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Grundrechtsverletzung durch gleichgeschlechtliche Ampelpärchen?


Grundrechtsverletzung gleichgeschlechtliche Ampelpärchen?

Ein empörter Bürger scheiterte mit seiner Klage gegen gleichgeschlechtliche Ampelpärchen. Das Verwaltungsgericht Hannover sprach ihm bereits die Klagebefugnis ab.

Alternative Ampelfiguren auf Fußgängerampeln sind in Deutschland inzwischen ein verbreiteter Trend. Queere Ampelpärchen in München, Ampelmusikanten in Bremen, Mainzelmännchen in Mainz, Luther-Ampeln in Worms – Füßgängerampeln entwickeln sich zu kleinen Hotspots für Kultur, Toleranz und Meinungsvielfalt.

Klage gegen gleichgeschlechtliche Ampelpärchen

Im Juni 2023 hatte auch der Rat der niedersächsischen Stadt Hildesheim eine Umrüstung einiger Ampelanlagen an 3 Verkehrsknotenpunkten in der Stadt beschlossen. Gleichgeschlechtliche und auch heterosexuelle Ampelpärchen sollten den Fußgängern den Weg über die Straße weisen. Anfang dieses Jahres wurde der Plan in die Tat umgesetzt. Das fanden nicht alle Einwohner von Hildesheim gut. Ein Bürger der Stadt fühlte sich durch die Piktogramme von lesbischen und schwulen Ampelpärchen dermaßen in seinen Moralvorstellungen verletzt, dass er gegen die Darstellungen vor dem VG klagte.

Kläger rügte Verletzung seines Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung

Der Kläger fühlte sich u.a. in seinem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt. Er und insbesondere auch Kinder und Jugendliche würden auf diese Weise gezwungenermaßen mit sexuellen Moralvorstellungen konfrontiert, die nicht jeder in der Gesellschaft teile und auch nicht teilen müsse. Durch die sexualisierten Darstellungen würde auch das nach Art. 6 GG geschützte Erziehungsrecht der Eltern sowie das elterliche Bestimmungsrecht über die Sexualerziehung ihrer Kinder verletzt.

Sind Ampelpärchen straßenverkehrsrechtlich zulässig?

Der Kläger zweifelte auch die straßenverkehrsrechtliche Zulässigkeit an. Die Ampelanlagen würden quasi als Propaganda für die Verbreitung gesellschaftspolitisch zweifelhafter Ansichten missbraucht. Wer gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe tolerant sei, könne dies ja sein. Die Verwendung gleichgeschlechtlicher Ampelpärchen zwinge ihm aber gegen seinen Willen eine solche Toleranz auf. Die Darstellungen verstießen im übrigen auch gegen den Gleichheitssatz des GG, da er heterosexuelle Paare bisher auf Ampelanlagen nicht entdeckt habe.

Gleichheitsgrundsatz durch „Vielfaltsampeln“ nicht verletzt

Das VG zeigte für die Argumentation des Klägers wenig Verständnis. Das Gericht vermochte keinerlei Verletzung subjektiver Rechte des Klägers zu erkennen. Zunächst wies das VG den Kläger darauf hin, dass entgegen seiner Auffassung auf den „Vielfaltsampeln“ - wie das Gericht die Ampelanlagen bezeichnete - nicht nur gleichgeschlechtliche Paare abgebildet seien, sondern auch heterosexuelle Paare. Der Vorwurf einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sei damit also schon mal vom Tisch.

Rein straßenverkehrsrechtlicher Regelungsgehalt der Ampelpärchen

Aber auch eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG geschützten Rechts des Klägers auf sexuelle Selbstbestimmung konnte das VG nicht erkennen. Die unterschiedlichen Konstellationen auf den Lichtzeichen von Mann-Frau, Frau-Frau, Mann-Mann enthielten keinerlei Aufforderung zur Übernahme bestimmter sexueller Ansichten. Die Piktogramme hätten lediglich den verkehrsrechtlichen Regelungsgehalt, den Fußgängern durch den Wechsel von Rot auf Grün den Zeitpunkt anzuzeigen, zu dem sie gefahrlos die Straße überqueren können.

Gleichgeschlechtliche Abbildungen zeigen gesellschaftliche Realität

Auch eine Verletzung des elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG konnte das VG nicht feststellen. Die Abbildung vielfältiger Paarkonstellationen zeige einfach nur die gesellschaftliche Realität. Kinder könnten abseits von den Ampelpiktogrammen nahezu überall mit solchen Abbildungen konfrontiert werden. Die Kinder selbst sähen darin auch keine Aufforderung zu einer bestimmten sexuellen Orientierung.

Keine Ableitung subjektiver Rechte aus der Straßenverkehrsordnung

Inwieweit die Straßenverkehrsordnung bei der Ausstattung von Ampelanlagen eine Rolle spielt, ließ das VG dahinstehen. Diese Frage müsse hier nicht entschieden werden, denn bei den einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung handle es sich nicht um Schutzgesetze, aus denen Einzelne individuelle Rechte herleiten könne. Die Verletzung subjektiver Rechte komme insoweit von vornherein nicht in Betracht. Die einschlägige Vorschrift des § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO bestimme lediglich, dass die für Fußgänger geltenden Lichtsignale durch ein Sinnbild für Fußgänger anzuzeigen sind. Die konkrete Ausgestaltung obliege der Behörde.

Klage als unzulässig abgewiesen

Im Ergebnis hatte der Kläger nach Auffassung des VG keinen Sachverhalt vorgetragen, der eine Verletzung seiner persönlichen Rechte als möglich erscheinen ließ. Aus diesem Grund sei der Kläger schon nicht klagebefugt, die Klage bereits unzulässig und daher abzuweisen.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann noch einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg stellen.


(VG Hannover, Urteil v. 23.9.2025, 7 A 4883/23)


Hintergrund:

Das Urteil des VG Hannover entspricht der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte, die in ähnlichen Fällen ebenfalls eine Verletzung subjektiver Rechte der jeweiligen Kläger verneint haben.

Queere Ampelpärchen in München

In einer ausführlichen Entscheidung hatte der BayVGH eine Klage gegen Ampelanlagen in der Stadt München mangels Klagebefugnis als unzulässig bewertet. Ein Münchener hatte sich an den nach dem Vorbild der Wiener Ampelpärchen eingeführten queeren Ampelpärchen gestört. Diese zeigen unter Verwendung sich drehender Streuscheiben unterschiedliche Sujets wie zwei sich an den Händen haltende Frauen mit aufgebrachten Herzen oder ein sich an den Händen haltendes männliches Paar mit einem Herzsymbol.

Ampelpiktogramme als Botschaft der Toleranz

Der BayVGH räumte in diesem Fall ein, dass die Verwendung von Lichtzeichenanlagen für verkehrsfremde Zwecke möglicherweise nicht zu 100% mit dem für staatliche Behörden maßgeblichen Sachlichkeitsgebot in Einklang stehe. Verkehrseinrichtungen seien nicht unbedingt zur Vermittlung gesellschaftspolitischer Standpunkte vorgesehen. Dennoch sei die Intention der Stadt München, mit den Piktogrammen ein Zeichen für Toleranz und Offenheit zu setzen, grundsätzlich legitim. Im übrigen dienten die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften dem Allgemeininteresse und nicht den Individualinteressen Einzelner (BayVGH, Beschluss v. 20.7.2022, 11 ZB 21.1777).

Schlagworte zum Thema:  Recht , Rechtsanwalt , Justiz , Juristen , Richter
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