Falsche Geständnisse - wie kommen sie zustande?

Das Straftaten abgestritten werden, gehört zum Alltagsgeschäft der Juristen. Doch seltsamerweise gestehen auch Unschuldige schwere Verbrechen, die sie nicht begangen haben. Nicht selten führt von Strafverfolgungsbehörden aufgebauter Vernehmungsdruck zu folgenschweren Geständnissen: Experimente belegen, wie mürbe stetige wiederholte Beschuldigungen in schneller Abfolge machen. Allerdings gestehen auch völlig Unbeteiligte freiwillig schwerste Straftaten.

Im Jahr 2002 hat der Schauspieler Günther Kaufmann vor dem LG München gestanden, seinen Steuerberater überfallen und erpresst und schließlich getötet zu haben. Wegen schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge wurde er zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt.

Menschlich nachvollziehbares Motiv

Ca. ein Jahr nach dem Urteilsspruch haben dann Berliner Kriminelle den Überfall auf den Steuerberater zugegeben. Im Wiederaufnahmeverfahren stellte sich heraus, dass der Schauspieler seine damals schwerkranke Ehefrau für die Täterin hielt und diese vor den polizeilichen Ermittlungen schützen wollte. Ein immerhin menschlich nachvollziehbares Motiv für das falsche Geständnis. So klar wie im Fall Kaufmann ist die Motivlage aber nicht immer.

Der bizarre Wunsch, verurteilt zu werden

Sture Bergwall alias Thomas Quick in Schweden ist ein herausragendes Beispiel eines freiwilligen Geständnisses, das der Wissenschaft bis heute Rätsel aufgibt. Bergwall hatte sich selbst beschuldigt, als Serientäter mehr als 30 Morde begangen zu haben. In 8 Fällen wurde er schließlich verurteilt. Ein Journalist hatte später Unstimmigkeiten in den Aussagen entdeckt. In keinem der verurteilten Fälle existierten DNA-Spuren, sonstige harte Indizien oder Augenzeugen.

Geständnisse waren reines Fantasieprodukt

Der Journalist konfrontierte Bergwall in der Psychiatrie mit seinen Recherche-Ergebnissen, worauf der verurteilte Mörder erklärte, dass alles nur seiner Fantasie entsprungen sei. Erst als die Dokumentation im Fernsehen gezeigt wurde, wachte die Justiz auf. Die Erklärung Bergwalls: Er habe Aufmerksamkeit erzeugen wollen. Bei Abgabe der Geständnisse habe er außerdem unter dem Einfluss starker Medikamente gestanden, die seine Urteilsfähigkeit beeinträchtigt hätten. Tatsächlich stellte sich heraus das Bergwall in allen Fällen unschuldig war.

Die Leiche zerstückelt und den Hunden zum Fraß vorgeworfen

In Deutschland hatte der Fall des Bauern Rudolf Rupp Schlagzeilen gemacht. Rupp verschwand am 13.10.2001 von der Bildfläche. Seine Familie gestand gegenüber der Justiz, den Ehemann und Vater gemeinsam getötet zu haben. Das LG Ingolstadt verurteilte im Mai 2005 die Ehefrau des Toten sowie den Verlobten der ältesten Tochter zu achteinhalb Jahren Haft wegen gemeinschaftlichen Totschlags (LG Ingolstadt, Urteil vom 13.5.2005, JKLs 11 Js 491/04). Die Töchter wurden zu Jugendstrafen von zweieinhalb und dreieinhalb Jahren wegen Beihilfe verurteilt.

Im Urteil ist zu lesen, dass Bauer Rupp am 13.10.2001 mit seinem Mercedes in die Nachbargemeinde gefahren sei. Nachdem er dort einige Bier getrunken habe, habe er sich auf den Heimweg gemacht und sei nie mehr aufgetaucht. Der damals 17 Jahre alte künftige Schwiegersohn soll - angestachelt von der ältesten Tochter und der Ehefrau - mit einem Vierkantholz auf den Bauer eingeschlagen haben. Anschließend hätten die drei den Bauern in den Keller verbracht und ihm dort mit einem Hammer die Schläfe eingeschlagen. Danach hätten sie die Leiche zerstückelt und den Hofhunden zum Fraß vorgeworfen.

Ein Geständnis ist kein Ersatz für harte Indizien

Bereits vor in der Hauptverhandlung widerriefen sämtliche Familienmitglieder ihr Geständnisse. Die Kriminaltechnik war ratlos. Es gab keine einzige verwertbare Spur des geschilderten Gemetzels, keinerlei Blutreste, einfach nichts. Das LG war dennoch von der Richtigkeit der Geständnisse der Familie - obwohl widerrufen - überzeugt.

Plötzlich taucht die Leiche auf -unzerstückelt

Am 10. März 2009 fanden Taucher in der Donau bei Neuburg eine Leiche. Der Tote wurde als der ermordete Landwirt Rudolf Rupp identifiziert. Die Leiche war eingeklemmt hinter dem Steuer des Fahrzeuges des Toten. Die Obduktion ergab, dass das gesamte Skelett einschließlich des Schädels völlig unverletzt war. Spuren von Gewalteinwirkung konnten nicht festgestellt werden, auch keine Spuren von Gift oder Tabletten. Der Leichnam sei weder zerstückelt noch an irgendwelche Hunde verfüttert worden.

