EuG: "Fack Ju Göhte“ ist vulgär und als Marke nicht schutzwürdig

Zu vulgär nicht nur für deutsche, sondern auch für europäische Ohren. Zeugt das Verdikt des Europäischen Gerichts nun von einer besonderen Humorlosigkeit der europäischen Richter oder beweist es ein tiefes Empfinden des EuG für Ästhetik?

Vor dem EuG ging es um nicht weniger als um die erfolgreichste deutsche Kinokomödie seit Jahren. Anknüpfend an diesen Erfolg hatten die Produzenten des Films die Absicht, den Titel „Fack Ju Göhte“ gewinnbringend für Merchandising-Produkte, sei es für Teeny-T-Shirts, Spielwaren, Kosmetikartikel, Süßigkeiten und alles, was das Filmpublikum sonst noch liebt, zu verwenden. 

Antrag auf Markenschutz abgelehnt

Im Ergebnis ging es also um eine Menge Geld. Zur Entscheidung des Gerichts stand aber auch eine fetzige Jugendsprache, die überkommene Konventionen auf die Schippe nimmt und dabei mit konservativen Werten auf freche Weise spielt. Das Europäische Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) in Alicante zeigte sich für diese Art des sprachlichen Umgangs mit hochwertigem Kulturgut wenig aufgeschlossen und lehnte den im April 2015 gestellten Antrag der Constantin-Film auf Eintragung der Unionsmarke „Fack Ju Göhte“ ab.

Europäische Beamte schützen deutschen Dichterfürsten vor Verunglimpfung

Nach Auffassung des Amtes ist der Begriff „Fack Ju“ gleichzustellen mit dem englischen Ausdruck „Fuck you“, dem Verbraucher häufig eine sexuelle Bedeutung beimessen würden. Selbst bei Verbrauchern, bei denen dies nicht der Fall sei, sei der Titel anstößig und würde allgemein als vulgär empfunden. Dies gelte umso mehr, als der „hoch angesehene Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe“ hierdurch herabgewürdigt und in beleidigender Weise verunglimpft würde, noch dazu in einer fehlerhaften Orthographie.

Constantin-Film zog vor Gericht

Mit dem ablehnenden Bescheid des EUIPO gaben sich die Produzenten nicht zufrieden und klagten vor dem EuG. Die Produktionsfirma Constantin führte ins Feld:

  • Der Titel des Films sei sarkastisch gemeint und  verleihe auf eine frech-heitere Weise den täglichen Frustrationen von Schülern Ausdruck.
  • Außerdem sei die Redewendung als Filmtitel in Deutschland und Europa allgemein bekannt und könne daher das allgemeine Publikum nicht schockieren.
  • Mehrere Millionen Menschen hätten den Film in ganz Europa gesehen und sich über den Titel amüsiert gezeigt.
  • Mit der bewusst fehlerhaften Orthographie karikiere sich die Jugend im übrigen auch selbst.

EuG hält „Fack Ju Göhte“ für sittenwidrig

Dies sahen die Richter am EuG völlig anders. Ausgangspunkt der gerichtlichen Beurteilung war Art. 7 Abs. 1 f der EU-VO Nr. 207/2009 der Unionsmarkenverordnung (UMV). Nach der dort enthaltenen Generalklausel darf ein Begriff nicht als europäische Marke eingetragen werden, wenn er sittenwidrig ist. Für die Sittenwidrigkeit des Begriffs „Fack Ju Göhte“ sprechen nach Auffassung der Richter eine ganze Reihe von Punkten:

  • Die Redewendung sei komplett der Vulgärsprache entnommen.
  • Die gewählte Ausdrucksweise verfolge erkennbar die Absicht, das allgemeine Publikum zu schockieren und hierdurch Aufmerksamkeit zu erregen.
  • Der Begriff würde vom unbefangenen deutschen Publikum mit „Fick dich“ übersetzt und damit als eine Aufforderung „mit sich selbst...den Beischlaf auszuüben“. Auch wenn dies keine korrekte Übersetzung der englischsprachigen Redewendung sei, entspreche dies doch dem allgemeinen Verständnis der Redewendung. 

