Gaskrise berechtigt Vermieter nicht zur Kappung der Gaszufuhr

Die Wohnungsaufsichtsbehörde hat das Recht, gegen eine Unterbrechung der Gaszufuhr durch den Vermieter einzuschreiten. Das Wohnungsamt kann den Vermieter verpflichten, die Gasversorgung umgehend wieder zu gewährleisten.

Krisen können Personen zu spontanen panikartigen Handlungen veranlassen, die ein nicht unerhebliches Schädigungspotenzial für die davon betroffenen Menschen haben. Die aktuelle Gaskrise hat jetzt ein Wohnungseigentümer zum Anlass genommen, seine Mieter unvermittelt von der Gaszufuhr abzuschneiden.

Vermieter nahm Kampf gegen Gaskrise auf

Ein Haus- und Miteigentümer einer aus mehreren Wohnungen bestehenden Liegenschaft empfand die im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg vom russischen Staat hervorgerufenen Engpässe bei der Gasversorgung als eine erhebliche Bedrohung seiner persönlichen Lebenssituation. Er gelangte zu der Überzeugung, dass die deutsche Bevölkerung alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen müsse, um Versorgungsengpässe zu vermeiden und die erheblichen Preissteigerungen für Gas einzudämmen.

Mieter von der Gaszufuhr abgeschnitten

In seiner Eigenschaft als Vermieter fasste er den Entschluss, sich und seine Mieter vor steigenden Gaskosten zu schützen. Er unterbrach kurzerhand die Gaszufuhr zu den von ihm vermieteten Wohnungen. Gegenüber den Mietern vertrat er die Auffassung, das Warmwasser für den täglichen Bedarf, insbesondere auch für die Körperpflege, könne man auch in der Küche mithilfe von elektrischer Energie zubereiten.

Müssen elektrische Heizlüfter im Winter ausreichen?

Auch für den kommenden Winter beabsichtigte er nicht, die Gaszufuhr wieder zu ermöglichen. Seiner Ansicht nach ist es den Mietern zumutbar, die Beheizung ihrer Wohnungen auf die wichtigsten Räume zu beschränken und diese unter Zuhilfenahme von elektrischen Heizlüftern zu beheizen.

Wohnungsaufsichtsrechtliche Verfügung gegen den Vermieter

Eine von diesen Maßnahmen betroffene ältere, pflegebedürftige Mieterin empfand diese Vorgehensweise als unzumutbar und beschwerte sich beim Wohnungsamt der Stadt Frankfurt. Die Behörde erließ daraufhin eine wohnungsaufsichtsrechtliche Verfügung gegen den Vermieter und gab diesem auf, die Gaszufuhr unverzüglich, spätestens binnen einer Woche, wiederherzustellen.

Vermieter begehrte Eilrechtsschutz

Gegen diese Verfügung begehrte der Vermieter Eilrechtsschutz beim zuständigen VG. Er beharrte auf seiner Auffassung, ungewöhnliche Krisenzeiten erforderten ungewöhnliche Reaktionen. Nur mit weitgehendem Verzicht auf Gas sei es möglich, die drohende Verschärfung der Gaskrise für den Winter einzudämmen.

Warmwasser gehört zum Mindeststandard

Das VG folgte der Argumentation des Vermieters nicht. Die Versorgung mit Warmwasser gehört nach der Entscheidung des VG zu den Mindeststandards für menschenwürdiges Wohnen. Dies gelte umso mehr, als gerade ältere und pflegebedürftige Menschen im Sommer häufig unter der Hitze leiden und gerade auch in der warmen Jahreszeit einer umfassenden Körperhygiene eine besondere Bedeutung für die Gesundheit der Bewohner zukomme.

Willkürliche Absenkung des Wohnstandards

Das VG bewertete die Handlungsweise des Vermieters als willkürliche Maßnahme, mit der er den zuvor bestehenden, im übrigen auch deutschlandweit üblichen Wohnstandard zum Nachteil der Mieter einseitig abgesenkt habe. In seiner Eigenschaft als Vermieter sei er nicht befugt, in einer die Mieter bevormundenden Weise seine persönliche Einschätzung zur Gaskrise in mietvertragswidriger Weise den Mietern aufzuzwingen.

Wohnungsaufsichtsverfügung war rechtmäßig

Die Befugnis des Wohnungsamts zum Einschreiten folgt nach der Entscheidung des VG aus § 9 des hessischen Wohnungsaufsichtsgesetzes (HeWoAufG). Nach dieser Vorschrift - die sich in ähnlicher Form auch in anderen Bundesländern findet - sei die Wohnungsaufsichtsbehörde befugt, dringend nötige Maßnahmen zum Schutz der Bewohner zu ergreifen. Da der Wohnungseigentümer durch sein Verhalten die Gesundheit der Bewohner gefährdet habe, sei die behördliche Verfügung gegen ihn gerechtfertigt und rechtlich nicht zu beanstanden.

(VG Frankfurt, Beschluss v. 22.8.2022, 8 L 1907/22.F)

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