EuGH erlaubt Widerruf von Online-Matratzenkauf

Matratze im Netz bestellen, eine Nacht darauf schlecht schlafen, dann Kauf widerrufen und zurückschicken. Das geht!! -  hat jetzt der EuGH geurteilt. Einmal ausprobieren und Probeschlafen muss der Online-Händler hinnehmen. Der Kampf um die Matratze tobte durch einen langen Instanzenweg.

Die bestmögliche Matratze im Internet bestellt, aber ob es die richtige ist, merkt der Verbraucher erst nach dem Auspacken. In freudiger Erwartung der ersten Nacht auf dem guten Stück entfernte der Käufer aus Mainz die versiegelte Umverpackungsfolie und legte sich auf der Neuerwerbung zur Ruhe. Die  Nacht entpuppte sich als herbe  Enttäuschung. Nach eigenen Angaben war die Matratze so hart, dass der Käufer die zweite Hälfte der Nacht lieber auf seiner Couch verbrachte.

Matratzenkaufvertrag nach harter Nacht widerrufen

Innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist widerrief der Käufer den Kauf und verlangte vom Verkäufer, die Matratze mittels eines Transportunternehmens wieder abholen zu lassen. Dieser weigerte sich mit dem Argument, eine unter Entfernung der Schutzfolie benutzte Matratze sei aus Hygienegründen nicht wieder verkäuflich. Nach erfolgter Nutzung sei der Widerruf daher nicht mehr möglich gewesen.

Käufer sendet Matratze zurück

Der Käufer beauftragte darauf seinerseits eine Spedition mit der Rücksendung und verlangte vom Verkäufer

  • Rückerstattung des Kaufpreises sowie
  • Ersatz der entstandenen Versandkosten,

insgesamt knapp 1.200 Euro.

Matratzenstreit schafft es erst bis zum BGH und dann zum EuGH

Bereits die ersten beiden Instanzen entschieden zu Gunsten des Käufers und verpflichteten den Händler zur Erstattung des Kaufpreises und der Versandkosten. Der Matratzenstreit  landete wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung für das Verbraucherrecht aber sogar beim BGH. Dieser bemühte sogar den EuGH und bat diesen um Auslegung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU.

EU-Regelung korreliert weitgehend mit bundesdeutschem Recht

Art. 16e der Verbraucherrechterichtlinie schließt den Widerruf eines im Fernabsatzgeschäft geschlossenen Kaufvertrages aus, wenn versiegelte Waren

  • „aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und
  • deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“.

Hinweis: Eine ähnliche Regelung enthält § 312 g BGB.

Führt direkter Körperkontakt zum Ausschluss des Widerrufsrechts?

Der BGH wollte nun vom EuGH wissen, ob Waren von dieser Ausnahme erfasst werden, wenn sie in direkten Kontakt mit dem menschlichen Körper gekommen sind, die Ware jedoch ihre Verkehrsfähigkeit hierdurch nicht verliert, da sie gegebenenfalls gereinigt werden kann.

Generalanwalt zieht Analogie zu Kleidungsstücken

Der Generalanwalt vertrat in seinen Schlussanträgen die Auffassung, dass Matratzen hier ähnlich wie Kleidungsstücke zu behandeln seien, die bei der Anprobe ebenfalls in Kontakt zum menschlichen Körper kämen und die nach einer Online-Bestellung anerkanntermaßen  dem Widerrufsrecht der Verbraucherrechterichtlinie unterlägen. Der Generalanwalt plädierte daher auf Erhaltung des Widerrufsrechts in diesen Fällen.

Besonderer Käuferschutz bei Onlinebestellungen

Der EuGH schloss sich der Rechtsansicht des Generalanwalts an. Nach Auffassung der Luxemburger Richter spricht auch der bei der Regelung von Fernabsatzgeschäften im Vordergrund stehende Schutz des Verbrauchers dafür,

  • dass der Verbraucher möglichst umfassend die Möglichkeit haben sollte, eine Ware nach der Online-Bestellung auszuprobieren,
  • da er beim Online-Kauf die Ware typischerweise vorher nicht gesehen habe.
  • Die Widerrufsfrist diene dazu, dem Käufer eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen, in der er sich über die Beschaffenheit und die Funktionsfähigkeit der bestellten Ware Klarheit verschaffen könne.

Körperkontakt führt nicht zur Unverkäuflichkeit

Der direkte Kontakt der Matratze mit dem menschlichen Körper führt nach Auffassung des Gerichts nicht dazu, dass die Matratze nicht weiter verkäuflich wäre

  • Gegebenenfalls sei eine Reinigung oder Desinfektion möglich.
  • Ein und dieselbe Matratze werde auch von aufeinanderfolgenden Hotelgästen benutzt, ohne dass dies unter Hygienegesichtspunkten bedenklich sei.
  • Schließlich existiere sogar ein Markt für gebrauchte Matratzen.

Einschränkung: Wertersatz bei übermäßiger Benutzung

Der EuGH wies allerdings darauf hin, dass im Falle eines Wertverlustes - beispielsweise durch übermäßige Verschmutzung - der Käufer Ersatz leisten müsse bzw. sein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises entsprechend zu reduzieren sei.

Ergebnis des EuGH-Urteils

Für Matratzen gilt die Ausnahmeregelung des Ausschlusses des Widerrufsrechts aus hygienischen Gründen im Rahmen von Art.16 der EU-Verbraucherrechterichtlinie nicht. Der BGH muss nun im Einklang mit dem europäischen Recht entscheiden.

Hinweis: Das Ergebnis des EuGH gilt auch für andere mit dem Körper direkt in Kontakt kommende Waren wie Kopfhörer und auch Badehosen. Zahnbürsten dürften aber wohl nicht der großzügigen Testbefugnis der Verbraucher unterliegen.

(EuGH, Urteil v. 27.3.2019, C-681/17).

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