EuG will Durchschnittsverbraucher vor schwerem Schock bewahren

Die Tatsache, dass mehrere Millionen Menschen den Film im Kino gesehen hätten, ändert nach Auffassung des Gerichts nichts an der schockierenden Wirkung für Verbraucher, von denen viele den Film nicht kennen würden.

  • Bei einem normalen Einkauf oder bei Inanspruchnahme von Dienstleistungen würden im Falle eines Markenschutzes auch solche Verbraucher mit dem Markenzeichen konfrontiert, die den Film nicht kennen.
  • Es sei nicht selbstverständlich, dass solche Personen das Markenzeichen dann als Scherz auffassen würden.
  • Nicht alle Verbraucher hielten eine derart derbe Ausdrucksweise für akzeptabel.
  • Im Ergebnis stünden bei der Frage des Markenschutzes nicht die Kenner des Films im Fokus, sondern der vernünftige Verbraucher mit durchschnittlicher Empfindlichkeit und Toleranzschwelle.
  • Außerdem würde durch die Verwendung des Begriffes einem deutschen Dichterdenkmal in obszöner, degradierender Weise der Respekt versagt.
  • Alles in allem sei der Begriff zu vulgär, zu primitiv, zu schockierend für das allgemeine Publikum.

Im Ergebnis verstieße eine Marke „Fack Ju Göhte“ nach dem Verdikt der Richter daher gegen die guten Sitten. Der Antrag auf Markenschutz sei daher vom EUIPO zu Recht abgelehnt worden.

In Deutschland sind die Markenschützer lässiger

Die Sittenwidrigkeit wird im europäischen Markenrecht von Land zu Land sehr unterschiedlich beurteilt. Die deutschen Markenschützer geben sich bisher toleranter als das EuG.

  • Das Bundespatentgericht hat beispielsweise den Begriff „Ficken“ für ein alkoholisches Getränk als eintragungsfähig angesehen (Bundespatentgericht, Beschluss v. 3.8.2011, 26 W (pat) 116/10).
  • In der Marke „FickShui“ haben die Patentrichter keine sprachliche Verrohung gesehen und den Markenschutz wegen der fortschreitenden Liberalisierung der allgemeinen Anschauungen gewährt (BPatG, Urteil v. 1.4.2010, 27 W (pat) 41/10). 
  • Auch die Marke“ Leck mich Schiller“ ist beim Deutschen Markenamt rechtswirksam eingetragen.

Schluss war allerdings auch beim BPatG bei „Scheiß drauf“. Der Begriff sei nicht markenrechtsfähig. Der Wortfolge fehle es an Unterscheidungskraft; eine herkunftsweisende Funktion komme ihr nicht zu. Zudem enthalte der Begriff eine grobe Verletzung des guten Geschmacks und sei sittenwidrig.

Goethe selbst hätte es wohl kaum gejuckt

Ob der deutsche Dichterfürst Goethe sich im Falle der Gewährung des Markenschutzes im Grab umdrehen würde, erscheint eher zweifelhaft. Goethe selbst war einer derben Ausdrucksweise durchaus nicht abgeneigt. Hierzu muss man nicht extra das Götz von Berlichingen-Zitat bemühen. Eine freche Marke mit seinem Namen würde ihn womöglich weniger umtreiben als die nicht von ausgeprägtem Sinn für Humor zeugende Entscheidung des EuG. Zumal er selbst durchaus bekannt dafür war (Hoch-) Kultur zu Geld zu machen und sich bei seinen Honorarverhandlungen recht erwerbssinnig zeigte.

Constantin-Film bleibt zwei Monate Zeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen und wird dies wohl auch tun.

(EuG, Urteil v. 24.1.2018, T-69/17).

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