
Das EU-Parlament hat Mark Zuckerberg angehört, aber kaum Antworten erhalten zum Daten-GAU bei Facebook, bei dem Daten von 87 Millionen Nutzern unbefugt von „Cambridge Analytica“ für Kampagnen und Politmanipulationen (z.B. Brexit-Abstimmung) abgezweigt wurden. Die teils überforderten EU-Parlamentarier zogen im Gegenzug die Kartellrechtskarte: Es sei Zeit, über die Zerschlagung eines Monopols zu sprechen.
Dem Auftritt Zuckerbergs war ein parteipolitisches Gerangel über das Format vorausgegangen, in dem die Anhörung Zuckerbergs stattfinden sollte. Zunächst war geplant worden, dass ihnen die Vorsitzenden der EU-Parlamentsfraktionen im stillen Kämmerlein anhören, nach Empörung verschiedener Fraktionen wurde der Termin dann doch live übertragen.
Leichtes Spiel Zuckerbergs gegenüber EU-Politiker-Fragen
Das Ergebnis der Anhörung gab teilweise alten Vorurteilen gegenüber EU-Politikern Nahrung, nachdem der Facebook-Gründer es schaffte, den weitläufigen und wenig abgesprochenen Fragen der verschiedenen Politiker auszuweichen und mit einigen Entschuldigungen und ohne klare Ansagen faktisch wenig zu erklären und nichts Konkretes zuzusagen.
Das lag wohl auch daran, dass die Politiker häufig zu wenig technisches Verständnis hatten, um Nachzuhaken und Zuckerberg zu "stellen".
Eine Zusage, auf die mehrfach gestellte Frage ob er Nutzern künftig ermöglichen wolle, das umstritten "targeted advertising" abzustellen , ließ sich Zuckerberg nicht entlocken. Genau darin aber, im Micro-Targeting, dem Bewerben sehr spezielle Nutzergruppen, ging es beim Cambridge-Analytica-Datensündenfall und davon will sich Facebook offensichtlich nicht verabschieden.
Selbst wenn der 34-Jährige die Politiker teilweise alt aussehen ließ, hat er aber die Sanktionsmöglichkeiten der EU wahrscheinlich unterschätzt.
Im PR-Schaukampf zwar nichts gesagt, aber auch wenig erreicht
Mit seinen Ausweichmanövern hat Zuckerberg sein Desinteresse am EU-Parlament demonstriert, doch es handelt sich, da die EU trotz ihrer wenig zupackenden Befragung über echte Handlungsmöglichkeiten verfügt, trotzdem nicht um einen Facebook-Auswärtssieg, da es eben nicht nur eine PR-Veranstaltung war.
Zerschlagung aus kartellrechtlichen Gründen?
Manfred Weber (CSU), der Fraktionsvorsitzender der konservativen Parteien, hielt Zuckerberg entgegen: "Ich glaube an Märkte und Regeln, aber ich möchte auch alle Arten möglicher Monopole stoppen. Deshalb denke ich, es ist Zeit, die Zerschlagung des Facebook-Monopols zu diskutieren." . Auch Guy Verhofstadt, der die liberale Fraktion ALDE leitet, sieht Facebook als einen Fall für die europäische Kartellbehörde und forderte sie auf, tätig zu werden.
EU-Parlamentarier alarmiert zum Daten-GAU bei Facebook
Das EU-Parlament hatte auf eine Zuckerberg-Anhörung und EU-bestanden, nachdem sich die Parlamentarier alarmiert zum Daten-GAU bei Facebook gezeigt hatten, bei dem Daten von 87 Millionen Nutzern/Nutzerfreunden unbefugt von „Cambridge Analytica“ für Kampagnen und Politmanipulationen (Brexit-Abstimmung, US-Wahlkampf) genutzt worden waren.
Parlamentarier aller Parteien waren schockiert gewesen über die Auswüchse der datengetriebenen Wirtschaft und dringen auf strengere Einhaltung des Datenschutzes und Anwendung der E-Privacy-Verordnung.
