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Ein ziemlich chaotisches Unterhaltsverfahren


Ein chaotisches Unterhaltsverfahren

Ein gegen den falschen Antragsgegner erlassener Unterhaltsbeschluss kann nicht in der Weise berichtigt werden, dass nachträglich die eigentlich gemeinte Antragsgegnerin eingesetzt wird, obwohl diese in das Verfahren nicht involviert war.

Fehler passieren - auch bei Gericht. Sollen Fehler eines gerichtlichen Verfahrens anschließend berichtigt werden, sind dabei allerdings gewisse Regeln einzuhalten. Die nachträgliche Einfügung einer bisher an dem Verfahren nicht beteiligten Unterhaltsschuldnerin in einen vollstreckbaren Unterhaltstitel ist keine nach dem Gesetz zulässige Berichtigung.

Beschwerde gegen Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung

Mitunter laufen den Gerichtsverfahren regelrecht aus dem Ruder. In einem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung aus nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) auf das Jugendamt übergegangenem Recht. Vorausgegangen war ein ziemlich chaotisches Unterhaltsverfahren.

Jugendamt leitete Unterhaltsfestsetzungsverfahren ein

Das Jugendamt gewährte dem bei seinem Vater lebenden Kind Unterhalt nach dem UVG. Die Behörde beabsichtigte daher, die aus ihrer Sicht unterhaltsverpflichtete Mutter des Kindes aus übergegangenem Recht auf Erstattung des gezahlten Kindesunterhalts in Anspruch zu nehmen und leitete ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren ein.

Jugendamt korrigierte fehlerhafte Angabe im Festsetzungsantrag

In dem gerichtlichen Festsetzungsantrag unterlief dem Jugendamt ein Fehler. Es gab fälschlicherweise an, dass das Kind bei der Antragsgegnerin lebe. Auf Hinweis des AG, dass die Angaben widersprüchlich seien, korrigierte das Jugendamt den Antrag, benannte die Mutter als Antragsgegnerin und gab zutreffend an, dass das Kind beim Vater lebt.

Verfahren lief völlig aus dem Ruder

Nun wiederum zeigte sich das AG durch die Korrektur verwirrt und stellte den Unterhaltsfestsetzungsantrag, das dazugehörige Merkblatt und den Einwendungsbogen anstatt der Mutter dem Vater des Kindes zu. Anschließend setzte das AG den Unterhalt fälschlicherweise gegen den Vater als Antragsgegner fest und stellte diesem auch den Unterhaltsbeschluss zu.

Kindesvater bat um Richtigstellung

Der Vater setzte sich mit dem AG in Verbindung und bat dieses, die unrichtige Entscheidung zu korrigieren. Richtige Antragsgegnerin sei die Mutter des Kindes und nicht er als Vater, bei dem das Kind lebt.

Rechtspflegerin machte den Beschluss passend

Auf diesen Hinweis nahm die zuständige Rechtspflegerin des AG sich den Beschluss nochmals vor und berichtigte diesen. Anstelle des bisherigen Antragsgegners setzte sie die Mutter als Antragsgegnerin mit Namen und Anschrift ein. Die Berichtigung stützte die Rechtspflegerin auf § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 319 ZPO. § 319 ZPO, auf den das FamFG verweist, erlaubt bei einem offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehler eine einfache Berichtigung einer Entscheidung.

Beschwerde der Kindesmutter

Der auf diese Weise berichtigte Beschluss wurde daraufhin der Mutter als Antragsgegnerin zugestellt. Diese legte gegen den gerichtlichen Beschluss Beschwerde ein. Sie vertrat die Auffassung, dass ein Austausch der maßgeblichen Verfahrensbeteiligten nicht im Wege eines einfachen Berichtigungsbeschlusses erfolgen könne. Immerhin sei sie als Antragsgegnerin in dem bisherigen Verfahren überhaupt nicht beteiligt gewesen und habe keinerlei Möglichkeiten gehabt, Einwendungen vorzubringen.

Verfahren gegen die Mutter ist nicht einmal rechtshängig geworden

Das OLG gab der Beschwerde vollumfänglich statt und hob sowohl den ursprünglichen Festsetzungsbeschluss als auch den Berichtigungsbeschluss auf. Der Unterhaltsberichtigungsbeschluss sei ergangen, ohne dass ein Verfahren gegen die Antragsgegnerin überhaupt rechtshängig gewesen sei. Der Festsetzungsantrag sei der Antragsgegnerin nie ordnungsgemäß zugestellt worden. Das gesamte Verfahren sei damit wirkungslos. Die wirksame Zustellung eines Festsetzungsantrages an die richtige Antragsgegnerin sei zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Verfahren gegen die Antragsgegnerin überhaupt rechtshängig werden kann.

Keine neue Partei durch einfachen Berichtigungsbeschluss

Das OLG stellte fest, dass die Beschwerdeführerin an dem Unterhaltsverfahren zu keinem Zeitpunkt ordnungsgemäß beteiligt war. Gegen einen Unbeteiligten könne ein Beschluss nicht in materieller Rechtskraft erwachsen. Die Rechtspflegerin habe durch die Art und Weise der von ihr vorgenommene Berichtigung die in einem gerichtlichen Verfahren erlaubten Grenzen kreativer Auslegung von Gesetzen deutlich überschritten. Die Vorschrift des § 319 ZPO erlaube die Berichtigung kleinerer offensichtlicher Unrichtigkeiten. Keinesfalls sei es zulässig, nachträglich eine völlig neue, bisher an dem Verfahren nicht beteiligte Partei in einem gerichtlichen Unterhaltsbeschluss im Wege der Beschlussberichtigung einzufügen.

Irreparable Verfahrensfehler

Im Ergebnis bewertete das OLG den chaotischen Ablauf des Verfahrens als einer nachträglichen Berichtigung nicht zugänglich, vielmehr liege ein unheilbarer Verfahrensmangel vor, der nachträglich nicht mehr zu reparieren sei. Das Verfahren müsse komplett neu aufgerollt werden. Das OLG hob daher sämtliche bisher gefassten Beschlüsse auf und verwies das Verfahren zur erneuten Durchführung an das Familiengericht zurück.


(OLG Frankfurt, Beschluss v. 7.8.2025, 8 W 66/24)

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