
Die Verwendung von Fortbildungsveranstaltungen wie Seminare etc. gleichzeitig für mehrere Fachanwaltsbezeichnungen ist unzulässig. Die ausdrückliche Zulassung der Fortbildungsmaßnahme für unterschiedliche Fachanwaltsrichtungen ändert daran nichts, entschied der AGH Niedersachsen.
Die Führung von Fachanwaltsbezeichnungen durch Rechtsanwälte wird immer beliebter und ist häufig auch ein wichtiges Mittel für die Akquise spezifischer Mandate. Die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung ist allerdings an gesetzlich exakt definierte Voraussetzungen geknüpft, zu denen theoretische Fortbildung in vorgeschriebenem Umfang gehört.
Gesetzlich geforderte Fortbildungsmaßnahmen mit Konfliktpotenzial
Neben der Praxiserfahrung auf einem bestimmten Rechtsgebiet ist vor allem der gesetzlich vorgeschriebene Nachweis von 15 Zeitstunden jährlich für eine Fortbildungsmaßnahme (früher 10 Zeitstunden) im jeweiligen Fachgebiet eine wesentliche Bedingung für das Führen der Fachanwaltsbezeichnung, die in der Praxis immer wieder zu Konflikten zwischen dem jeweiligen Fachanwalt und der zuständigen Rechtsanwaltskammer führt.
Fortbildung für 3-fachen Fachanwalt
Im vom AGH Niedersachsen entschiedenen Fall ist der Kläger ein Rechtsanwalt im Bezirk der beklagten Anwaltskammer. Gleich in drei Bereichen führt der Anwalt die Bezeichnung Fachanwalt, nämlich
- Fachanwalt für Verwaltungsrecht,
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- sowie Fachanwalt für Vergaberecht.
Kombi-Fortbildung für 2 Fachanwaltsbereiche
Anlass für die Streitigkeit zwischen Anwalt und Anwaltskammer war eine 5-stündige Fortbildungsmaßnahme im Mai über die Vergabe von Planungen und Beratungsleistungen (Architekten und Ingenieure).
Die Fortbildungsmaßnahme war ausdrücklich vorgesehen für die Fachanwaltsfortbildung
- im Bereich Bau- und Architektenrecht
- sowie im Vergaberecht.
Der Anwalt wollte daher die Fortbildungsmaßnahme für beide von ihm geführten Fachanwaltsbezeichnungen anerkannt haben.
Kläger verlangt Doppelanrechung
Die zuständige Anwaltskammer war zu einer doppelten Anrechnung der Fortbildungsmaßnahme nicht bereit und erließ im Februar 2018 einen Bescheid, in dem sie den Anwalt auf eine Pflichtversäumnis über eine Zeitstunde Fachanwaltsfortbildung im Bereich Bau- und Architektenrecht aufmerksam machte.
- Gegen diesen Bescheid erhob der Anwalt Anfechtungsklage
- und beantragte beim niedersächsischen AGH darüber hinaus die Feststellung, dass er im Jahre 2017 die erforderlichen Zeitstunden für die Fachanwaltsfortbildung für den Fachbereich Bau- und Architektenrecht absolviert hat.
Anwalt appelliert (vergeblich) an die Gesetze der Logik
Der Anwalt argumentierte, wenn § 14 Abs. 3 FAO 15 Zeitstunden Fortbildung für jedes Fachgebiet vorsehe, so diene dies der Sicherung eines einheitlichen Qualitätsstandards der Fachanwälte.
- Wenn ein an der Fortbildung teilnehmender Anwalt die Veranstaltung als Nachweis für die Erweiterung seines Kenntnisstandes auf dem einen Rechtsgebiet anführen dürfe,
- ein anderer für die Erweiterung seines Kenntnisstandes auf dem anderen Rechtsgebiet,
- so müsse der eine Fachbezeichnung in beiden Rechtsgebieten führende Anwalt dies auch als Nachweis für beide Rechtsgebiete anerkannt bekommen.
