Greenpeace-Aktivist verletzt und gefährdet EM-Zuschauer

Die spektakuläre Greenpeace-Aktion zum EM-Spiel Frankreich-Deutschland dürfte ein juristisches Nachspiel haben. Welche Strafgesetze hat der Gleitschirmflieger verletzt und welche Sanktionen erwarten ihn?

Zum Glück ist die misslungene Aktion des Greenpeace-Aktivisten, der vor Beginn des EM-Spiels Deutschland gegen Frankreich mit einem motorbetriebenem Gleitschirm in der Münchener Allianz-Arena landete, glimpflich ausgegangen. Tatsächlich war das Leben von Zuschauern und ebenso das Leben des Aktivisten in ernsthafter Gefahr.

Gleitschirm taumelte über den Köpfen von 14.500 Zuschauern

Der ursprüngliche Plan der Aktion war nach Auskunft von Greenpeace, dass der Gleitschirmflieger über dem Stadium kreisen und einen gelben Latexball mit der Aufschrift Kick out oilabwerfen sollte. Der Protest galt dem Fußball-Sponsor Volkswagen. Der Plan misslang und der Aktivist verlor die Kontrolle über den von ihm geführten Gleitschirm. Wahrscheinlich war er einem über dem Stadion gespannten Blitzableiter zu nahe gekommen. Über den Köpfen von 14.500 Zuschauern geriet er mit seinem Gleitschirm ins Taumeln und verletzte dabei einen EM-Zuschauer aus der Ukraine sowie einen Zuschauer aus Frankreich (wahrscheinlich Mitarbeiter eines Medienunternehmens). Die anschließende Notlandung gelang dann ohne weitere Verletzte.

Aktivist war im Visier von Scharfschützen

Die Aktion war auch für den Aktivisten hochgefährlich. Die Polizei hatte den Anflug bemerkt und musste in kurzer Zeit entscheiden, wie zu reagieren ist. Sie konnte zunächst einen terroristischen Akt nicht ausschließen. Nach Mitteilung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat lediglich die Aufschrift „Greenpeace“ auf dem Gleitschirm den Aktivisten vor einem gezielten Abschuss durch die Scharfschützen bewahrt.

Juristisches Nachspiel für Aktivisten und evtl. für Greenpeace

Juristisch hat der von Millionen Zuschauern an den Fernsehern verfolgte Vorfall zumindest für den Aktivisten ein Nachspiel. Die Polizei ermittelt wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr und wegen gefährlicher Körperverletzung. Das StGB sieht hierfür eine Strafe bis zu zehn Jahren Haft vor. Möglich sind auch Ermittlungen gegen weitere Verantwortliche von Greenpeace Deutschland als Mittäter und als Gehilfen.

In Bayern wird bereits teilweise die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für Greenpeace gefordert, eine umstrittene Maßnahme gegen missliebige  Non-Profit-Organisationen, mit der man auch schon die Deutschen Umwelthilfe (DUH), wegen ihrer Fahrverbotsklagen "an die Kandare nehmen" wollte.

Welche Straftatbestände hat der Aktivist u.U. verwirklicht?

Mit seiner Aktion könnte der Greenpeace-Aktivist gleich mehrere Straftatbestände verwirklicht haben:

Gefährliche Körperverletzung

In Betracht kommen die Alternativen der gefährlichen Körperverletzung § 224 Abs. 1 Ziff. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs) und Abs. 1 Ziff. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer der das Leben gefährdenden Behandlung).

