Es war einmal: Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung

Einmal Fachanwalt, immer Fachanwalt - so einfach ist das nicht. Die BRAO knüpft das Führen der Fachanwaltsbezeichnung an strenge Voraussetzungen. Hierzu gehört die Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen. Die unterlassene Fortbildung kann zum Entzug der Fachanwaltsbezeichnung führen.

Ähnlich wie den Führerschein, kann man auch seinen Fachanwaltstitel verlieren, er ist nicht nur an regelmäßige Fortbildung geknüpft, sondern auch an den Nachweis derselben ....

Über 17 Jahre unfallfrei Fachanwalt gewesen

Der seit 1981 zu Rechtsanwaltschaft zugelassene Kläger führte über die Dauer von ca. 17 Jahren die Bezeichnung: „Fachanwalt für Arbeitsrecht“. Bis einschließlich 2008 ist er seiner Fortbildungsverpflichtung unstreitig zuverlässig nachgekommen. Die Teilnahme an der Fortbildung für das Jahr 2009 hatte er der Anwaltskammer auch nach mehrfacher Aufforderung nicht nachgewiesen.

Gestattung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen

Zwar hatte er mehrfach mitgeteilt, dass er an einer Fortbildungsmaßnahme teilgenommen habe und diese gegenüber der Kammer auch konkret benannt. Ihm fehle aber der Nachweis. Ähnlich verhielt es sich im Jahr 2010. Darauf widerrief die Kammer im April 2011 die Gestattung zum Führen der Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“. Hiergegen klagte der Anwalt.

Widerruf ist Ermessensentscheidung

Die Richter des AGH warfen der Kammer vor, die rechtlichen Bestimmungen nicht zutreffend angewandt zu haben.  § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO sehe nicht zwingend den Entzug der Fachanwaltsbezeichnung vor, wenn die Teilnahme an einer Fortbildung unterlassen wurde. Im Rahmen dieses Ermessens habe die Kammer sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei könne nicht einfach außer Betracht bleiben, dass der Betroffene die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen über viele Jahre zuverlässig nachgewiesen habe.

Anwaltskammer darf nicht willkürlich verfahren

Der AGH rügte auch, dass die Anwaltskammer die Entschuldigungsgründe des Anwalts (an Demenz erkrankter Vater, berufliche Anspannung) nicht angemessen bewertet habe. Tatsächlich hätten dem Anwalt - unter Berücksichtigung der von ihm gemachten Angaben - im Ergebnis insgesamt lediglich 5 Fortbildungsstunden gefehlt. 5 Fehlstunden seien aber zu geringfügig, um nach 17 Jahren berechtigter Fachanwaltsbezeichnung die drastische Maßnahme eines Widerrufs zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang rügte der AGH auch, dass die Kammer keine klare Praxis habe erkennen lassen, in welchen Zeiträumen sie das Nachholen von versäumten Fortbildungsmaßnahmen gestatte.

Verstoß gegen Nachweispflicht rechtfertigt keinen Widerruf

Der AGH berücksichtigte auch, dass der Anwalt sich zwischenzeitlich die Teilnahme an den zuvor nicht nachgewiesenen Fortbildungsmaßnahmen hatte testieren lassen. Abgesehen von den 5 fehlenden Stunden habe der Anwalt daher nur gegen seine Nachweispflichten gegenüber der Kammer verstoßen.

Allein an den Verstoß gegen die Nachweispflicht knüpfe das Gesetz aber nicht die Rechtsfolge des Widerrufs. Voraussetzung sei vielmehr die tatsächliche Nichtteilnahme an der Fortbildung. Im Ergebnis durfte der Kläger die Fachanwaltsbezeichnung weiter führen.

(AGH Niedersachsen, Urteil v 16.01.2012, AGH 20/11).


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