
Die EU-Unterhändler zur Gleichstellung der Frauen in Unternehmen haben sich auf eine Frauenquote in börsennotierten Konzernen geeinigt. Mindestens ein Drittel der Mitglieder in Führungsgremien sollen künftig Frauen sein.
Betroffen von der geplanten EU Neuregelung sind ca. 100 in Deutschland ansässige Unternehmen. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Ministerpräsident Emmanuel Macron haben das Projekt maßgeblich mit angestoßen. Ab 2026 muss die Quote umgesetzt werden, wobei den Unternehmen eine Wahl zwischen zwei Quotenmodellen eingeräumt wird.
Seit zehn Jahren hat Deutschland die Frauenquote in der EU blockiert
Um das Quotenmodell wird innerhalb der EU seit Jahren gerungen. Der bereits vor zehn Jahren gestartete Versuch der EU-Kommission zur Einführung eines verbindlichen Quotenmodells ist seinerzeit vor allem an Bundeskanzlerin Angela Merkel gescheitert. Damals waren in Deutschland nur 15,6 Prozent der Aufsichtsräte mit Frauen besetzt. Die Pläne der damaligen EU-Justizkommissarin Viviane Reding waren der deutschen Bundesregierung zu ambitioniert.
Nationale Frauenquote brachte umgehend mehr Diversität
Seit dem Jahr 2015 existiert in Deutschland die nationale Verpflichtung zu einer Frauenquote für Aufsichtsräte in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen.
- 30 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder müssen seither von Frauen gestellt werden.
- Ergänzend müssen die Unternehmen Zielgrößen für den angepeilten Frauenanteil festlegen, und zwar sowohl für den Aufsichtsrat, § 111 Abs. 5 AktG, als auch für den Vorstand § 76 Abs. 4 AktG.
- Bei Vorständen ist die Zielgröße 0 zulässig, muss aber begründet werden.
- Ist der Frauenanteil im Aufsichtsrat in einem betroffenen Unternehmen geringer als 30 Prozent, müssen freiwerdende Posten so lange an Frauen vergeben werden, bis die 30-Prozent-Marke erreicht ist. Alternativ kann der Platz im Aufsichtsrat allerdings auch unbesetzt bleiben (Option des leeren Stuhls).
Mit Einführung der Neuregelungen ist die Frauenquote sowohl in den Vorständen als auch in den Aufsichtsräten deutscher Großunternehmen signifikant gestiegen, in den Aufsichtsräten der Großunternehmen auf inzwischen ca. 36 Prozent. Der Vorreiter Frankreich glänzt allerdings mit ca. 45 Prozent Frauenanteil in den Verwaltungsgremien.
Die Unterrepräsentanz von Frauen soll EU-weit beendet werden
Mit der neuen „EU-Führungspositionen-Richtlinie“ sollen in der gesamten EU ähnliche Erfolge erzielt werden. Nur 13,7 Prozent der Sitze in den Leitungsorganen der großen börsennotierten Gesellschaften sind EU-weit derzeit mit Frauen besetzt, nur 15 Prozent der nicht geschäftsführenden Direktoren in der EU sind Frauen. Diese Unterrepräsentanz von Frauen ist in Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften überproportional ausgeprägt.
EU-Initiative mit zwei alternativen Quotenmodellen
Nach dem nun gefundenen Kompromiss der Unterhändler für die Gleichstellung sollen die Unternehmen ab dem Jahr 2026 zwischen zwei Quotenmodellen wählen können:
- Entweder müssen mindestens 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Mitglieder von Aufsichtsräten von Frauen gestellt werden oder
- Aufsichtsräte und Vorstände eines Unternehmens müssen einen durchschnittlichen Frauenanteil von 33 Prozent aufweisen.
- Das Vorhaben ist geschlechterneutral ausgelegt, d.h., sitzen in einem Gremium mehr Frauen als Männer, muss die Zahl der männlichen Mitglieder aufgestockt werden.
Verstöße werden sanktioniert
Geeinigt haben sich die Unterhändler auch auf Sanktionen im Fall von Verstößen. Die Art und Höhe der Sanktionen wird allerdings in das Ermessen der Mitgliedsländer gestellt, wobei die Sanktionen nach dem jetzigen Entwurf wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Möglich sind insbesondere Geldbußen und die durch ein Gericht vorzunehmende Nichtigerklärung der Bestellung oder Wahl von nicht geschäftsführenden Direktoren oder Aufsichtsratsmitgliedern.
Neuregelung ist EU-weit nicht unumstritten
EU-weit begrüßen Frauenverbände, aber auch eine Reihe von Führungspersönlichkeiten in Unternehmen, die erzielte Einigung, manchen geht sie nicht weit genug. Die Einigung dürfte EU-weit in der Unternehmenswirklichkeit zu einem erheblichen Fortschritt bei der Gleichstellung von Frauen führen. Einige Unternehmer kritisieren die geplante Neuregelung aber auch als unangemessenen Eingriff in ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit.
Reform muss von den zuständigen Gremien noch beschlossen werden
Die neue EU-Führungspositionen-Richtlinie gilt zwar grundsätzlich als gesetzt, muss aber noch von den EU-Gremien, d.h. der Kommission und dem Europaparlament abgesegnet werden. Die Zustimmung erscheint nach derzeitigem Stand als sicher. Interessantes Detail: Mit der jetzigen Einigung folgt die EU einem zehn Jahre alten Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2012.
Genderdiversität als Garant für wirtschaftliche Prosperität?
Wirtschaftlich soll sich die Frauenquote für Unternehmen positiv auswirken. Nach dem „Gender Diversity Index“ der renommierten „Boston Consulting Group“ erzielen divers aufgestellte Unternehmen im Schnitt um 9 Prozent höhere Gewinnmargen und sind deutlich innovativer.