Gebührenverzicht eines Anwalts bringt die Partner auf die Palme

Wer für sich alleine lebt, kann als Single tun und lassen, was er will. In der Ehe ist das ganz anders. Das musste auch ein Rechtsanwalt erfahren, der sich nach einem Gebührenverzicht zu Gunsten eines Mandanten plötzlich einer Schadensersatzforderung seiner Kollegen gegenübersah.

Ein Mitglied einer Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten ist im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten, die berechtigten Interessen der Gesellschaft an der Realisierung ihrer Gebührenansprüche zu wahren. Verletzt ein Rechtsanwalt diese Pflicht, indem er ohne Zustimmung der übrigen Partner mit einer Mandantin einen Gebührenverzicht vereinbart, so ist er der Gesellschaft zum Schadensersatz in Höhe der entgangenen Gebühren verpflichtet. Das hat das OLG Hamm entschieden.

Mandantin war mit Studienfreund verheiratet

Die klagende Anwaltsgesellschaft hatte eine Kunsthistorikerin gegen eine Sparkasse vertreten. Diese ist mit einem Studienfreund, des beklagten Anwalts verheiratet. Im Verlauf des Verfahrens verzichtete der Anwalt gegenüber der Mandantin auf die Rückerstattung von Gerichtskosten in Höhe von 5.992 EUR, die er zuvor vom Konto der Anwaltsgesellschaft verauslagt hatte. Ferner verzichtete er gegenüber der Mandantin auf die Geltendmachung jeglicher Gebührenansprüche. 

Erlassvertrag verletzt Treuepflichten gegenüber Sozien 

Das OLG Hamm verurteilte den zwischenzeitlich aus der Anwaltsgesellschaft ausgeschiedenen Anwalt zum Schadensersatz in Höhe von 7.855,31 EUR, zu zahlen an die Anwaltsgesellschaft. Dieser gegenüber habe er eine Pflichtverletzung begangen, indem er gegenüber der Mandantin auf die Geltendmachung von Gebührenforderungen für die ihr erbrachten anwaltlichen Leistungen verzichtet hat. Im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sei der Anwalt während seiner Mitgliedschaft in der Kanzlei der Klägerin gehalten, die berechtigten Interessen der Klägerin an der Realisierung ihrer Gebührenansprüche zu wahren. Indem der Beklagte mit der Mandantin einen Erlassvertrag bezüglich der Vergütungsforderung der Klägerin geschlossen hat, habe er diese Pflicht gegenüber der Klägerin verletzt. Denn der Erlassvertrag bewirkte, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin gegen Frau T gemäß § 397 Abs. 1 BGB erloschen ist.

Keine Zustimmung der Sozien eingeholt

Soweit sich der Beklagte erstinstanzlich darauf berufen hat, dass jeder Gesellschafter im Außenverhältnis berechtigt gewesen sei, über die von ihm erwirtschafteten Gebührenansprüche zu verfügen, vermochte dies den Beklagten nicht zu entlasten. Denn aus einer solchen rechtlichen Befugnis im Außenverhältnis ergibt sich laut Richterspruch nicht die Berechtigung des einzelnen Gesellschafters im Innenverhältnis zur Klägerin und zu den Mitgesellschaftern, gegenüber Mandanten eigenmächtig auf die Geltendmachung berechtigter Gebührenansprüche zu verzichten. Eine solche Maßnahme bewirkte eine Gewinnminderung der Klägerin, die sich zum Nachteil aller Mitgesellschafter auswirkte und daher der Zustimmung der Mitgesellschafter bedurfte.

Anwalt muss Gerichtskosten und Honorar an die Sozietät zahlen

Dass er eine solche Zustimmung eingeholt hat, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Soweit der Beklagte mit der Berufung schließlich geltend macht, dass es in der Praxis der Klägerin allgemein üblich gewesen sei, dass die Rechtsanwälte für Familienangehörige und Freunde unentgeltlich bzw. zu ermäßigten Honoraren tätig gewesen seien, ergibt sich hieraus schon nicht, dass ein solches Vorgehen auch ohne die jeweilige Zustimmung der Mitgesellschafter üblich war und allgemein akzeptiert wurde.

Der Anwalt ist neben dem Gebührenhonorar auch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zur Erstattung der verauslagten Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 5.992 EUR an die Kanzlei verpflichtet.

(OLG Hamm, Urteil vom 5.12.2012, I 8 U 27/12).


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