Must Haves: 10 zukunftsrelevante Faktoren im Kanzleimarketing

Kanzleimarketing darf einfach und direkt sein, spielerisch leicht mit einem Hauch Humor und Selbstironie. Das ist schwer genug. Doch was darf sich das Kanzleimarketing von morgen überhaupt noch erlauben? Datenschutz, Kennzeichnungspflichten und die Pflicht zu „Clean Language“ ebnen nicht gerade den Weg für flotte Werbesprüche.

Die Pandemie hat viel verändert. Die politischen Bewegungen wie Black-Lives-matter, LGBTQ+, Fridays-for-future haben viel verändert. Der EqualPayDay, der Gehalts-Auskunftsanspruch und die Frauenquote verändern etwas beim Thema Gleichstellung. Artensterben und Flutkatastrophen verändern. Flüchtlingsbewegungen und EU-Brexits verändern. Wo bleibt da die Leichtigkeit?

Eine Knigge–Regel empfiehlt, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht über Politik und Religion zu äußern. Gilt das auch für das Kanzleimarketing?

Das sind die 10 „Must Haves“ des post-Corona Kanzleimarketings:

1. Der lange Weg der Mandantenakquise

Marketing hat ein Ziel: es soll zu neuem Geschäft führen. Deshalb wird das Marketing vom Verhalten und den Bedürfnissen der Klienten bestimmt. Diese erwarten, dass juristische Inhalte leicht verständlich aufbereitet, einfach und direkt, aktuell und kostenlos abrufbar sind. Ihren Anwalt des Vertrauens wählen sie dann nach „Expertise-Faktor“ und „Charisma“. Sie erwarten also, dass Anwälte nahbar sind und sich persönlich zeigen. Gern möchten sie den Anwalt ihrer Wahl dann auch noch zu einschlägigen Themen publizieren oder podcasten sehen ("multiple touch points" nennt man das in der Fachsprache). Kommt dann tatsächlich ein Rechtsproblem, erwarten sie unkomplizierte, moderne und zeitschonende Prozesse. Bis dahin findet alles online statt! Das sollte ihr Kanzlei- Marketing also auch.

Und: es sollte genau das versprechen, was sie liefern können. Nicht mehr und nicht weniger.

2. Menschenrechte und Diversity

Das Kanzleimarketing muss die Themen der Zeit nicht nur sensibel aufgreifen, sondern auch einen Standpunkt dazu liefern. Niemand mag allgemeingültige Aussagen. Nicht Stellung zu beziehen zu den Themen unserer Zeit bedeutet bei aller gebotenen Neutralität, dass man tatsächlich doch (ungewollt) Stellung bezieht.

3. Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit

Das Gleiche gilt für die Umweltthemen. Hier spielt gerade beim Kanzleimarketing die zusätzliche Frage hinein: wie klimaneutral ist mein Kanzleimarketing? Wenn der Deutsche Anwaltsverein die Willkommensmappen für die neuen Mitglieder aus Plastik herstellen lässt, gefüllt mit einer Flut von Print-Flyern von Zulieferern, die keiner liest, positioniert er sich zu diesem Thema – bewusst oder unbewusst. Machen Sie es besser.

4. Social business und Social Change

Wenn Marketing heißt, sich den großen Fragen unserer Zeit zu stellen, bedeutet das auch, dass kein Unternehmen umhin kommt, sich fragen zu lassen, ob und wie es sich vor der eigenen Haustür, in der eigenen Community oder im großen Ganzen engagiert. Soziale Projekte, Charity und Fundraising, Unterstützung für die Stadtteil-Schule, mit dem Fahrrad über die Alpen für den Kilometersponsor oder auch ganz anders: Das möchten Ihre Mandanten wissen.

Getreu dem Motto: „Tu Gutes und rede drüber.“

5. Local Offline and Global Online

Marketing wird überall und alles können müssen: offline und online als auch lokal und global. Das bedeutet für die meisten Kanzleien eine deutliche Aufwertung des Globalen und Online Marketings. Übersetzungsprogramme werden immer besser – es wird bald keine Rolle mehr spielen, in welcher Sprache sie lesen, sprechen und hören – denn es wird simultan in jede Sprache dieser Welt übersetzt. Damit erweitern sich ihre Möglichkeiten. Das sollten sie nutzen.

Gleichzeitig wird die lokale Beziehungspflege immens wichtig. Menschen brauchen menschlichen Kontakt außerhalb der online Welt. Diesen professionell herzustellen und eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, die mehr bietet als abrufbares Expertenwissen, wird eine der wichtigsten Herausforderungen sein für die Daseinsberechtigung von Anwälten.

6. Authentisch

Hochglanz-Marketing, glattgebügelt und uniform braucht heute mit dieser Reizüberflutung kein Mensch mehr. Marketing muss Geschichten erzählen von echten Menschen, braucht eine nahbare und sensible Foto- und Bildsprache und sollte gleichzeitig zu den Werten und Visionen der Kanzlei passen.

Eben authentisch sein.

7. Strategisch

Nur strategisches Marketing ist Marketing. Alles andere ist heiße Luft. Man kann viel Geld verbrennen, indem man eine ganze Reihe von Profis damit beauftragt, das Kanzlei-Marketing „zu machen“ und ihnen weder die Kanzleistrategie noch eine Marketingstrategie an die Hand gibt.

Marketing ist Chefsache. Schließlich soll es das Gesicht der Kanzlei und ihre Persönlichkeit nach außen transportieren.

8. Kooperationen und Multiplikatoren

Das Gute dabei ist: Niemand ist allein. Man sollten sich abgewöhnen, in erster Linie an Konkurrenz zu denken. Das ist verschwendete Energie. Denkt man stattdessen bei den Kollegen an strategische Partnerschaften, Netzwerk und Multiplikatoren, schaffen es alle gemeinsam und miteinander.

Die Menschen im näheren Umfeld wertzuschätzen, sich dankbar zu zeigen und in Vorleistung zu treten, ist das wichtigste Marketing-Tool.

9. Mein Dorf: Kanzleipersonal und -Mitarbeiter

Kanzleipersonal und -mitarbeiter werden gern unterschätzt. Diese bauen nicht nur einen „eigenen“ Klientenstamm auf. Oft ist dem Anwalt selbst meist gar nicht bewusst, wie sehr die Klienten tatsächlich eher an die Mitarbeiterin gebunden sind als sie sie. Offensichtlich wird das, wenn die Mitarbeiterin geht. Kanzleimarketing muss also auch nach innen: die Mitarbeiter, das Kanzleiteam sind eine der wichtigsten Zielgruppen.

10. Personal Branding und Kanzleipositionierung

Kanzleimarketing muss heute vieles. Eine der wichtigsten Aufgaben ist jedoch die sinnvolle Koordination zwischen Personal Branding der einzelnen Experten und dem Aufbau der Kanzleimarke als solche. Dies braucht definitiv mehr Einsatz und mehr Budget, belohnt aber langfristig mit einer gegenseitigen „Brandbeschleunigung“. Hier strategisch und sinnvoll die vorhandenen Ressourcen einzusetzen, wird eine Herausforderung sein.

Alles in allem: Marketing wird weit mehr zur Chefsache und damit ein zeitliches Budget benötigen als ein finanzielles Budget.

→ Dr. Geertje Tutschka ist Rechtsanwältin, Beraterin und Coach. In ihrem Fachbuch  „Kanzleigründung und Kanzleimanagement“ beschäftigt sie sich mit Kanzleigründung und -führung.

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