Digitale Machtsysteme, die an Orwells und Huxleys Zukunfts-Visionen erinnern
Eine Parlamentarierin der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) sah sich an die Science-Fiction-Literatur von Orwells (Animal Farm) und Huxleys (Brave New World) über Gewaltherrschaften erinnert angesichts des offenbar gewordenen "Missbrauchs demokratischer Prozesse". Facebook & Co. hätten digitale Machtsysteme aufgebaut, "die gegen uns genutzt werden".
Seitens eines österreichischen Christdemokraten wurde die Befürchtung geäußert, Facebook werde es auch dem russischen Geheimdienst ermöglichen, die Plattform zu missbrauchen.
Anhörung im amerikanischen Kongress nicht sehr ergiebig
Firmengründer Mark Zuckerberg zeigte sich derweil demütig, verspricht, auch vor dem amerikanischen Kongress Besserung, doch die Aktie sinkt, unter dem "#Delete Facebook" melden sich viele User bei Facebook ab und nun fordern auch Investoren seinen Rücktritt.
Sein Auftritt vor dem amerikanischen Kongress half ihm nicht und überzeugte wenig. Schon die Fragen der Kongressmitglieder gingen zum Teil am Thema vorbei, solchen nach der Datenverwendung durch seinen Konzern wich er aus und selbst einfache technische Details kannte er nicht oder wollte sie nicht kennen.
Die allgemeine Empörung scheint nun das Thema #Datenschutz und Digitalisierung und die Hilflosigkeit gegenüber #Datenmissbrauch und #Datenkapitalismus am Social-Media-Riesen #Facebook und insbesondere an #Zuckerberg festzumachen.
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Facebook steht schon länger im Zentum von Datenschutz-Kritik
Schon lange wird Facebook wegen seinem Umgang mit Nutzerdaten angegriffen und kritisiert. Doch der aktuelle Facebook-Skandal hat eine bisher bei dem sozialen Netzwerk nicht gekannte Dimension.
Die Daten von 87 Millionen Usern sollen dem Unternehmen „Cambridge Analytica“ zugespielt und für kommerzielle und manipulative politische Zwecke verwendet worden sein. |
Der Datenskandal hat das Potenzial, Facebook nachhaltigen Schaden zuzufügen. Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der dies Datenleck wohl anfangs unterschätzt hatte, ist aufgeschreckt und will dem US-Kongress Rede und Antwort stehen und die Behörden bei der Aufklärung der Hintergründe des Datenskandals unterstützen.
Wie konnten soviele Facebook-Daten abhandenkommen?
Der zunächst von der „New York Times“ und dem britischen „Observer“ veröffentlichte Vorwurf richtet sich in erster Linie gegen „Cambridge Analytica“.
- Das Unternehmen soll unter Ausnutzung eines Datenlecks die Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Mitgliedern bzw. Mitgliederfreunden unbefugt angezapft haben.
- „Cambridge Analytica“ selbst behauptet, von dem Verstoß gegen die Datenbestimmungen nichts gewusst
- und die Daten von dem russischstämmigen, britischen Wissenschaftler Aleksandr Kogan gutgläubig erworben zu haben.
Datenleck im Quadrat: Nicht nur Facebook-Nutzerdaten sind betroffen
Der hatte eine Facebook-App mit einem Test zur Ermittlung eines psychologischen Persönlichkeitsprofils angeboten. Über diese App wurden jedoch nicht nur die Daten der rund 270.000 Nutzer erfasst, zugleich wurden auch Informationen zu den Facebook-Freunden dieser Nutzer erhoben. Die Erlaubnis von Facebook bezog sich nur auf eine wissenschaftliche Arbeit. Doch nach deren Abschluss habe der Professor die Nutzer/Freunde-Daten an „Cambridge Analytica“ weitergegeben.
- Im Jahr 2015 habe das Unternehmen den Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen erst entdeckt und die Daten dann unverzüglich gelöscht.
- Die New York Times bezweifelt diese Behauptung und berichtet, nach ihren Informationen seien die Daten bis heute nicht gelöscht worden.
