Gerhard Richters Bilder aus dem Müll gezogen: 3.150 € Geldstrafe

Weil er in der Mülltonne eines bekannten Malers herumgefischt hatte, wurde ein kunstinteressierten Arbeitsloser vom AG Köln wegen Diebstahls zu 90 Tagessätzen  à 35 Euro verurteilt. Die "Müllbilder" des teuersten lebenden Malers der Bundesrepublik waren aber wohl einiges mehr wert. Die Staatsanwaltschaft schätzte sie auf ca. 60.000 Euro.

Erst hatte er Glück, dann kam auch noch Pech dazu: Es darf der Schlauste nicht im Mülle tauchen, wenn es dem strengen Richter nicht gefällt.

AG Köln verurteilte wegen Diebstahls der „Müllbilder“ zu 90 Tagessätzen

Die immer wieder diskutierte und hoch umstrittene Rechtsfrage, ob die Entnahme von Müll aus einer Müll- oder Altpapiertonne den Tatbestand des Diebstahls erfüllen kann, beschäftigte diesmal das AG Köln. Die StA hatte einen kunstinteressierten Arbeitslosen wegen Diebstahls von vier bemalten Fotos des deutschen Malers Gerhard Richter angeklagt.

Übermalte Fotos im Altpapiercontainer entsorgt

Der Maler hatte die skizzenartig übermalten Fotos in seinem Altpapiercontainer entsorgt und diesen auf den öffentlichen Gehweg zur Entleerung durch den zuständigen Entsorgungsbetrieb gestellt. Gerhard Richter hat den Ruf, sehr kritisch mit seiner eigenen Kunst umzugehen und Skizzen und Entwürfe immer wieder infrage zu stellen und zu vernichten. In den sechziger Jahren soll Richter über 100 Werke entsorgt haben, deren Wert nach Schätzung der Süddeutschen Zeitung in ihrer Ausgabe vom 25.4.2019 heute bei ca. einer halben Milliarde Euro liegen würde.

Angeklagter berief sich auf fehlendes Eigentumsinteresse des Künstlers

Der Angeklagte selbst erklärte, er sei zu dem Wohnhaus Richters in einem Nobelvorort von Köln gegangen, weil er die Ehefrau Richters, die Malerin Sabine Moritz, habe aufsuchen wollen. Diese sei aber nicht zu Hause gewesen.

  • Die Bilder selbst habe er auch nicht aus dem Container  entnommen.
  • Infolge eines Sturms sei die Papiertonne nämlich umgekippt, das Altpapier habe auf dem Boden gelegen,
  • einschließlich der vier bemalten Fotos.

Er habe die Tonne aufgehoben, das Altpapier wieder hinein getan und die Blätter mit den Fotos an sich genommen. Er sei davon ausgegangen, dass der Künstler kein Interesse mehr an den im Altpapier entsorgten Fotos habe.

Angeklagter versuchte die Fotos zu Geld zu machen

Der Angeklagte hat später zwei der Fotos einem Münchner Auktionshaus angeboten. Da die Skizzen weder gerahmt noch signiert waren, verlangte das Auktionshaus ein Echtheitszertifikat vom Gerhard-Richter-Archiv in Dresden. Der als Zeuge vernommene leitende Archivar erklärte, er habe die Bilder nach Vorlage zwar sofort als echt eingestuft, jedoch habe Richter grundsätzlich keine Bilder ohne Signatur und ohne Rahmung ausgegeben. Die seinerzeitige Erklärung des Angeklagten ihm gegenüber, er habe die Bilder von einem Künstler erhalten, der wiederum die Bilder seinerseits von Richter selbst als Geschenk erhalten haben soll, habe ihn nicht überzeugt.

Bilder auf dem seriösen Kunstmarkt nicht verkäuflich

Der vor Gericht vernommene Archivar leitet seit dem Jahr 2006 des Gerhard-Richter-Archiv an der Staatlichen Kunstsammlung in Dresden. Zum Wert der Bilder erklärte er, auf dem seriösen Kunstmarkt seien sie wertlos, weggeschmissen hätte er sie aber nicht.

