Kammergericht Berlin fordert mehr Farbe für die Justiz ein

Das KG Berlin will sich künftig nicht mehr mit Schwarz-Weiß-Ausdrucken der vorinstanzlichen Akten zufriedengeben, da Farbbestandteile in Schriftsätzen und Anlagen entscheidungserheblich sein könnten. Das KG verlangt darum farbige Aktenkopien und droht bei Schwarzweiß-Kopien mit Bearbeitungsverweigerung. Die Gerichtsverwaltung verweist auf veraltete Drucker.

Schwarz-Weiß-Akten ohne jede Farbe sind dem KG Berlin ein Gräuel. Das KG besteht künftig auf farbigen Ausdrucken der Schriftsätze nebst Anlagen durch die Gerichtsverwaltung des LG Berlin. Schon seit Monaten mahnt das KG Berlin beim LG die Übermittlung farbiger Original-Akten an. Dennoch wird es immer wieder mit Papierakten, gefüllt mit Schwarz-Weiß-Ausdrucken, abgespeist. Das will das KG künftig auf keinen Fall mehr hinnehmen.

Verfahren mit ungewöhnlicher Begründung zurückverwiesen

Seine Abneigung gegenüber der Schwarz-Weiß-Akte brachte das KG nun in einer Entscheidung nochmals unmissverständlich zum Ausdruck. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren, das wettbewerbsrechtliche Ansprüche zum Gegenstand hatte, hielt sich das LG Berlin für unzuständig und lehnte die Gewährung des vom Verfügungskläger beantragten einstweiligen Rechtsschutzes ab.

Das KG bewertete die Zuständigkeitsfrage auf die Beschwerde des Verfügungsklägers hin anders und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück. Das KG stützte die Zurückverweisung aber ausdrücklich nicht nur auf rechtliche Erwägungen zur Zuständigkeitsfrage, sondern auf einen weiteren, in der Gerichtspraxis eher ungewöhnlichen (berlinspezifischen?) Gesichtspunkt.

Farbige Dokumente erhält das KG nur in schwarz-weiß

Das KG begründete die Zurückverweisung ausdrücklich auch damit, dass das LG dem KG die der Entscheidung zugrunde zu legenden Akten lediglich in schwarz-weiß übermittelt habe. Das KG monierte, die Gerichtsverwaltung des LG Berlin habe die nicht zu akzeptierende Unart, Akten zur Weiterleitung an das KG häufig lediglich in schwarz-weiß zu produzieren.

Papierakten in schwarz-weiß seien in gerichtlichen Verfahren aber nicht ordnungsgemäß, jedenfalls dann nicht, wenn eingereichte Schriftsätze oder Unterlagen Farbbestandteile enthalten. Insbesondere von Rechtsanwälten über das beA eingereichte Schriftsätze nebst Anlagen seien in den für das KG bestimmten Papierakten häufig lediglich als Schwarzweißausdrucke vorhanden.

Schwarz-Weiß-Akten sind unzumutbar

Das KG rügte, anhand der Akten sei nicht erkennbar, ob Schriftsätze oder Anlagen möglicherweise Farbbestandteile enthielten, denn das KG habe keinen Zugriff auf die elektronisch geführten Akten des LG. Dem KG werde damit zugemutet, Entscheidungen auf der Grundlage nicht originalgetreuer Schriftsätze und Anlagen zu treffen. Diese Praxis sei unzumutbar und könne nicht länger hingenommen werden.

Justizverwaltung verweist auf veraltete Ausstattung

Die Verwaltung des LG hat indessen darauf verwiesen, dass sowohl bei LG als auch beim AG jeweils noch mindestens ein älterer Drucker in Betrieb sei, der bei elektronisch eingereichten Dokumenten keine Farben erkenne. Bei hohem Arbeitsanfall sei es nicht zu umgehen, auch diese technisch veralteten Drucker zur Anfertigung der für das KG bestimmten Papierakten einzusetzen, soll es nicht zu unangemessenen Verzögerungen bei der Aktenübermittlung kommen.

Farbbestandteile in Schriftsätzen und Anlagen können entscheidungserheblich sein

Das KG verwies demgegenüber darauf, dass Farbbestandteile in Schriftsätzen und begleitenden Unterlagen durchaus sachliche und rechtliche Bedeutung haben und damit für die Entscheidung eines Rechtsstreits wichtig sein können. Ob dies im jeweils anhängigen Fall so sei, könne aber nur das Gericht und nicht die Verwaltung vorab entscheiden. Es sei in keiner Weise hinnehmbar, dass die Verwaltung des LG - so die derzeitige Praxis - die Entscheidung darüber treffe, ob im jeweiligen Verfahren die Vorlage von Schwarz-Weiß-Ausdrucken für das KG ausreichend ist oder nicht.

Schwarzweißausdrucke verletzen Anspruch auf rechtliches Gehör

Schließlich führt eine von dem Original abweichende Schwarzweißkopie nach der Bewertung des KG in letzter Konsequenz dazu, dass dem Rechtsuchenden das rechtliche Gehör unter Verletzung von Art. 101 GG verweigert werde. Jede Partei habe das Recht, dass die Gerichte die von ihr eingereichten Dokumente in authentischer und nicht in abgewandelter Form beurteilen. Die derzeitige Berliner Praxis sei also auch aus Sicht der Rechtssuchenden eine absolute Zumutung.

KG will künftig die Bearbeitung defizitärer Akten verweigern

Der Senat behält sich in seinem Beschluss ausdrücklich die Option vor, Akten des LG, die weiterhin die gerügten Defizite aufweisen, in Zukunft nicht zu bearbeiten. Die Justizverwaltung Berlin hat unterdessen angekündigt, die älteren Drucker, die die Dokumentenfarbe von elektronisch eingereichten Schriftsätzen nicht erkennen, zu entsorgen und durch moderne Geräte zu ersetzen.

(KG Berlin, Beschluss v. 23.6.2020, 5 W 1031/20).

Hintergrund:

Das KG Berlin rügt die Praxis der Justizverwaltung des LG bereits seit nahezu einem Jahr. In diversen Verfahren sah das KG sich veranlasst, durch gesonderte Verfügungen die Vorlage von Schriftsätzen und Unterlagen in der originalen, authentischen Form anzuordnen (KG Berlin, Vfg v. 7.5.2020, 5 W 1004/20; KG Berlin, Beschluss v. 25.10.2019, 5 W 175/19). Ob dieses Problem als berlinspezifisch zu qualifizieren ist oder ob ähnliche Probleme auch in anderen Bundesländern existieren, ist nicht bekannt. Spätestens wenn ab dem 1.1.2022 Rechtsanwälte und Behörden bundesweit Schriftsätze ausschließlich elektronisch einreichen dürfen, sollte Berlin die Umstellung auf moderne Drucker aber geschafft haben.

Schlagworte zum Thema:  Justiz, Rechtsanwalt, Juristen, Richter