Facebooks laxe Schadensbegrenzung nach Entdeckung des Datenlecks
Nachdem die Weitergabe der Daten bekannt geworden war, soll Facebook zwar deren Löschung verlangt, jedoch keine weiteren Bemühungen unternommen haben, um die Einhaltung dieser Forderung durchzusetzen und zu überprüfen. Auch unterrichtete das Unternehmen die Öffentlichkeit nicht über den Daten-Missbrauch.
Was verbirgt sich hinter Cambridge Analytica?
„Cambridge Analytica“ ist ein eher schwer zu durchschauendes Unternehmen mit Sitz in New York, das nach eigenen Angaben von Analysen zu Verbraucherverhalten bis zu Forschungen zur Lebensmittelsicherheit alles mögliche anbietet. Das Unternehmen existiert seit ca. fünf Jahren und wurde u.a. von einem republikanischen US-Milliardär finanziert.
- Der Kern des Unternehmens ist wohl die Ansammlung von Datenbeständen,
- aus denen dann Schlüsse über die politische Einstellung von Personen und Personengruppen gezogen
- sowie Vorhersagen über ihr mögliches Verhalten - zum Beispiel bei Wahlen - getroffen werden.
- Das Unternehmen habe den Wahlkampf von Donald Trump maßgeblich unterstützt.
Wie kam die Geschichte ans Tageslicht?
Ein ehemaliger Mitarbeiter von „Cambridge Analytica“ hat den Datenklau öffentlich gemacht. |
Der bisherige Firmenchef Alexander Nix wurde infolge des Datenskandals von seinen Aufgaben suspendiert, nachdem er freizügig über Erpressungsversuche von Wahlkandidaten vor laufender Kamera geplaudert hatte.
Bundesjustizministerin Barley droht mit Strafen
Bundesjustizministerin Katarina Barley will sich mit Vertretern von Facebook noch vor Ostern treffen, möglicherweise im Rahmen einer Sondersitzung des „Bundestagsausschusses für digitale Agenda“. Die Ministerin erwartet von Facebook
- eine umfassende Aufklärung darüber, wie es zu dem Datenmissbrauch kommen konnte.
- Sie will eine klare Aussage darüber, inwieweit deutsche Nutzer von dem Skandal betroffen sind
- und ob diese oder andere Mechanismen eine Gefahr für die Sicherheit der Daten deutscher Nutzer auch in Zukunft bedeuten.
- Die Ministerin verwies auf die ab 25.5.2018 in Kraft tretende DSGVO. Diese sehe für Datenschutzverstöße Strafen in Höhe von bis zu 4 % des weltweiten Jahresumsatzes vor. Das seien bei Facebook beträchtliche Summen.
- Die Ministerin fordert von Facebook umfassende Transparenz sowie
- eine klare Strategie, wie ein solcher Datenmissbrauch in Zukunft verhindert werden kann.
- Darüber hinaus kündigt die Ministerin weitere gesetzliche Regelungen an. Insbesondere will sie die sozialen Medien zur Offenlegung der Funktionsweise und der Auswahlkriterien ihrer Algorithmen verpflichten.
Damit befindet sich die Bundesregierung in Übereinstimmung mit der EU-Kommission, die ebenfalls von Facebook eine Klarstellung und Aufklärung der Vorwürfe eingefordert hat. Auch ein Unternehmen wie Facebook unterliege voll und ganz den europäischen und nationalen Datenschutzbestimmungen.
„Das war ein grober Vertrauensbruch“
Diese Worte stammen direkt aus dem Munde von Facebook-Gründers Mark Zuckerberg. Reumütig räumt er Fehler ein und verspricht, die Missstände umgehend abzustellen. Die Facebook-Aktie befindet sich Dank der Affäre im Sinkflug. Mark Zuckerberg zeigt sich gegenüber den Usern ungewohnt demütig. In einer Stellungnahme wandte er sich unmittelbar an die User und erklärte:
„Wir haben die Verantwortung, Ihre Daten zu schützen und wenn wir dies nicht können, verdienen wir es nicht, Ihnen zu dienen“.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
„#Delete Facebook“ - fast schon eine Massenbewegung
Trotz der Demutshaltung des Facebook-Chefs melden sich User massenweise ab. „#Delete Facebook“, unter diesem Motto verlassen Heerscharen von Usern das in mancherlei Hinsicht sowieso schon angeschlagene soziale Netzwerk. Dieses Verhalten der User zeigt deutlich, dass und wo Facebook verwundbar ist. Das Netzwerk lebt von der riesigen Masse seiner User. Wenden die sich ab, geht es Facebook schlecht. Das Kapital von Facebook ist nicht zuletzt das Vertrauen seiner Nutzer. Ohne diese gäbe es auch keine Werbeeinnahmen.
