Wenn der Mandant nicht einsehen will, dass die Durchsetzung seiner Angelegenheit aussichtslos ist, hat der Anwalt ein Problem. Hier drohte ein entnervter Rechtsanwalt, das Honorar im Sinne eines Schmerzensgeldes für sinnfreie Arbeit aufzustocken, wenn der Mandat die fehlende Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht akzeptiert. Ist das als Kündigung auszulegen?
Mancher Mandant verbeißt sich in einen sinnlosen Rechtsstreit und kann oder will nicht einsehen, dass sein Fall vor Gericht aussichtslos ist. Was soll der Anwalt tun, der sich vor Gericht nicht mit einer Ruf schädigenden Niederlage blamieren will?
Honorarvorschlag: 600 Euro pro Stunde als Schmerzensgeld
Ein Anwalt wählte den Weg, von seinem Mandanten ein erhöhtes Honorar als Schmerzensgeld per E-Mail zu verlangen. Das war keine wirklich eindeutige Kommunikation. Das Bundesarbeitsgericht jedenfalls wertet den Vorschlag nicht als Kündigung, als es um die Frage der Beiordnung eines Notanwalts ging.
Obskurer Honorarvorschlag: Anwaltsvertrag bleibt gültig
- Der Fall betraf einen Mandanten, der von seinem Arbeitgeber Bonuszahlungen sowie eine Gehaltserhöhung verlangt hatte.
- Sowohl das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.
- Sodann wies er seinen Anwalt an, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht einzulegen.
Das tat dieser auch, riet dem Mandanten aber in einer E-Mail zur Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde wegen Aussichtslosigkeit.
Blamage als „verbohrter Rechthaber“ ersparen?
Mit der Nachricht wollte der Rechtsanwalt, so seine Erläuterung später vor Gericht, den Klienten vor einer sicher zu erwartenden Blamage als „verbohrter Rechthaber“ schützen. Sollte der Mandant nicht einlenken, kündigte der Anwalt an, dass er anderenfalls 600 Euro Schmerzensgeld als Honorar pro Stunde verlange, die er sich mit dem Fall weiter beschäftigen müsse.
Rund anderthalb Monate später nahm der Anwalt die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Nachdem der Mandant bei rund 15 anderen Anwälten eine Abfuhr kassiert hatte, beantragte er beim Bundesarbeitsgericht die Beiordnung eines Notanwalts.
Aussichtslosigkeit verhindert Anspruch auf Notanwalt
Doch mit dem Wunsch nach einem Notanwalt kam er nicht durch.
Die Beiordnung eines Notanwalts setzt laut der Erfurter Richter voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Aussichtslosigkeit besteht danach, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Genau davon ging das Gericht aber hier aus.
Sarkastische Bemerkung ist keine Kündigung
Außerdem scheiterte die Beiordnung eines Notanwalts bereits daran, dass der Vertrag mit dem bisherigen Anwalt nach wie vor gültig war.
Die Ankündigung, 600 Euro Schmerzensgeld als Stundenhonorar zu verlangen, falls der Mandant nicht einlenkt, wertete das Gericht als sarkastisch-ironische Bemerkung und nicht als Kündigung.
Dass der Anwalt die Nichtzulassungsbeschwerde möglicherwiese weisungswidrig zurückgenommen habe, ändere an der bestehenden anwaltlichen Vertretung des Klägers nichts.
(BAG, Beschluss vom 10.1.2017, 10 AZN 938/16 (A).
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Hintergrund:
Kündigt ein Rechtsanwalt den Anwaltsvertrag und sind damit seine bisherigen Leistungen für den Mandanten nicht mehr von Interesse, hat er keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung( OLG Düsseldorf v. 21.7.1978, 8 U 115/76 ). Dieser Grundsatz gilt aber beispielsweise dann nicht, wenn ein Rechtsanwalt die Weiterführung mit Aussichtslosigkeit ablehnt, weil dies an sich keine Kündigung des Mandats darstellt – der Mandant muss dann, wenn er einen zweiten Rechtsanwalt hinzuzieht, beide Rechtsanwälte bezahlen (BGH Urteil v. 26.09.2013, IX ZR 51/13).
Die Bestellung eines Notanwalts durch ein Gericht erfolgt ausnahmsweise, wenn Rechtssuchende trotz bestehender Erfolgsaussichten keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt finden. Der BGH legt die gesetzliche Regelung eng aus.