„Falcone & Borsellino“ - naiver Umgang mit dem Thema Mafia?

Das LG Frankfurt hat eine Klage der Schwester des Mafiajägers Falcone gegen die Frankfurter Pizzeria „Falcone & Borsellino“ auf Unterlassung ihrer Namensführung abgewiesen. Das Urteil hat eine Protestnote der italienischen Botschaft und harsche Kommentare der italienischen Presse ausgelöst. Lag das Gericht schief?

Der Jurist und Staatsanwalt Giovanni Falcone sowie der Richter Paolo Borsellino waren in den 1980er und 1990er zwei berühmte Mafia-Jäger in Süditalien, die - wahrscheinlich von der Cosa Nostra - in den neunziger Jahren auf grausame Weise getötet wurden. Seither werden sie in Italien als Helden verehrt. Eine Pizzeria in Frankfurt hatte sich den Namen der Mafia-Jäger 2018 zu eigen gemacht und sich nach diesen benannt.

Anwalt beklagt Bagatellisierung vieler Mafia-Toter

Im Frankfurter Szene-Stadtteil Sachsenhausen entdeckte ein italienischer Anwalt die Pizzeria und war über die Namensgebung ziemlich erstaunt. Nachdem er die Lokalität betreten hatte, wandelte sich sein Erstaunen in veritablen Ärger. Nicht nur, dass das Lokal die Namen der beiden auf tragische Weise zum Tode gekommenen Mafiajäger nach dem Eindruck des Anwalts auf pietätslose Weise zu kommerziellen Zwecken missbrauchte, der Anwalt gewann auch den Eindruck, dass hier der Tod vieler italienischer Mafia-Opfer auf pietätslose Weise verharmlost und bagatellisiert werde.

Einschusslöcher als besonderer Gag auf der Speisekarte

Der Innenraum der Pizzeria war u.a. mit großformatigen Bildern aus dem Mafia-Film „Der Pate“ neben Abbildungen der Anti-Mafia-Kämpfer Falcone und Borsellino geschmückt. Die Speisekarte war mit Einschusslöchern bedruckt. Die Bezeichnung diverser Gerichte enthielt Anspielungen auf Mafiagrößen bzw. auf die Mafiajäger. So gab es die PizzenFalcone & Borsellino“ zusammen mit einer Flasche Rotwein im Sonderangebot.

Schwester Falcones rügt Verletzung des Andenkens an ihren Bruder

Die Schwester des ermordeten Mafiajägers Falcone, die heute in der „Falcone-Stiftung“ engagiert gegen die Mafia kämpft, strengte vor dem LG Frankfurt einen Prozess gegen die Namensführung der Pizzeria an. Sie sah das Namensrecht ihres Bruders verletzt. Die Verwendung des Namens Falcone für die Bezeichnung diverser Gerichte stelle eine pietätslose Verunglimpfung des Namens ihres Bruders dar und sei eine unzulässige Desavouierung einer Symbolfigur des Kampfes gegen die Mafia. Außerdem sei eine solchermaßen verklärende Mafia-Romantik einem Rechtsstaat nicht angemessen.

Symbolfiguren im Kampf gegen die Mafia in Deutschland unbekannt?

Das LG Frankfurt folgte dieser Argumentation nicht. Das Gericht fand allerdings auch die Argumentation des Restaurantinhabers, die Namensgebung sei als Anerkennung und Hommage zur Ehrung der beiden Mafiajäger gedacht, nicht besonders überzeugend.

  • Die Namenswahl sei eine Beeinträchtigung des Ansehens der beiden verstorbenen Mafiajäger posthum.
  • Das Namensrecht sei aber fast 30 Jahre nach dem Tod der beiden aber nicht mehr stark genug, um einen Unterlassungsanspruch der Schwester zu begründen.

Die Namen der beiden Mafiajäger seien in Deutschland auch nur noch Strafverfolgern und Kriminologen bekannt, nicht aber "normalen Restaurantbesuchern". Eine Verletzung des Ansehens Verstorbener können daher für Deutschland nicht mehr bejaht werden. Mit dieser Argumentation wies das LG die Klage ab.

(LG Frankfurt, Urteil v. 25.11.2020, 2-06 O 322/19)

Italienische Botschaft kritisiert Naivität der deutschen Justiz

Das Urteil schlug in Italien hohe Wellen und löste eine Protestnote der italienischen Botschaft aus mit dem Hinweis, dass das Gericht die Aktualität und Tragweite der Mafia-Problematik gerade auch in Deutschland - Stichwort Duisburger Mafiaattentate - offensichtlich nicht begriffen habe.

Auch in den italienischen Medien kochte das Thema nach dem Frankfurter Urteil mit vielen kritischen und bissigen Kommentaren hoch. Der italienische Außenminister fühlte sich zu der Äußerung veranlasst, die Mafia sei kein Spiel, sondern müsse bekämpft und nicht durch Fehlurteile dieser Art nicht unterstützt werden.

Falcone-Schwester hat Berufung angekündigt

Die Klägerin hat Berufung gegen das Urteil angekündigt. Inzwischen hat der Betreiber des Lokals der italienischen Botschaft angeboten, den Namen nicht mehr weiterzuführen. Nach diversen Presseberichten sind die Namen von der Front des Lokals inzwischen entfernt worden.


Hintergrund: Kommerzielle Verwendung des Begriffs „Mafia“

Der EuG hatte sich im Jahr 2018 bereits mit der Verwendung des Begriffs „Mafia“ zu kommerziellen Zwecken befasst. Nach der Entscheidung des EuG ist die Verwendung des Begriffs „La mafia se sienta a la mesa“ („Die Mafia sitzt zu Tisch“) durch eine spanische Restaurantkette ein Verstoß gegen den „ordre public“ und daher rechtswidrig. Wirtschaftlichen Nutzen aus einer Marke zu ziehen, die die systematische Anwendung von Terror und Gewalt feiert, sei anstößig und mit den Grundsätzen einer demokratischen, rechtsstaatlichen Ordnung nicht vereinbar. Der EuG verneinte die Anmeldefähigkeit dieser Marke und untersagte deren Nutzung (EuG, Urteil v. 15.3.2018, -T-1/17).

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