Ermüdende, quälende Vernehmungen

Warum legen Betroffene solche Geständnisse ab? Im Falle Rupp ergibt sich aus dem Vernehmungsprotokoll, dass die Beschuldigten weitgehend ohne anwaltlichen Beistand stundenlang vernommen wurden. Die stundenlangen Vernehmungen seien nicht als rechtwidrig aufgefallen, da ein großer Teil der Vernehmungen als Vorgespräche deklariert worden seien. Diese Vorgespräche wurden nicht protokolliert.

Erst die anschließende Vernehmung, in der es um die Ergebnisse der Vorgespräche ging, erschien als Vernehmungsprotokoll in den Akten. Die als minder intelligent eingestuften Angeklagten seien diesen Szenarien nicht gewachsen gewesen. Nach anfänglich großen Komplikationen mit einer störrischen Justiz hinsichtlich einer Wiederaufnahme der Verfahren wurden die Betroffenen inzwischen freigesprochen (LG Landshut, Urteil v. 25.2.2011, JKLs 7Js 14112/09).

Ein Geständnis ist die Regina Probationum

Obwohl in dem Fall keinerlei Indizien gefunden wurden, die die Geständnisse zusätzlich untermauert hätten und nicht einmal eine Leiche vorhanden war, stützte das Gericht die Verurteilung der Familie allein auf die noch vor der Hauptverhandlung widerrufenen Geständnisse. Ein solches Urteil dürfte einiges mit psychologischen Mechanismen in den Köpfen von Richtern zu tun haben. Untersuchungen belegen: Geständnisse führen fast immer zur Verurteilung. Gerichte sind selten geneigt, Geständnisse kritisch zu hinterfragen und den Widerruf eines Geständnisses zu glauben. Ein Geständnis ist die Königin unter den Beweismitteln (Regina  Probationum) - heißt es. Ein Kriminalbeamter, der einen Beschuldigten zu einem Geständnis motivieren kann, gilt bei den Kollegen als besonders kompetent.

Erzwungene und freiwillige Geständnisse

Wissenschaftler untersuchen seit Längerem das Phänomen der falschen Geständnisse. Sie unterscheiden grundsätzlich zwischen so genannten erzwungenen und freiwillig abgegebenen Geständnissen. Geständnisse, die nach langen Verhören oder unter erheblichem Druck abgegeben werden, beruhen häufig auf dem psychischen Unvermögen der Betroffenen, dem ausgeübten Druck oder der Müdigkeit länger standhalten zu können. Sie wollen einfach ihre Ruhe haben. Dabei bewegen sich die Ermittlungsbehörden auf einem schmalen Grat, denn rechtlich dürfen sie den Beschuldigten eigentlich nicht ermüden, quälen, misshandeln, hypnotisieren oder in sonstiger Weise gefügig machen.

Falsche Geständnisse als Ergebnis unsauberer Vernehmungsmethoden

Mit der Erklärung und Deutung freiwillig abgegebener Geständnisse tut sich die Wissenschaft schon schwerer. In einer als „Computer-Crash-Experiment“ bekannt gewordenen Studie wurden Personen vor einem Computer gesetzt und angewiesen, auf keinen Fall die Alt-Taste zu drücken, da dies den Computer zum Absturz bringen würde. Aufgrund einer Manipulation stürzten sämtliche Computer nach einer gewissen Zeit ab.

Stetige Beschuldigungen in schneller Abfolge klopft die Mehrheit weich

Die Probanden wurden fälschlich beschuldigt, die Alt-Taste gedrückt zu haben. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass stetige Beschuldigungen, vor allem, wenn sie in schneller Abfolge erhoben wurden, dazu führten, dass die Probanden wider besseres Wissen eingestanden, entgegen dem Verbot die Alt-Taste gedrückt zu haben. Von den stark unter Druck gesetzten Probanden unterzeichneten am Schluss 65 % ein falsches Geständnis.

Falsche Geständnisse – eine düstere Farbe der Justiz

Die Studie zeigt, dass die Abgabe von falschen Geständnissen nicht zuletzt auch ein Vernehmungsproblem ist. Eine starke Einflussnahme und stetige Intervention durch die vernehmenden Beamten ist hiernach durchaus geeignet, zum Entstehen falscher Geständnisse beizutragen. Dies ist nicht nur für die Beschuldigten, sondern auch für die Gesellschaft äußerst gefährlich.

Im Ergebnis führt dies nämlich dazu, dass die wirklichen Täter nicht verurteilt werden und weiterhin eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Angesichts der Schwere der bekannt gewordenen Fälle und einer möglicherweise hohen Dunkelziffer ist dies ein Problem, an dem Justiz und Strafverfolgungsbehörden dringend arbeiten müssen.