Andernfalls könne er die gleiche Veranstaltung ein zweites Mal besuchen und für das zweite Rechtsgebiet anerkennen lassen, ohne dass dies zu einem zusätzlichen Erkenntnisgewinn führen würde. Die Verweigerung der Doppel-Anerkennung sei also ein rein formalistisches Argument ohne inhaltliche Logik.
Anfechtungsklage hatte Erfolg
Der AGH gab der Anfechtungsklage statt mit der Begründung, für den von der Rechtsanwaltskammer gegebenen Hinweis auf die fehlende Fortbildung im Bereich Bau- und Architektenrecht im Wege eines mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakts existiere keine Ermächtigungsgrundlage. In der wichtigeren Frage der doppelten Berücksichtigung der Fortbildungsmaßnahme scheiterte der Anwalt aber mit seiner Klage.
Fortbildungspflicht des Fachanwalts dient der Sicherung des Qualitätsstandards
Zunächst stellte der AGH klar, dass die in § 15 FAO normierte Fortbildungspflicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei und in § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage finde.
Der Anwalt habe Recht mit seiner Argumentation, dass die Fortbildungspflicht der Sicherung eines einheitlichen Qualitätsstandards der Fachanwälte diene. Entgegen der Auffassung des Anwalts stehe die Doppelanrechnung einer Fortbildungsmaßnahme allerdings im Widerspruch zum ausdrücklichen Willen des Satzungsgebers.
Die Satzung schließt Doppelverwertung aus
Der AGH untersuchte die Frage, ob § 15 FAO, der die Frage der Doppelverwertung ausdrücklich nicht regelt, eine Regelungslücke enthält, die durch die Rechtsprechung auszufüllen ist. Im Ergebnis verneinte der AGH die Frage mit folgenden Argumenten:
- Eine Regelungslücke setze voraus, dass der Satzungsgeber das Problem der Doppelverwertung übersehen habe.
- Dies sei aber nicht der Fall, wie sich aus den Materialien der Satzungsversammlung ergebe.
Die Satzungsversammlung habe bei der ursprünglichen Formulierung der Satzung ausdrücklich festgestellt, dass auf sich überschneidenden Rechtsgebieten Kombinationsveranstaltungen von – damals noch - 10 Zeitstunden nicht ausreichen, um für jedes der kombinierten Fächer 10 Fortbildungsstunden nachzuweisen (heute sind 15 Fortbildungsstunden erforderlich).
Kombinationsveranstaltungen sind zulässig, aber nur einmal zu bewerten
Kombinationsveranstaltungen, die grundsätzlich thematisch für mehrere Fachanwaltsbezeichnungen geeignet seien, seien nach dem Protokoll der Satzungsversammlung zwar grundsätzlich zulässig, dürften aber nicht doppelt angerechnet werden.
- Die Satzungsversammlung habe ausdrücklich beschlossen dass derjenige, der zwei oder drei Fachanwaltsbezeichnungen führt,
- zweimal 15 oder dreimal 15 Zeitstunden Fortbildung absolvieren müsse.
- Der Satzungsgeber habe bewusst die Formulierung „je Fachgebiet“
- im Sinne des Ausschlusses einer Doppelverwertung verwendet.
Keine Aufweichung des Fortbildungsnachweises
Diese Lösung entspricht nach Auffassung des AGH auch der Ermächtigungsgrundlage des § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO.
- Die Anforderung des Fortbildungsnachweises sei streng formalisiert,
- sie schaffe lediglich einen Mindeststandard, der einer einfachen Kontrolle durch die Kammer unterzogen werde und
- bei Verstoß gegen die Nachweispflicht sanktioniert werden könne.
- Diese formalisierte Nachweispflicht dürfe nicht aufgeweicht werden.
- Außerdem berge eine Doppelverwertung die Gefahr der Ungleichbehandlung der Fachanwälte untereinander.
Nach alldem dürfe ein Fortbildungsnachweis, der grundsätzlich für zwei Gebiete geeignet wäre, nicht gleichzeitig auf 2 Fachanwaltsbezeichnungen angerechnet werden.
(AGH Niedersachsen, Urteil v. 12.11.2018, AGH 13/18).
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