Eigene Rechtspersönlichkeit für Tiere

Das höchste Gericht des US-Bundesstaates New York hat dem in einem New Yorker Zoo gehaltenen Elefant „Happy“ die Anerkennung einer eigenständigen Rechtspersönlichkeit verweigert und eine Klage auf Freilassung aus der zoologischen Gefangenschaft abgewiesen.

Das vor dem US-Gericht geführte Verfahren hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt, wirft es doch grundsätzliche Fragen zur Rechtsposition von Tieren auf. Trotz des für den Elefanten negativen Ergebnisses sehen Tierschützer einen fast revolutionären Durchbruch darin, dass das Gericht entgegen aller Vorinstanzen die namens des Elefanten erhobene Klage zur Entscheidung zugelassen hat.

NGO klagte auf Freilassung des Elefanten „Happy“

Das höchste New Yorker Berufungsgericht hat die Klage der Tierrechtsorganisation „Nonhuman Rights Project“ im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen. Die NGO hatte namens des seit 45 Jahren in dem Zoo befindlichen Elefanten auf Freilassung aus der zoologischen Gefangenschaft und auf Überstellung in ein Elefantenschutzgebiet für seine letzten Lebensjahre geklagt.

Hat ein Elefant eine Rechtspersönlichkeit?

Die Organisation führte in ihrer Klageschrift an, bei dem 1971 in Freiheit geborenen Elefanten handle um ein nicht-menschliches, aber kognitiv außergewöhnlich komplexes und autonomes Wesen, das als eigenständige Rechtspersönlichkeit behandelt werden müsse. Das anthropozentrische Weltbild, das allein den Menschen in den Mittelpunkt des Universums stelle, sei überholt. Wissenschaftlich sei längst erwiesen, dass nicht nur Menschen Individuen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Gefühlen seien, sondern auch eine ganze Reihe von Tieren diese Eigenschaften aufwiesen.

2 der 7 Richter votierten für personale Rechte des Elefanten

Nach einem Bericht der New York Times war der Prozess um die Rechtspersönlichkeit eines höher entwickelten Tieres der erste seiner Art in der englischsprachigen Welt. Das New Yorker Gericht hat dem Elefanten letztlich den Status einer Rechtspersönlichkeit mit eigenen Rechten abgesprochen, wobei 2 der 7 zur Entscheidung befugten Richter eine abweichende Meinung vertraten. Nach deren Einschätzung hat ein hoch entwickeltes Lebewesen wie ein Elefant einen Anspruch auf Führung eines natürlichen Lebens. Das Leben eines Elefanten in einem Zoo sei demgegenüber „von Natur aus ungerecht und grausam“.

Tiere haben auch in Deutschland keine eigene Rechtspersönlichkeit

Auch in Deutschland wird Tieren eine eigenständige Rechtspersönlichkeit grundsätzlich nicht zuerkannt. Allerdings verbietet das deutsche Tierschutzgesetz allgemein, Tiere zu quälen und diesen unnötiges Leid zuzufügen. Art. 20a GG weist seit dem Jahr 2002 den Schutz der Tiere als Staatsziel aus. § 90a BGB stellt klar, dass Tiere keine Sachen sind. Dies beinhaltet allerdings keine Anerkennung der Tiere als eigenständige Rechtspersönlichkeiten.

Tierschützer plädieren für „Habeas Corpus-Rechte“ für Tiere

Die auf dem Gebiet Tiergrundrechte am Heidelberger Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht forschende Juristin Dr. Saskia Stucki erklärte in einem Interview gegenüber der Publikation „Spiegel Wissenschaft“, dass die mangelnde Anerkennung von höher entwickelten Tieren als eigenständige Rechtspersönlichkeiten die Durchsetzung der Tierschutzbestimmungen maßgeblich erschwere. Stucki plädiert die Anwendung des „Writ of Habeas Corpus“ auf höher entwickelte Tiere.

New Yorker Gericht verneint personalen Charakter von Tieren

Der „Writ of Habeas Corpus“ ist ein international anerkannter Rechtsakt, der das Recht einer Person begründet, nach einer Festnahme angehört zu werden und die Rechtmäßigkeit der Festnahme überprüfen zu lassen. Die Anwendung dieses Rechtsakts auf höher entwickelte Tiere würde bedeuten, dass anerkannte Tierschutzorganisationen bei dem Verbringen höher entwickelter Tiere in Institutionen wie zoologische Gärten oder ähnliche Einrichtungen zu den Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der Tiere angehört und deren Bedenken gegebenenfalls berücksichtigt werden müssten. Zu dieser Frage heißt es im Mehrheitsvotum des New Yorker Gerichts, der Elefant „Happy“ sei eine zwar intelligente, aber dennoch nicht-menschliche Kreatur und könne sich deshalb auch nicht in einer rechtswidrigen Haft befinden, die nach dem „Writ of Habeas Corpus“ zu überprüfen sei.

In Argentinien wurde eine Schimpansin als Rechtsperson anerkannt

Ein Gericht in Kolumbien hatte sich vor einiger Zeit ebenfalls mit dieser Frage befasst und die Anwendung des Habeas Corpus auf einen Brillenbären abgelehnt. Wie der Spiegel berichtet hat ein Gericht in Argentinien demgegenüber einem Schimpansenweibchen den Status als Rechtspersönlichkeit im Sinne des Habeas Corpus zugesprochen.

Erhebliche Folgeprobleme bei Anerkennung eines personalen Rechtsstatus

Würde sich die Anwendung des Habeas Corpus auf höher entwickelte Tiere durchsetzen, würde dies u.a. im Hinblick auf die inzwischen weltweit übliche Massentierhaltung eine Reihe von Fragen aufwerfen, die den bisherigen Umgang mit Tieren komplett infrage stellen würden. Auch die Definition des höher entwickelten Tiers wäre keine einfache Aufgabe. In diesem Zusammenhang warf das New Yorker Gericht die Frage auf, wie dann mit Kühen, Schweinen oder Hühnern zu verfahren sei, die häufig unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen als Elefanten im Zoo gehalten würden.

New Yorker Gericht befürchtet Destabilisierung der Gesellschaft

Diese praktischen Fragen dürften für das New Yorker Gericht mit ausschlaggebend für die klageabweisende Entscheidung gewesen sein. In seinem Urteil wies das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass die Anerkennung eines Anspruchs eines Elefanten auf Freilassung aus dem Zoo den Wertekanon moderner Gesellschaften erheblich ins Wanken bringen und sich destabilisierend auswirken könnte.

In einigen Bundesländern Tierschutzverbandsklagerecht

In Deutschland hat das in einigen Bundesländern eingeführte Tierschutzverbandsklagerecht etwas Bewegung in die Diskussion gebracht. Im Land Berlin ist beispielsweise die Tierschutzorganisation PETA als verbandsklageberechtigte Organisation anerkannt, die im Verwaltungsverfahren mit tierschutzrechtlichem Bezug (Zucht, Handel, Halten von Nutztieren) das Recht zur Akteneinsicht, zur Abgabe von Stellungnahmen und in beschränktem Umfang zur Stellung von Anträgen hat. Ein zwar kleiner aber nicht unbedeutender Schritt zu einem effektiveren Tierschutz.