Die Trefferquote ausländischer Bußgeldbescheide nach der Heimkehr

Was wird aus Verkehrssünden, die man im EU-Ausland verübt? Kommt es zur Vollstreckung im Heimatland? Bereits seit einigen Jahren existiert für solche Fälle das EU-Knöllchen. Der Begriff umschreibt die Vollstreckbarkeit ausländischer Strafmandate und Bußgeldbescheide auch im Heimatland. Tatsächlich bezahlt wird aber immer noch äußerst selten.

Ob Urlaub in Spanien, Frankreich oder Italien. Wer in diesen Ländern mit dem Auto unterwegs ist, macht nicht selten auch die unangenehme Erfahrung mit Bußgeldbescheiden im Straßenverkehr.

Angefangen vom Falschparken über den Rotlichtverstoß bis zur Geschwindigkeitsüberschreitung hagelt es schon mal deftige Bußgelder, die in dem straßenverkehrsrechtlich immer noch bunten Flickenteppich Europa sehr unterschiedlich ausfallen können.

Wer nicht vor Ort direkt geschnappt und zur Kasse gebeten wird, überlegt sich zuhause oft zweimal, ob er ein verhängtes Bußgeld tatsächlich überweist. Wer nicht zahlt, kommt nicht selten auch heute noch ungeschoren davon.

Umsetzung innerhalb der EU äußerst schleppend

Dass so viele Auslandsverkehrsverstöße ungeahndet bleiben, sollte nach dem Willen der EU- Mitgliedsländer längst anders sein.

Bereits im Jahre 2005 haben die Mitgliedsländer den „EU-Rahmenbeschluss vom 24.2.2005 zur gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen und zur Einführung der Vollstreckbarkeit verhängter Geldstrafen und Geldbußen“ in den Einzelstaaten verabschiedet.

Die meisten EU-Mitgliedsstaaten haben den Rahmenbeschluss inzwischen in nationales Recht umgesetzt; es fehlen nur noch Griechenland, Italien, Irland und Kroatien.

Sämtliche EU-Mitgliedsstaaten haben Zugriff auf die Halterdateien

Daneben wurde im Jahr 2013 die „EU-Richtlinie zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über straßenverkehrssicherheitsgefährdende Verkehrsdelikte“ beschlossen. Hiernach haben die Straßenverkehrsbehörden sämtlicher Mitgliedstaaten im Prinzip Zugriff auf die Daten aller  Fahrzeughalter innerhalb der EU. Voraussetzung für die Nutzung ist allerdings, dass es sich bei dem zu ahndenden Verstoß um ein die Verkehrssicherheit gefährdendes Delikt handelt, wie

  • Geschwindigkeitsübertretungen,
  • Rotlichtverstöße,
  • Fahren unter Alkoholeinfluss,
  • Benutzung eines Mobiltelefons durch den Fahrer.

Der immer noch am häufigsten vorkommende Parkverstoß gehört nicht dazu.

Außerdem gilt eine Bagatellgrenze von 70 Euro.

 

Wichtig:

  • Bei der Berechnung der Bagatellgrenze werden nicht nur das Bußgeld sondern auch entstandene Verfahrens- und Verwaltungskosten eingerechnet, so dass die Bagatellgrenze schnell erreicht ist.
  • Eine Eintragung in Flensburg erfolgt bei Verstößen im Ausland grundsätzlich nicht. 

Sonderabkommen zwischen Deutschland und Österreich

Zu beachten ist darüber hinaus ein bestehendes Sonderabkommen zwischen Deutschland und Österreich. Hier können bereits Bußgelder ab einer Höhe von 25 Euro vollstreckt werden. Wichtig: Die Kommunikation zwischen deutschen und österreichischen, aber auch niederländischen Behörden läuft relativ reibungslos und führt deshalb häufiger als bei anderen EU-Staaten zu einer erfolgreichen Vollstreckung von Bußgeldbescheiden.

Erfolgreiche Vollstreckungen sind eher selten

Im übrigen ist die Erfolgsquote zur Erzwingung von Zahlungen eher gering. Dies liegt zum Teil auch daran, dass andere EU-Staaten häufig auf die Vollstreckung im Ausland verzichten. Grund hierfür dürfte sein, dass vollstreckte Bußgelder nicht dem ersuchenden Staat, sondern dem Staat zustehen, der die Vollstreckung durchführt. Wahrscheinlich ein Webfehler der Vereinbarung, der entsprechende Vollstreckungsversuche für den ersuchenden Staat ziemlich uninteressant macht.

