
Nicht umsonst gibt es den Begriff des Dichterjuristen - von E. T. A. Hoffmann über Kafka bis Wedekind, Goethe nicht zu vergessen: Juristen dichteten gerne und manche Dichter richteten nebenbei, um nicht am Hungertuch des Poeten zu nagen. Noch heute lebt diese Tradition fort, führt aber manchmal in Niederungen.
Geschmacklich grenzwertig erscheint etwa der für einen Menschen doch sehr ernste Entzug der Freiheit durch einen Haftbefehl in Reimform. Aber auch hiervor hat ein Darmstädter Richter nicht Halt gemacht. Als der wegen Verstoßes gegen das BTMG Beschuldigte zu seiner richterlichen Anhörung nicht erschienen war, dichtete der Richter:
„Der Angeklagte macht Verdruss,
weil er nicht kommt, doch kommen muss.
Und weil er heut ist nicht gekommen,
wird in U-Haft er genommen.
Zu diesem Zwecke nehmen wir,
ein Stück Papier,
rot, DIN A4,
und sperren ihn dann sofort ein
ins Staatshotel zu Preungesheim (AG Darmstadt, Beschluss vom 04.05.2011, AZ nicht veröffentlicht).
Zoff im „Russen-Puff“
Eines der am aufsehenerregendsten Urteile aus dieser Rubrik ist ein Urteil des Arbeitsgerichts Detmold aus dem Jahr 2007 (AG Detmold, Urteil v 13. 08. 2007, 3 Ca 842/07). Die Klägerin war die ehemalige Aufseherin einer Glücksspielbar. Der Arbeitgeber hatte ihr gekündigt mit der Begründung, sie habe auf einem Barhocker vor Publikum mehrfach masturbiert. Der Kündigungsprozess endete durch einen Vergleich. Anschließend verklagte die Mitarbeiterin ihren ehemaligen Arbeitgeber auf Schmerzensgeld und Unterlassung seiner ehrenrührigen Masturbationsbehauptungen. Der Sachverhalt veranlasste den zuständigen Richter zu einer spöttischen Urteilsbegründung in Reimform. Hier einige Auszüge:
„Oft kamen dorthin manche Kunden
erst in den späten Abendstunden,
um sich – vielleicht vom Tagesstress
beim Spielen auszuruhen. Indes
behauptet nunmehr der Beklagte,
dass es die Klägerin dann wagte,
so neben ihren Aufsichtspflichten,
noch andere Dinge zu verrichten:
So habe sie sich nicht geniert
und auf dem Hocker masturbiert.
Was dabei auf den Hocker troff
befände sich im Hockerstoff.
Die Spielbar sei aus diesem Grunde
als Russen-Puff in aller Munde....
Auch wenn’s der Klägerin missfällt:
es gibt für sie kein Schmerzensgeld;
denn der Beklagte durfte hier
sich äußern, wie er`s tat. Dafür
gilt dies hier nur in dem Verfahren –
sonst darf er auch nichts offenbaren.
Er hat – um auf den Punkt zu kommen –
insoweit etwas wahrgenommen,
was der, der die Gesetze kennt
„berechtigtes Interesse“ nennt.“
In der juristischen Literatur wurde die Entscheidung des Arbeitsgerichts zum Teil mit süffisantem Verständnis kommentiert, von einigen aber auch hart angegriffen. Richtig ist, dass die Justiz auch mal eine humorvolle Seite zeigen darf, die Grenzen des guten Geschmacks sollte sie dabei aber nicht überschreiten. Dies gilt vor allem dann, wenn zu befürchten ist, dass die betroffenen Personen – wie hier die ehemalige Glücksspielangestellte – sich von der Justiz anschließend nicht ernst genommen fühlen.