Ein Marihuana-Joint unter Arbeitskollegen

Wenn der Vorgesetzte eines minderjährigen Arbeitnehmers nach getaner Arbeit zur Entspannung einen Joint raucht und der minderjährige Kollege eigenmächtig einen Zug nimmt, so liegt allein hierin noch kein strafbares Überlassen von Betäubungsmitteln an Minderjährige.

Aus Anlass eines gemeinsamen dreitägigen Arbeitseinsatzes auf dem Deidesheimer Weinfest campierte der Angeklagte im August 2018 gemeinsam mit vier Kollegen in einer gemeinsamen Unterkunft. Einer der Kollegen, der dem Angeklagten unterstellt war, war noch keine 16 Jahre alt.

Nach getaner Arbeit: Gemütliches Beisammensein mit Joint

Nach Arbeitsende setzten sich der Angeklagte und seine Mitarbeiter zusammen, um den Tag gemeinsam ausklingen zu lassen. Dazu gehörte eine Flasche Wodka, aus der die Beteiligten abwechselnd tranken. On top hatte der Angeklagte noch ein Tütchen Marihuana und ein Päckchen Tabak dabei. Beides packte er aus und baute daraus einen Joint.

Minderjähriger Mitarbeiter greift beherzt zu

Den Joint teilte sich der Angeklagte zunächst mit einem der Mitarbeiter, mit dem er abwechselnd inhalierte. Nach ein paar Zügen deponierte der Angeklagte den Joint in einem auf einem Tisch befindlichen Aschenbecher. Der Minderjährige äußerte, er habe auch schon mal Cannabis probiert.

Anschließend griff er nach dem Joint, machte einen Zug und legte ihn hernach wieder in den Aschenbecher. Der Angeklagte, sagte hierzu nichts. Nach den späteren Feststellungen des Amtsgerichts hätte der Angeklagte den Konsum durch den Minderjährigen verhindern können. Ihm sei bewusst gewesen, dass er den Joint einem Minderjährigen nicht hätte überlassen dürfen.

Kein Verständnis des Amtsgerichts für diese Form der Entspannung

Das AG bewertete das Verhalten des Angeklagten als ein unerlaubtes Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an einen Minderjährigen gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60 Euro. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit einer Sprungrevision. Diese hatte beim zuständigen OLG Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

OLG rügt fehlerhafte Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes

Das OLG war mit der konkreten Art der Verurteilung durch das AG nicht einverstanden. Das OLG rügte eine fehlerhafte Auslegung des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative BtMG.

Diese Vorschrift stellt die Überlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige unter Strafe.

Der vom Gesetz verwendete Begriff des „Überlassens“ impliziert nach Auffassung des OLG eine Hingabe“ des Stoffes durch den Täter an den Konsumenten. „Hingabe“ bedeutet nach Auffassung des Senats zwar nicht, dass der Täter das Betäubungsmittel unmittelbar an den Konsumenten übergeben müsse „im Sinne von in die Hand geben“,

vielmehr umfasse die Vorschrift auch solche Fälle, in denen der Täter einem Dritten eine Zugriffsmöglichkeit auf den Stoff in der Weise verschafft, dass sein Verhalten nach dem äußeren Erscheinungsbild als ein Einverständnis mit oder als Aufforderung zum Konsum verstanden werden kann.

Urteil wegen Rechtsfehler aufgehoben

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats nicht schon dann erfüllt, wenn derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Stoff innehatte, den Zugriff durch den Dritten hätte verhindern können. Nach den Gesamtumständen verstehe es sich im konkreten Fall auch nicht von selbst, dass der Angeklagte damit gerechnet hätte, dass der Minderjährige nach dem Joint greifen würde. Mit einem unvermittelten Zugriff durch den minderjährigen Mitarbeiter habe der Angeklagte nicht unbedingt rechnen können.

Damit reichten die Feststellungen des AG für eine Verurteilung des Angeklagten wegen strafbaren Überlassens von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen nicht aus. Die Revision führte daher zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils.

Revisionserfolg könnte Pyrrhussieg sein

Die erfolgreiche Revision könnte für den Angeklagten im Ergebnis aber ein Pyrrhussieg sein. Das OLG hat das Verfahren an das AG zurückverwiesen und hierbei dem neu zur Entscheidung zu berufenden Tatrichter die Vorgabe gemacht, zu prüfen,

  • ob der Angeklagte den Joint möglicherweise in strafbarer Weise seinem anderen Mitarbeiter, mit dem er den Joint zunächst zusammen geraucht hat, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 b BtMG überlassen hat
  • bzw. Betäubungsmittel gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG in strafbarer Weise besessen hat oder besitzt.

Auch die Verwirklichung dieser Straftatbestände könnten zu einer Verurteilung des Angeklagten führen.

Freispruch des Angeklagten eher unwahrscheinlich

Im Ergebnis muss der Angeklagte nun damit rechnen, in einer erneuten Verhandlung vor dem AG zwar nicht wegen strafbaren Überlassens von Betäubungsmitteln an seinen minderjährigen Mitarbeiter, stattdessen aber wegen strafbaren Überlassens an den anderen Mitarbeiter bzw. wegen strafbaren Besitzes von Betäubungsmitteln bestraft zu werden. Ob dies im Ergebnis zu einer wesentlich geringeren Strafe führen wird, erscheint eher fraglich.

(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 6.10.2020, 1 OLG 2 Ss 38/20).

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