Die katholische Kirche hat ihr Strafrecht verschärft

Der Vatikan hat eine grundlegende Reform des Kirchenstrafrechts beschlossen. Nicht nur der sexuelle Missbrauch, der Besitz und die Verbreitung von Pornographie, auch Vermögensdelikte werden künftig präziser geregelt und strenger geahndet.

Mehr als zwölf Jahre haben Bischofskonferenzen auf der ganzen Welt sowie die Kurie in Rom an der Reform des „Codex Iuris Canonici(CIC), den Regeln des Kirchenrechts einschließlich des Strafrechts, gearbeitet. Wesentlicher Anlass dürften die bekannt gewordenen Fälle von Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche gewesen sein.

Eigenes Strafrecht auch in anderen Religionsgemeinschaften

Ein eigenes Strafrecht ist den meisten Religionsgemeinschaften zu eigen. Der in der katholischen Kirche geltende CIC ist erstmalig im Jahr 1917 in Kraft getreten. Die zur Zeit geltende Fassung beruht auf einer Reform infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils und gilt seit dem Jahr 1983. Der CIC besitzt weltweite Gültigkeit. In den einzelnen Ländern sind die Bischöfe aber nicht daran gehindert, durch Spezialgesetze eigene, landesspezifische Akzente zu setzen.

Sexualdelikte werden neu eingeordnet und bewertet

Besonders starke Kritik waren in den vergangenen Jahren die innerkirchlichen Regeln zur Ahndung von Fällen sexuellen Missbrauchs ausgesetzt. Diese wurden im Kirchenstrafrecht bisher unter der Rubrik „Verstöße gegen die Zölibatspflicht“ geführt. Mit der Reform gehören der sexuelle Missbrauch sowie der Besitz und die Verbreitung pornographischer Schriften sowie die Nutzung pornographischer Internetseiten künftig zur Rubrik „Straftaten gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen“. Unter diesem Titel werden auch die Tötungsdelikte und das Vergehen der Abtreibung geführt.

Kein Opportunitätsprinzip mehr bei der Verfolgung sexuellen Missbrauchs

Eine wesentliche Neuerung ist, dass die Verfolgung erwiesener Vergehen sexuellen Missbrauchs nicht mehr im Ermessen der jeweiligen Vorgesetzten steht. Die Strafverfolgung ist in Zukunft - sowohl gegenüber Geistlichen als auch gegenüber den sonstigen Gläubigen - obligatorisch. Das bisherige Opportunitätsprinzip wurde in diesem Bereich komplett abgeschafft.

  • Bischöfe werden ausdrücklich rechtlich verpflichtet, Strafgesetze zum Wohle und zum Schutze der Menschen anzuwenden.
  • Bestraft wird deshalb künftig auch, wer eine Anzeige im Bereich des sexuellen Missbrauchs nicht weitergibt, obwohl ihn das kirchliche Recht dazu verpflichtet hätte.
  • Das gilt auch kirchenextern, d.h. Straftaten des sexuellen Missbrauchs müssen von den Verantwortlichen nicht nur den kirchlichen Stellen, sondern auch den staatlichen Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden.
  • Im Gegensatz zum weltlichen Strafrecht existiert mit Wirksamwerden der Reform für Delikte des sexuellen Missbrauchs kirchenrechtlich keine Verjährungsfrist mehr.

Neu ist auch die Unschuldsvermutung gegenüber Beschuldigten, die das Kirchenrecht bisher nicht kannte.

Strengere Ahndung von Vermögensdelikten

Mit der Reform werden auch die Zügel bei der Verwaltung von Kirchengütern angezogen. Auch in diesem Bereich ist die Kirche mit diversen Meldungen über spekulative Geschäfte in der Vergangenheit häufiger in die Schlagzeilen geraten. Wer bei der Verwaltung von Kirchengütern fahrlässig handelt, kann künftig auch zur Wiedergutmachung verpflichtet werden. Daneben wird ein erweiterter Korruptionsstraftatbestand eingeführt.

Frauenweihe unter Strafe

Auch Verstöße gegen innerkirchliche Regeln wurden in die Reform aufgenommen. So können künftig Priester oder Bischöfe bestraft werden,

  • die entgegen den kirchlichen Regeln den Versuch unternehmen, Frauen zu weihen
  • oder Sakramente an von deren Empfang ausgeschlossene Personen zu spenden.
  • Die verbotene Sakramentenspende gilt nur dann als Vergehen, wenn das Verbot zuvor durch ein kirchenrechtliches Urteil festgestellt wurde.

Die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen und Nicht-Katholiken zum Sakrament der Kommunion wird strafrechtlich nicht verfolgt, sondern wird lediglich als Verstoß gegen ein moralisch seelsorgerisches Gebot gewertet.

Welche Strafen kann die Kirche verhängen?

Die persönlichen Folgen für die Betroffenen bei Verstößen werden in der Öffentlichkeit häufig unterschätzt. Zwar steht das kirchliche Strafrecht nicht über dem weltlichen Strafrecht, sondern stellt lediglich eine zusätzliche Ahndungsmöglichkeit der Kirche für innerkirchliche Vergehen dar. Für Kirchenangehörige können vor allem die berufsrechtlichen Folgen aber dennoch einschneidend sein. Freiheitsstrafen kann die Kirche nicht verhängen, ihr steht jedoch die Verhängung von sogenannten „Beugestrafen“ oder „Sühnestrafen“ zur Verfügung:

  • Höchststrafe ist die Exkommunikation, d.h. der zeitweise Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft.
  • Unter den Sühnestrafen sind die Amtsenthebung und der Verlust der Priesterweihe, d.h. die Entfernung aus dem Klerikerstand die Höchststrafe für Geistliche. Diese Strafe ist künftig auch zur Ahndung sexuellen Missbrauchs möglich.
  • Daneben sind auch Geldstrafen und Gehaltskürzungen eine Option.
  • Sühnestrafen können zeitlich befristet oder dauerhaft verhängt werden.

Kritik kommt u.a. von den katholischen Frauenbewegungen

Die Reformbewegung „Maria 2.0, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche einsetzt, kritisiert die Reform und schließt sich der Stellungnahme des internationalen Netzwerks Catholic Women´s Council“ (CWC) an. Kernpunkt der Kritik:

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Auch Opferverbände üben Kritik

Opferverbände kritisieren, dass auch nach dem neuen Recht die Regelungen zu den Sexualstraftaten sehr pauschal formuliert seien. Die immer noch auftauchende pauschale Umschreibung der Sexualstraftaten als Vergehen gegen das sechste Gebot (du sollst nicht ehebrechen), erschwere die Verhängung differenzierter Strafen. Zwischen einfacher sexueller Belästigung und Vergewaltigung bestehe ein großer Unterschied, der in der Reform nicht berücksichtigt werde. Insgesamt wird die Reform von den Opferverbänden aber als deutlicher Fortschritt gewertet, wenn sie auch für viele in der Vergangenheit liegende Verbrechen zu spät kommt.

Die Reform tritt am 8.12.2021 in Kraft.

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