sie sind personenbezogen – nicht mehr fach- oder themenbezogen. Das ist ein Unterschied, wenn man als Experte für ein bestimmtes Thema stehen will. Auch Tages- und Fachzeitschriften und Magazine haben mit ihren Online-Versionen seit 2020 signifikant zugelegt. Ausgebaut haben sie vor allem ihr online-event-Angebot: für das sie Experten suchen. Außerdem sind neue Formate dazugekommen:

Clubhouse startet beispielsweise in den Neujahrstagen 2021 in Deutschland als exklusives Apple-Network für Livediskussionen durch, nachdem es 2020 in den USA begann. LinkedIn startete mit Storys und Livestreams durch und verzeichnete massive Zuwächse bei den LinkedIn-Video-Tutorials. Aber auch der Podcast Markt legte zu und der Weiterbildungsmarkt. Dabei wurden die Angebote mit den neuen online-Möglichkeiten immer niederschwelliger: ein kleines online Tutorial, eine Mini-Webinar-Reihe, ein How-To-Comic – und das ganze 24/7 abrufbar auf einer Trainingsplattform.

Punkt 2: Personal ist das neue Professional

War es vor Corona noch eher fortgeschritten, auf der Kanzleiwebseite neben den Fachartikeln und Veröffentlichungen noch einige Kurzvideos mit Fachbeiträgen zu haben, wirken diese heute altbacken und verstaubt. Live und nahbar möchte es das Publikum. Clubhouse mit seinen Live-Diskussionen wurde daher schon bald in Deutschland nicht nur von Celebrity´s und Politikern entdeckt, sondern auch von Juristen, die sich in den Diskussionsrunden profilierten und sogar eigene regelmäßige Formate einstellten.

Eine andere und neue Facette zeigten Juristen, die sich engagierten und dies auch öffentlich machten, um ein Zeichen zu setzen:

Zum Beispiel im Rahmen der Lockdown´s als Experte für die sich ständig ändernden Regeln für die Wirtschaft aus Arbeitgebersicht. Kanzlei „Kliemt“ war hier ein Paradebeispiel. Andere schlossen sich Lawyers4Future an, die als Untergruppe der Fridays4Future sich politisch für einen aktiven Klimaschutz in Deutschland einsetzen. Lawyers4Future – Monate vor Corona gegründet – erlebte geradezu einen Ansturm im letzten Jahr an neuen Mitgliedern.

Punkt 3: neue Inhalte für neues Publikum

Da geht es einerseits um „Edutainment“ – einer unterhaltsamen (und verständlichen) Vermittlung von rechtlichem Grundwissen. Anderseits um „Coachsulting“ – (in der Juristerei auch Legal Coaching genannt), einer klientenzentrierten Beratung, die nicht Fachwissen sondern Demut vor den Lebensentscheidungen anderer in den Mittelpunkt stellt.

Das online Magazin „Legal Layman“ steht dafür ebenso wie „Herr_Jurist“ und „Frau _Rechtsanwältin“ auf Instagram und „herranwalt“ auf TikTok. Die erfolgreichen Newcomer-Podcasts „Das Rechtsgespräch“, „The First Year“ und „Du bist. Laute(r) Impulse für Deinen Kanzleialltag“ sind Beispiele, wie sich die Zielgruppe dieser Angebote neu zusammensetzt: aus juristisch Interessierten (potentielle Mandanten), beruflichen Neustartern (potentiellen neuen Mitarbeitern) und Kanzleimitarbeitern (potentielle Multiplikatoren).

Und genau darin liegt die Veränderung: Personal Branding, der Aufbau eine Anwaltsmarke muss neuerdings immer alle diese Zielgruppen bedienen. Nicht gleichzeitig, aber ganzheitlich.

Personal Branding für Juristen post-corona - es hat gerade erst begonnen

Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Personal Branding ist definitiv etwas für den Arbeitsrecht-Nerd, wenn er beispielsweise in LinkedIn mit LiveStreams und regelmäßigen Updates Unternehmen durch die Lockdowns begleitet. Und es ist definitiv etwas für die Strafrechtlerin, die sich nahbar und authentisch auf dem Weg zur für ihren Mandanten wichtigsten Verhandlung seines Lebens auf Instagram zeigt, wie z.B. Arabella_Poth auf Instagramm.

Es gäbe noch viel sehr individuelle Beispiele zu nennen, wie sehr die letzten 15 Monate bei vielen Anwälten die Weichen für (oder gegen) eine Anwaltsmarke gestellt haben. Beides ist eine persönliche Entscheidung des Einzelnen. Mir bleibt nur aufzuzeigen, wo sich gerade viel bewegt und was bei Kollegen funktioniert. Personal Branding bleibt also ein spannendes Thema für die Rechtsbranche: Und es hat gerade erst begonnen.

→ Dr. Geertje Tutschka ist Rechtsanwältin, Beraterin und Coach. In ihrem Fachbuch  „Kanzleigründung und Kanzleimanagement“ beschäftigt sie sich mit Kanzleigründung und -führung.

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