Maßgeblich für die Einordnung als gefährliches Werkzeug ist nicht dessen bestimmungsgemäßer Gebrauch, sondern die konkrete Art des Einsatzes in der Tatsituation. Auch ein Kraftfahrzeug kann nach der Rechtsprechung des BGH ein gefährliches Werkzeug sein (BGH, Beschluss v. 3.2.2016, 4 StR 594/15), nach einer Entscheidung des OLG Bremen auch ein Mobiltelefon (OLG Bremen, Urteil v. 27.11.2019, 1 Ss 44/19). Auf einen motorisierten Gleitschirm dürfte diese Rechtsprechung ohne weiteres übertragbar sein. Im Rahmen seiner Notlandung hat der Pilot zwei Personen (wohl am Kopf) verletzt und könnte damit diese Variante der gefährlichen Körperverletzung erfüllt haben

Auch die Tatbestandsalternative einer das Leben gefährdenden Behandlung könnte verwirklicht sein. Im Rahmen der (missglückten) Aktion dürften das Leben der konkret Verletzten und womöglich auch anderer Personen gefährdet gewesen sein. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Verwirklichung des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht einmal voraus, dass das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr gerät. Maßgeblich ist allein, dass nach den Umständen des Einzelfalls das Verhalten des Täters geeignet war, das Leben des Opfers grundsätzlich zu gefährden (BGH, Beschluss v. 28.10.2020, 1 StR 158/20; BGH Beschluss v. 10.2.2021, 1 StR 478/20). Auch diese Tatbestandsalternative könnte daher erfüllt sein.

Gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr

Gemäß § 315 Abs. 1 StGB wird mit Geldstrafe bis zu 10 Jahren bestraft, wer einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr vornimmt und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Ob hier ein objektiv gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr vorliegt, dürfte eher zweifelhaft sein, die Gefährdung von Leib und Leben anderer dagegen nicht. Gegebenenfalls wäre von einem minderschweren Fall gemäß § 315 Abs. 4 StGB mit reduziertem Strafmaß auszugehen.

Versuchter Totschlag

Der Tatbestand eines versuchten Tötungsdeliktes (§§ 212, 22 StGB) ist mangels Vorsatzes wohl nicht erfüllt. Ohne Weiteres eindeutig ist dies aber nicht, denn für den bedingten Vorsatz eines Tötungsdelikts genügt bereits, dass der Täter den Tod eines Menschen als Folge seines Handelns für möglich hält und dennoch handelt, weil er diese (unerwünschte) Folge billigend in Kauf nimmt. Auch wenn es sich nach Darstellung von Greenpeace bei dem Aktivisten um einen erfahrenen Gleitschirmflieger gehandelt hat, lag eine Panne wie die eingetretene und damit auch die Gefährdung von Menschenleben nicht außerhalb aller vorhersehbaren Geschehensabläufe. Dennoch dürfte angesichts der Gesamtumstände die Bestrafung wegen eines versuchten Tötungsdelikts eher unwahrscheinlich sein.

Erlass des BMVI zu Flugbeschränkungen während der EM Spiele

Nach einem Erlass des BMVI dürfen an den vier EM-Spieltagen 15., 19. und 23. Juni sowie am 2. Juli über und rund um die Münchner Allianz-Arena keinerlei Flüge stattfinden, auch nicht mit Flugmodellen oder unbemannten Drohnen. Der Bereich von 5,5 km rund um das Stadion ist für die Spieltage zur Flugsperrzone erklärt worden. Flugtechnisch wird der von dem Aktivisten benutzte motorbetriebene Gleitschirm als Ultraleichtflugzeug eingestuft. Der Verstoß könnte daher auch flugrechtliche Sanktionen (persönliches Flugverbot) nach sich ziehen.

Greenpeace muss in Zukunft besser aufpassen

Auch für Greenpeace oder einzelne Mitglieder könnte die Aktion rechtliche Folgen haben, wenn einzelnen Helfern nachgewiesen werden kann, dass sie die Aktion mit vorbereitet haben. Auch die von einzelnen Politikern erhobene Drohung mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit ist nicht völlig abwegig, dürfte angesichts des positiven Image von Greenpeace in der Gesamtbevölkerung aber eher unwahrscheinlich sein, zumal Greenpeace sich für die misslungene Aktion inzwischen glaubhaft entschuldigt hat. Zudem ist nicht von der Hand zu weisen, dass spektakuläre Aktionen ein wichtiges Standbein der öffentlichen Wirkung der Arbeit von Greenpeace sind. Weitere Aktionen dieser Art könnten das positive Image von Greenpeace allerdings nachhaltig gefährden.

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