Ermäßigter Steuersatz bei Sado-Maso-Ferienhaus-Vermietung

Vor Gericht wird kaum ein Lebensbereich ausgelassen: Die Ferienwohnung war etwas speziell und für Freunde von Sado-Maso-Techniken ausgelegt. Macht nichts, dennoch gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz für Beherbergungsbetriebe, urteilte ungerührt das Niedersächsische Finanzgericht.

Immerhin 100 m² war die Ferienwohnung groß. Sie befand sich in der oberen Etage eines Zweifamilienhauses. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad machten insgesamt ca. 70 m² aus. Die verbliebenen 30 m² waren im Stil eines Sado-Maso-Studios eingerichtet, davon ein Raum als „Behandlungszimmer“ mit Gynäkologenstuhl. Diverse Werkzeuge zur Herbeiführung der gewünschten körperlichen Qualen waren ebenfalls vorhanden.

Am Wochenende war der Spaß teurer

Der Besitzer vermietete die Wohnung sowohl stundenweise (Minimum 4 Stunden) als auch tageweise. Für 4 Stunden stellte der Vermieter einen Mietzins in Höhe von 60 Euro in Rechnung, die Übernachtung rechnete er an normalen Wochentagen mit 100 Euro ab. An den Wochenenden waren die Preise um 20-30 % erhöht. Die durchschnittliche Verweildauer der Mieter in der Wohnung betrug 1,5 Tage.

Der Vermieter selbst hielt sich zurück

Die Tätigkeit des Vermieters beschränkte sich auf die Zurverfügungstellung der Räume. Darüber hinausgehende Leistungen, zum Beispiel die Vermittlung von Sex-Partnern, Animation oder Anleitung zu bestimmten Praktiken erbrachte der Vermieter nicht.

Das Finanzamt sieht Sado-Maso im Vordergrund

Die Nutzungsart der Wohnung rief nicht - wie möglicherweise zu erwarten gewesen wäre - irgendwelche Nachbarn auf den Plan, die sich vielleicht hätten gestört fühlen können. Es war das Finanzamt, das sich mit dem Inhaber der Wohnung anlegte.

  • Die Steuerbehörde hatte nämlich etwas gegen die Praxis des Vermieters, die Umsätze aus der Vermietung in seinen Umsatzsteuererklärungen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG zu unterstellen (Beherbergungsprivileg).
  • Das Finanzamt veranlasste eine Betriebsprüfung und kam zu dem Ergebnis, im Vordergrund der Überlassung der Räumlichkeiten stehe deren Nutzung für bestimmte sexuelle Praktiken.
  • Die Beherbergung sei nicht charakterbestimmend.
  • Die Vermieterumsätze seien daher der Regelbesteuerung zu unterwerfen.

Vermieter betont den Beherbergungszweck

Die hierauf erlassenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 und 2011 akzeptierte der Vermieter nicht. Seiner Überzeugung nach diente die Ferienwohnung den Gästen überwiegend zu Beherbergungs- und Übernachtungszwecken, was schon allein aus der quadratmetermäßigen Verteilung der Räumlichkeiten hervorgehe.

Die Ferienwohnung werde klassisch als Ferienwohnung genutzt, im Unterschied zu anderen Ferienwohnungen nur eben mit der Besonderheit, dass zusätzlich spezielle sexuelle Praktiken möglich seien, ohne dass diese aber im Vordergrund der Nutzung stünden.

Wer hierhin komme, der suche Entspannung und Ablenkung vom Alltag wie in jeder anderen Ferienwohnung auch.

Sex gibt es auch in anderen Urlaubsunterkünften

Der Vermieter verwies auf wissenschaftliche Studien, die belegten, dass ein Durchschnittsgeschlechtsverkehr ca. 15 Minuten Zeit beanspruche. Selbst Gäste, die zwei oder dreimal täglich  Sex hätten, nutzten die Wohnung damit auch zeitlich überwiegend zu Beherbergungszwecken. Im übrigen sei Sexualität ein Grundbedürfnis des Menschen.

Auch in normalen Hotelbetten finde Sex statt, wenn auch vielleicht ohne Peitsche. Es sei daher kein sachlicher Grund ersichtlich, dass seine speziellen Räumlichkeiten anders behandelt würden als andere Hotelzimmer.

Entscheidend ist, ob sexuelle Leistungen im Vordergrund stehen

Das FG zeigte sich überraschend liberal und teilte die Argumentation des Vermieters. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG gelte der ermäßigte Steuersatz grundsätzlich für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Wohn- und Schlafräume seien nach allgemeinem Sprachgebrauch solche Räumlichkeiten, die so eingerichtet sind, das darin gewohnt und geschlafen werden kann.

Nur wenn der Schwerpunkt der Leistung nicht in der Überlassung zu Wohn- und Schlafzwecken bestehe, sondern sexuelle Betätigungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt (z.B. Ausschank von Getränken) im Vordergrund stünden, wie das beispielsweise in einem Bordell der Fall sei, seien die Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz nicht erfüllt (BFH, Urteil v. 22.8.2013, V R 18/12).

Sexuelle Betätigungsmöglichkeit als bloße Nebenleistung?

Nach den Feststellungen des Gerichts fand in den vermieteten Räumlichkeiten unstreitig keine Prostitution statt. Mit der Vermietung der Wohn- und Schlafräume liegen nach Auffassung des Senats daher die Voraussetzungen für die begünstigten Beherbergungsumsätze vor.

Allerdings könne es sich bei der Überlassung der „besonderen Räumlichkeiten“ um Nebenleistungen handeln, die entsprechend dem Aufteilungsgrundsatz des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG aus der begünstigten Vermietung herauszurechnen seien. Nur wenn es sich um eine bloß untergeordnete Nebenleistung handle, teile diese das steuerliche Schicksal der Hauptleistung (BFH, Urteil v. 19.10.2011, XI R 20/09).

Sado-Maso als Wellnessangebot

Dagegen sind nach Auffassung des Senats Leistungen, die nicht unmittelbar dem Beherbergungszweck dienen, dem allgemeinen Steuersatz zu unterstellen. Dazu zählen Leistungen, die das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden der Gäste steigern, wie zum Beispiel besondere Wellnessangebote.

Im vorliegenden Fall stelle die Zurverfügungstellung der besonderen Räume ein besonderes Wellnessangebot für Gäste mit Vorlieben für bestimmte sexuelle Praktiken dar. Steuerrechtlich sei darin kein Unterschied zu klassischen Wellnessangeboten wie zum Beispiel Whirlpool, Sauna und Massage festzustellen.

Nachdem der Vermieter in der mündlichen Verhandlung seinen Klageantrag insoweit auf die Wohn- und Schlafräume (70% des Mietobjekts)  beschränkt und die besonderen Räumlichkeiten ausgenommen hatte, gab das FG seiner verbleibenden Klageforderung in vollem Umfang statt. Damit setzte sich der Vermieter gegenüber dem Finanzamt zum überwiegenden Teil durch.

(Niedersächsisches FG, Urteil v. 24.4.2014, 5 K 358/13).