Die Amtsgerichte und die Pressefreiheit

Amtsrichter haben mit der Pressefreiheit gelegentlich ihre Probleme. Einige Fälle aus der jüngeren Rechtsgeschichte belegen, dass bissige oder harsche Kommentare in der Presse Amtsrichtern auffallend häufig ein Dorn im Auge sind. Oft muss ihnen die nächste Instanz den Blick zum Thema Pressefreiheit schärfen.

Furore machte jetzt ein Urteil des kleinen AG Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern. Im örtlichen Presseorgan „Nordkurier“ hatte ein Journalist von einer Beobachtung im Wald berichtet. Ein Waidmann hatte ein Reh erlegt und dieses bis zu seinem Jeep gezerrt. Er band die Hinterläufe des Tieres zusammen und verbannt das Seil mit der Anhängerkupplung seines Fahrzeugs. Auf diese Weise schleifte er das Tier über die Bundesstraße und verbrachte dieses so zu seinem Wohnsitz.

Großes Provinzkino um einen „Rabaukenjäger“

Der Journalist ließ es sich nicht nehmen, hieraus großes Provinzkino zu machen. In seinem Bericht bezeichnete er den Waidmann unter anderem als „Rabauken-Jäger“. Dies verletzte den in eigenen Angelegenheiten offensichtlich psychisch sensiblen Jäger sehr. Er erstattete Strafanzeige wegen Beleidigung und Verletzung seiner Ehre. Außerdem legte er Beschwerde beim Presserat ein.

Amtsrichterin greift hart durch

Die zuständige Amtsrichterin am Amtsgericht Pasewalk zeigte Verständnis für den psychisch empfindsamen und in seiner Ehre schwer getroffenen Jäger. Sie erklärte in der mündlichen Verhandlung, die extrem „pfeffrige und scharfe“ Berichterstattung sei durch das Geschehen nicht gerechtfertigt gewesen, auch nicht durch das hohe Gut der Pressefreiheit. Sie - die Richterin - wolle in der Presse schließlich auch nicht als Rabaukenrichterin bezeichnet werden. Bild und FAZ geißelten das Urteil darauf als einen ungerechtfertigten richterlichen Eingriff in die Pressefreiheit und kritisierten das Urteil scharf.

Das BVerfG unterstellt auch den Quellenschutz der Pressefreiheit

Aber nicht nur das AG Pasewalk hat Probleme mit der Pressefreiheit. Schlagzeilen machte der Fall des Journalisten Bruno Schirra. Dieser hatte vor einigen Jahren den weltweit gesuchten Terroristen Abu Mussab al Sarhawi als den gefährlichsten Mann der Welt bezeichnet und hierzu ein geheimes Dokument der deutschen Strafverfolgungsbehörden veröffentlicht. Weil der Journalist nicht bereit war, den Weg offen zu legen, wie er an das  Dokument gekommen war, verfügte das zuständige AG Potsdam die Durchsuchung der Presseräume.

Hiergegen verwahrte sich das betroffene Magazin „Cicero“ und zog bis zum BVerfG. Dieses bestätigte, dass die Durchsuchungsanordnung des AG rechtswidrig war und das AG den hohen Rang der Pressefreiheit als Grundlage jeder Demokratie missachtet hatte. Wenn Journalisten gezwungen seien, ihre Quellen preiszugeben - so die Verfassungsrichter - könne von einem freien Journalismus keine Rede mehr sein (BVerfG, Urteil v. 27.2.2007, 1 BvR 538/06).

Das AG Dresden zeigt wenig Verständnis für die freie Presse

Auch die freiberuflichen Journalisten Datt und Ginzel fanden beim Amtsgericht - diesmal in Dresden - keine Gnade, als sie über den so genannten „Sachsensumpf“ berichteten.

In dem Leipziger Bordell Jasmin, in dem besonders viele minderjährige Frauen tätig waren, sollten laut verschiedener Gerüchte einige hochrangige Richter als Kunden verkehrt haben. In einem Artikel, der am 28.8.2008 bei ZEIT ONLINE erschien, stellten die Journalisten diese Gerüchte dar und kritisierten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Sie stellten die Frage, ob womöglich der Richter, der einen Zuhälter später zu einer äußerst milden Strafe verurteilte, möglicherweise selbst Kunde in dem Bordell war.

Merkwürdige Ermittlungspannen

Eine der Bordell-Frauen sagte aus, sie habe diesen Richter auf einem Bild wieder erkannt. Weder das Bild noch ein Vermerk über diese Aussage waren anschließend in der Ermittlungsakte zu finden. Die Journalisten stellten die Frage, ob die Polizisten unter Druck geraten seien, weil der einflussreiche Richter Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie erhoben habe.

Der Richter des AG Dresden bewertete allein die Frage als ehrabschneidende Tatsachenbehauptung gegenüber den beiden Polizisten, die selbst aber nicht einmal auf Strafverfolgung bestanden, sondern allein deren Vorgesetzter. Das Urteil des AG lautete auf 2.500 Euro Geldstrafe gegen jeden der beiden Journalisten wegen übler Nachrede. (AG Dresden, Urteil v. 13.8.2010, 231 Cs 900 Js 28869/08). In 2. Instanz hob das LG das Urteil dann auf mit der Begründung, das AG habe die Reichweite der Pressefreiheit verkannt. Die Journalisten wurden freigesprochen (LG Dresden, Urteil v. 10. 12. 2012, 12 Ns 900 Js 28869/08).

Werbetrommel für den Nordkurier

Im aktuellen Fall des Rabaukenjägers will der Nordkurier daher ebenfalls das Urteil des AG nicht akzeptieren und hat hiergegen bereits Berufung eingelegt. In einer Kolumne hat der Chefredakteur nun das AG einer schweren Verletzung der Pressefreiheit bezichtigt und die Amtsrichterin als „Rabaukenrichterin“ bezeichnet.

Damit hat er den in der Verhandlung geäußerten Wunsch der Richterin rotzfrech ignoriert - ein Affront gegen die rechtsprechende Gewalt in Pasewalk, aber natürlich auch ein kräftiger Schub für den Bekanntheitsgrad des Nordkurier und damit auch ein kräftiger Anstoß der Werbetrommel. Jetzt hat das LG Neubrandenburg als zuständige Berufungsinstanz das letzte Wort.

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