Der „Ordre public“ verhindert nicht selten eine erfolgreiche Vollstreckung

Häufig scheitert die Vollstreckung auch an grundsätzlichen Konflikten der Rechtssysteme. So ist die Vollstreckung in Deutschland nur dann zulässig, wenn sie den Grundsätzen des deutschen Rechts nicht zuwiderläuft. Erforderlich ist in Deutschland unter anderem

  • die Anhörung des Betroffenen vor Verhängung des Bußgeldes, d.h. dem Betroffenen muss seitens der ausländischen Behörde zunächst ein in deutscher Sprache verfasster Anhörungsbogen übersandt werden,
  • der Delinquent muss in deutscher Sprache auf die Möglichkeit eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid hingewiesen werden,
  • der Delinquent muss über seine Zeugnisverweigerungs- und Datenschutzrechte belehrt werden und
  • der Bußgeldadressat muss der Fahrer sein, der den Verstoß eigenhändig begangen hat.

Die in vielen EU-Staaten geltende Halterhaftung gibt es in Deutschland nicht und ist mit deutschem Recht grundsätzlich nicht vereinbar. 

Bunter Flickenteppich Europa

Damit hat der Zahlungsverweigerer grundsätzlich keine schlechten Karten und oft ist die Zahlungsverweigerung auch finanziell durchaus verlockend, denn in anderen EU-Staaten sind Bußgelder im Vergleich zu den deutschen Regelungen oft überraschend hoch. Einige Beispiele verdeutlichen dies:

  • Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 km/h kostet in Frankreich 135 Euro, in Norwegen sogar 420 Euro,
  • wer in Frankreich 50 km/h zu schnell ist, zahlt 1.500 Euro,
  • Telefonitis mit dem Handy kostet am Steuer in den Niederlanden 230 Euro.
  • Ein einfacher Rotlichtverstoß schlägt in Griechenland mit 350 Euro zu Buche.

Im Gegenzug existieren aber mitunter auch unerwartete Erlaubnisregeln. So ist England das Pinkeln männlicher Autofahrer im Stau am rechten Hinterreifen des eigenen Fahrzeugs erlaubt. Obligatorisch hat der Fahrer dabei seine rechte Hand auf die Karosserie zu legen, um andere Verkehrsteilnehmer auf seine Absicht hinzuweisen und damit vor möglicherweise schockierenden Aussichten zu schützen.

Bei Nichtzahlung ist die Wiedereinreise ein Risiko

Trotz der guten Aussichten, an der Zahlung der Geldbuße vorbeizukommen, kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, die Geldbuße dennoch zu zahlen, insbesondere wenn der Betroffene vorhat, erneut in den betreffenden EU-Staat einzureisen. Die Verjährungsfrist für die Vollstreckbarkeit ist in den EU-Staaten unterschiedlich geregelt und liegt zwischen zwei und fünf Jahren. Wer innerhalb der Verjährungsfrist in den entsprechenden Staat einreist, tut dies nicht ohne Risiko. Wer dort im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder auch durch Überwachungskameras an den Grenzen (Niederlande) als Bußgeldadressat identifiziert wird, wird direkt vor Ort zur Kasse gebeten und riskiert die Beschlagnahme seines Fahrzeugs, falls er nicht zahlt.

In Italien ist dabei zusätzlich zu beachten, dass sich die Geldbuße verdoppelt, wenn der Bußgeldadressat mehr als 60 Tage mit der Zahlung in Verzug ist.

Rabatte für Schnellzahler

Ein aus deutscher Sicht vielleicht witziges Element des Bußgeldrechts ist in manchen Ländern der gewährte Rabatt für Delinquenten, die besonders schnell zahlen. Satte Rabatte gewähren vor allem Frankreich, Italien, Griechenland und Slowenien bei Zahlung innerhalb bestimmter Fristen.

  • Großbritannien gewährt sogar einen Rabatt von 50 % bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen,
  • Spanien gewährt  50 % Rabatt SOGAR bei Zahlung innerhalb von 20 Tagen

 Fazit: Trotz aller Harmonisierungsbemühungen sprechen die realen Verhältnisse dafür, dass die vielen unterschiedlichen Farben des europäischen Rechts weiter dafür sorgen werden, dass die Schlupflöcher für Delinquenten auch durch noch so detaillierte Regelungen nicht so schnell vollständig gestopft werden können. Dieses Ergebnis ist rechtspolitisch vielleicht nicht wünschenswert, aber irgendwie - je nach der Strenge des Blicks - auf eine sympathische Art beruhigend.

Siehe auch:

Das Verkehrsrecht auf den Straßen Europas

Fahrverbot droht auch bei kleinen Ordnungswidrigkeiten