
Der BGH führt seine bisherige Rechtsprechung konsequent fort, wonach der Geschäftsführer eines Unternehmens nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann, wenn seine Tätigkeit nicht überwiegend anwaltlich geprägt ist.
Im konkreten Fall war der Kläger seit dem Jahr 2002 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und seit August 2003 alleinvertretungsberechtigter und alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, die eine private Schule betrieb. Die Aufgabe des Klägers bestand im wesentlichen darin, die Schule zu leiten.
Kammer versagt Zulassung als Syndikusrechtsanwalt
Im Januar 2016 beantragte der Kläger die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, die die beklagte Rechtsanwaltskammer im Juni 2016 ablehnte. Die Klage hiergegen blieb vor dem AGH NRW erfolglos. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil wies der BGH zurück.
Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht
Für die meisten Unternehmensjuristen ist die Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt insbesondere deshalb interessant, weil der Zulassungsinhaber gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der gesetzlichen Pflicht zur Rentenversicherung befreit werden kann. Von der Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist der Syndikusrechtsanwalt hinsichtlich der Tätigkeit gegenüber seinem Arbeitgeber ebenfalls befreit.
Gesetzesreform brachte 2016 spürbare Vereinfachung
Mit der zum 1.1.2016 in Kraft getretenen Reform des Rechts der Syndikusrechtsanwälte können Unternehmensjuristen seither unter definierten Voraussetzungen die Zulassung als Syndikusrechtsanwälte bei den zuständigen Anwaltskammern beantragen. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46 Abs. 3 BRAO möglich, wenn die Tätigkeit des Anwalts gekennzeichnet ist durch
- die selbstständige Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
- die selbständige Erteilung von Rechtsrat,
- die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen
- sowie ein eigenverantwortliches Auftreten nach außen.
Ob diese Vorraussetzungen erfüllt sind, wird von der zuständigen Kammer - das ist die Kammer, in deren Bezirk der Rechtsanwalt seine Tätigkeit für den Arbeitgeber ausübt - anhand des Syndikus-Anstellungsvertrages überprüft. Auch die Deutsche Rentenversicherung ist zu dem Zulassungsantrag anzuhören.
Anwaltliche Prägung des Berufsbildes entscheidet
Die zuständigen Anwaltsgerichtshöfe prüfen bei Zulassungsanträgen die nach § 46 Abs. 3 BRAO erforderliche anwaltliche Prägung des Berufsbildes der jeweiligen Unternehmensjuristen sehr genau. So hat der AGH NRW die überwiegend anwaltliche Prägung des Berufsbildes bei einem juristischen Sachbearbeiter einer Versicherung, dem die juristische Beratung des Vorstandes und die Abwehr von Ansprüchen Versicherter oblag, bejaht (AGH NRW, Urteil v. 28.10.2016, 1 AGH 33/16).
Tätigkeit eines Schulleiters ist nicht anwaltstypisch
Im Fall des Schulleiters hatte der AGH die überwiegend anwaltliche Prägung der beruflichen Tätigkeit mit der Begründung verneint, der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Schulleiters entspreche im Kern nicht dem Tätigkeitsbild eines Rechtsanwalts. Diese Bewertung teilt auch der BGH. Die Prüfung von Rechtsfragen und die Führung von juristisch geprägten Verhandlungen sind auch nach Wertung des BGH nicht Schwerpunkt der Tätigkeit eines Schulleiters.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats müsse das Arbeitsverhältnis qualitativ und quantitativ eindeutig durch eine anwaltliche Tätigkeit geprägt sein, wobei ein Anteil der anwaltlichen Tätigkeit von 70-80 % grundsätzlich ausreiche (BGH, Urteil v. 15.10.2018, AnwZ 29/17).
Berufsfreiheit des Klägers nicht verletzt
Ob im Einzelfall auch ein Tätigkeitsanteil von über 50 % für die Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt ausreicht, ließ der BGH im entschiedenen Fall ausdrücklich offen, denn der Kläger habe konkret nicht dargelegt, dass sein Aufgabenbereich der Unternehmensleitung zu mehr als der Hälfte von anwaltstypischer Tätigkeit geprägt sei. Deshalb verstoße die Entscheidung des AGH auch nicht gegen die verfassungsrechtlich gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufsfreiheit.
Gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG durch die gesetzliche Regelung des § 46 Abs. 3 BRAO ist nach der Entscheidung des BGH schon deshalb zu verneinen, weil die Versagung der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt auf einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung beruht. Zu Recht unterscheide der Gesetzgeber zwischen überwiegend anwaltlich tätigen Arbeitnehmern und denjenigen, die keine anwaltstypische Tätigkeit ausüben. Ungleiche Sachverhalte dürfe der Gesetzgeber auch ungleich behandeln.
Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der AGH-Entscheidung
Schließlich bestätigte der BGH die Einschätzung des AGH, dass weder der Geschäftsführervertrag noch die Zeugenaussagen und Einlassungen des Klägers selbst ein Berufsbild ergäben, dass den Rückschluss auf eine überwiegend anwaltlich geprägte Tätigkeit des Klägers nahe lege. Damit wirft der Fall nach Auffassung des BGH wieder Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung noch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auf, so dass eine Zulassung der Berufung gemäß §§ 112e Satz 2 BRAO, 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 VWGO nicht in Betracht kam.
(BGH, Beschluss v. 23.7. 2019, AnwZ 37/19).
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Hintergrund:
Syndikusrechtsanwälte
Das zum 1.1.2016 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung, in dessen Rahmen die berufsrechtliche Stellung des Syndikusrechtsanwalts in den §§ 46 ff. BRAO vollständig neu geregelt worden ist (s. Überblick bei Henssler/Deckenbrock DB 2016, 215 ff.), hat naturgemäß eine Klagewelle ausgelöst:
In aller Regel begehren entweder Unternehmensjuristen, denen die Zulassung zur (Syndikus-)Rechtsanwaltschaft verwehrt worden ist, Rechtsschutz oder aber die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), die aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer Zulassung zu beteiligen ist, greift Zulassungsbescheide der Kammern an.
Im dritten Jahr nach dem Inkrafttreten der Reform sind inzwischen viele Verfahren vor dem Anwaltssenat des BGH gelandet, so dass manche offene Frage höchstrichterlich geklärt werden konnte (vgl. zu offenen Rechtsfragen rund um den Syndikusrechtsanwalt auch Posegga DStR 2018, 1372 ff.).
Aus: Deutsches Anwalt Office Premium