Müllklau unter Juristen umstritten

Die rechtliche Beurteilung von Müllklau ist unter Juristen umstritten.

  • Für den Tatbestand des Diebstahls gemäß § 242 BGB ist eine Wegnahmehandlung erforderlich, d.h. der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams.
  • Außerdem muss die weggenommene Sache in fremdem Eigentum stehen.

Die große Frage beim Müll ist, ob daran noch Eigentum und Gewahrsam des bisherigen Eigentümers besteht oder ob dieser sein Eigentum nicht aufgegeben hat und der weggeworfene Gegenstand herrenlos geworden ist.

Herrenlose Sachen können nicht gestohlen werden

Die Rechtsprechung hat bisher angenommen, dass eine Sache dann nicht herrenlos wird, wenn erkennbar noch ein Wille des bisherigen Gewahrsamsinhabers zur Beibehaltung des Gewahrsams besteht und ein entgegenstehender Wille zur Dereliktion (Gewahrsamsaufgabe) nicht erkennbar hervorgetreten ist.

Containern als politische Ansage

Bekannt geworden sind die sogenannten Mülltaucherfälle („Dumpster Diver“), bei denen Aktivisten noch verwendbare Lebensmittel aus den Müllcontainern der Supermärkte entnehmen und diese entweder selbst verzehrten oder an bedürftige Personen weitergaben.

Zum Teil wurde argumentiert, dass der Inhaber eines Supermarkts noch nicht jedes Interesse an weggeworfenen Lebensmitteln verloren und damit noch Eigentum an den Lebensmitteln hat, auch wenn sie sich bereits im Container befinden. In der Praxis wurden aber fast sämtliche zur Anklage gebrachten Fälle eingestellt.

Richter selbst ist zum Verhandlungstermin nicht erschienen

Auch bei einem Maler ist der Wille zur Beibehaltung von Eigentum und Gewahrsam nach der Entsorgung eines Werkes im Müll nach der Rechtsprechung noch anzunehmen. Begründet wird dies mit der besonderen Bindung des Malers an sein Werk (LG Ravensburg, Urteil v. 3.7.1987, 3 S 121/87).

Gerhard Richter ist der „teuerste“ lebende Künstler der Bundesrepublik. Im Jahr 2013 wurde sein Gemälde „Domplatz Mailand“ für 26,4 Millionen Euro versteigert. Zur amtsgerichtlichen Verhandlung hatte der als Zeuge geladene 87-jährige Künstler sich krank gemeldet. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte er zuvor erklärt, er sei an einer Bestrafung des Angeklagten nicht interessiert. Er wünsche aber, dass die Skizzen nicht auf dem Kunstmarkt herum vagabundieren. Er bitte daher um Herausgabe oder Vernichtung der Bilder.

AG erkennt auf Diebstahl

Das AG folgte der rechtlichen Beurteilung der StA und verurteilte den 49-jährigen Angeklagten wegen Diebstahls zu insgesamt 3.150 Euro.

  • Nach der Wertung des Gerichts standen die bemalten Fotos, auch als sie sich schon in der Papiertonne befanden, noch im Eigentum des Künstlers.
  • Dieser habe mit dem Herausstellen der Tonne seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die Fotos an einen Entsorgungsbetrieb zum Zwecke der Entsorgung zu übereignen.

Die Amtsrichterin ging davon aus, dass dem Angeklagten bewusst gewesen sei, dass die Bilder auch im Container noch dem Gewahrsam und der Eigentumssphäre des Künstlers zuzuordnen waren und diese nicht nur einen geringfügigen Wert hatten.

Angeklagter kann noch Rechtsmittel einlegen

Die drei sichergestellten Fotos zog das Amtsgericht ein, der Verbleib eines Fotos ist noch unklar. Das Angebot der Amtsrichterin, das Verfahren einzustellen, wenn der Angeklagte das vierte Bild herausgebe, hat der Angeklagte abgelehnt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

(AG Köln, Urteil v. 24.4.2019, 539 Ds 48/18).


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