Das Problem liegt in der Handelsware: Persönliche Daten
Der jetzige Skandal sei die Wirkung, nicht die Ursache des Problems, betonte im ZDF der Schweizer Digitalexperte Roman Koidl. Wenn mit digitalen Daten Handel getrieben werde, seien solche Skandale künftig an der Tagesordnung.
Das Facebook-Geschäftsmodell beruhe halt auf der massenweise Sammlung von Daten und dem Handel damit. Den Werbekunden gehe es in erster Linie um Einblick in diese persönlichen Daten, und zwar nicht nur in die des Users, sondern auch in die seiner möglichst vielen Freunde.
Facebook-Chef gelobt Besserung
Der Facebook-Chef hat genau an diesem Punkt Besserung versprochen. Er verweist darauf, dass schon 2014 die Schnittstellen geändert wurden und außenstehenden Dritten die Möglichkeit verwehrt wurde, neben dem Zugriff auf den User auch den Zugriff auf die Daten von dessen Freunden zu nehmen. Nun solle zusätzlich bei den Kunden umgehend eine Untersuchung aller von diesen genutzten Zugriffs-Apps erfolgen. Die Absicht der Untersuchung:
- Wird festgestellt, dass Zugriff auf Daten besteht, die dort nicht vorhanden sein sollten, fliegt der entsprechende Kunde aus dem Kreis der Berechtigten raus - das jedenfalls verspricht der Facebook-Chef.
- Zuckerberg verspricht noch mehr: Ein erweitertes Hinweisprogramm sollen Hinweisgeber ermutigen, sich bei Verdacht von Datenmissbrauch direkt an Facebook zuwenden.
- Darüber hinaus sollen App-Anbieter, die auf sensible Facebook-Daten zugreifen wollen (Weltanschauung, sexuelle Identität), durch neue vertragliche Regelungen auch intern an die Einhaltung internationaler und nationaler Datenschutzbestimmungen gebunden werden.
Zuckerberg selbst nährt Zweifel an seiner Lauterkeit
Auf den ersten Blick klingen die Beteuerungen des Facebook Gründers nicht wirklich schlecht. Sie werden allerdings konterkariert durch sein Verhalten gegenüber dem ehemaligen Mitarbeiter von „Cambridge Analytica“, der den Skandal öffentlich gemacht hat.
Zuckerberg ließ ihn sowohl auf Facebook als auch auf der zum Facebook-Konzern gehörenden Instagram-Plattform sperren. Kein gutes Indiz für die Glaubwürdigkeit der vom Facebook -Gründer gegenüber den Usern gezeigte Demutshaltung. Am Facebook-Geschäftsmodell, das Massen an persönlichen Daten sammelt und damit Gewinne aus Werbeeinnahmen generiert, wird – und kann - sich auch in Zukunft nichts ändern.
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Noyb (None of your Business)
Der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems, der Facebook schon lange wegen seine Datenschutzmängel angreift, ist dabei, eine neue Organisation auf die Beine zu stellen, mit der Datenschutzrechte besser geschützt werden sollen.
Der Datenschützer Max Schrems ist vor allem durch seine Klagen gegen Facebook bekannt geworden, in deren Folge sogar das bis dahin gültige Datenschutzabkommen Safe Harbor zwischen der EU und den USA gekippt wurde.
Mit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai werden auch Verbände ein Klagerecht bekommen. Mit dem von ihm mitbegründeten neuen Verein namens Noyb (None of your Business – Geht Dich nichts an) können dann Ansprüche mehrerer Personen gebündelt werden. Noyb (None of your Business) läuft als Crowdfunding-Projekt an den Start, um die erweiterten Rechte und verschärften Sanktionen der Datenschutzgrundverordnung zu nutzen.