- Finden und gefunden werden – wie "Aktive Suche" Einzug in die Personalabteilungen hält
- Selbstbewusste Generation Y - Nachwuchsjuristen stellen den Arbeitsmarkt auf den Kopf
- Schwierige Nachwuchsgewinnung in Kanzleien - auch Folge eines Generationskonflikts?
- Durch wertebasiertes Employer Branding langfristig juristischen Nachwuchs finden
- Der Fachkräftemangel ist auch bei den Juristen längst angekommen

Im Kampf um die Aufmerksamkeit von Top-Nachwuchs überbieten sich juristische Arbeitgeber seit einigen Jahren bei den Einstiegsgehältern: 100.000, 125.000 oder gar 140.000 Euro sind in der internationalen Großkanzlei keine Seltenheit mehr. Dafür winken 60 Wochenstunden ackern, das Kanzlei-iPhone verlangt ständige Erreichbarkeit. Doch reicht das noch, um die Millennials unter den Juristen für sich zu gewinnen?
Oft diskutiert: Die sinnsuchende Generation Y will einen Job der inspiriert, Impact schafft, flache Hierarchien fördert und eine gesunde Work-Life-Balance ermöglicht. Dass diese Ansprüche in der Arbeitsrealität von Juristen heute nur in den seltensten Fällen angekommen sind, zeigen die Ergebnisse einer Studie von TalentRocket – Karriereplattform für Juristen – deutlich. Im Zuge der Studie wurden Interviews mit rund 50 der wichtigsten juristischen Arbeitgeber in Deutschland geführt. Parallel dazu wurde das Nutzerverhalten der Website-Besucher über 5 Jahre hinweg analysiert, sowie zusätzlich Umfragen unter zukünftigen juristischen Arbeitnehmern geführt.
Arbeitsrealitäten driften auseinander
Die Studienergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Die Welten und Anforderungen von juristischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gehen immer weiter auseinander. Zwar hat ein Großteil der Kanzleien, Rechtsabteilungen und öffentlichen Einrichtungen heute massive Probleme dabei, juristische Mitarbeiter zu finden und zu halten. Auf die deutlich veränderten Wünsche und Anforderungen der Nachwuchsgeneration reagieren viele Arbeitgeber aber trotz allem nur schwerfällig.
Billable Hours statt Arbeitszeit
Beispiel Arbeitszeit: Ob Home-Office, Teilzeit oder Flexibilität am Arbeitsplatz – in der heutigen Kanzleiwelt sind diese Begriffe zwar schon lange keine Fremdworte mehr, die Umsetzung im realen Arbeitsalltag ist jedoch nach wie vor sehr mühsam. Bei aller Veränderung in der Anwaltschaft bleibt es die höchste Priorität, Mandantenanfragen in kürzester Zeit und auf hohem Niveau zu bearbeiten. Für die Arbeitsabläufe in Kanzleien sind flexiblere Arbeitsmodelle deshalb eine große Herausforderung.
Das Hauptproblem sind aber vor allem die sich im Arbeitsumfeld gewohnheitsmäßig etablierten hohen Arbeitszeiten. Denn “Arbeitszeit”, das ist in der Anwaltschaft ein per se schwer zu definierender Begriff. Was zählt sind "Billable Hours, Billable Hours, Billable Hours".
Insbesondere in größeren Kanzleien bedeutet „Teilzeit“ für die Mitarbeiter damit oft noch immer einen zeitlichen Aufwand, den man in anderen Branchen wohl als Vollzeit bezeichnen würde. Wie viel genau sind wohl 50 Prozent von einer undefinierten Vollzeit?
Selbstbewusst, fordernd, unfähig, illoyal!
Selbstbewusster und fordernder aber gleichzeitig auch weniger belastbar, konfliktfähig und strebsam. So nehmen juristische Arbeitgeber den Studienergebnissen von TalentRocket zufolge den Nachwuchs heute wahr. Damit spiegeln sie im Kern all jene Werte wider, die sich die Generation Y auch selbst auf die Fahne schreiben würde.
Von Arbeitgeberseite ist die Suche nach Nachwuchs heute oft gezeichnet von Unverständnis, Frustration und einer gewissen Sturheit, den Erwartungen der jungen Generation weiter entgegen zu kommen. Das Kernproblem, das den derzeitigen juristischen Arbeitsmarkt kennzeichnet, ist nicht in erster Linie ein organisatorisches. Nicht die schwer umzusetzenden Teilzeitmodelle, nicht die in der Arbeitsrealität problematischen Anpassungen hin zu flacheren Hierarchien sind die größte Hürde. Es ist schlicht ein Problem der konfligierenden Werte!
Ein Generationenkonflikt, bei dem juristische Arbeitgeber vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation gerade den Kürzeren ziehen.
Ist der juristische Nachwuchs schlechter ausgebildet?
Deutlich wird die oft nostalgische Perspektive von Arbeitgebern beispielsweise, wenn man die subjektive Einschätzung der an der Studie teilnehmenden Arbeitgeber zur Ausbildungsqualität des Nachwuchses betrachtet: Rund die Hälfte aller befragten Arbeitgeber schätzt die heutigen Bewerber als schlechter ausgebildet ein als vor 10 Jahren. Betrachtet man jedoch die aktuellsten vom Bundesamt für Justiz veröffentlichten Analysen über die Ergebnisse des zweiten Staatsexamens im zeitlichen Vergleich, so zeigt sich: Die Anzahl derer, die das zweite Examen mit der Note “Vollbefriedigend” abschließen ist zwischen 2007 und 2017 fast kontinuierlich gestiegen, von vormals 14,8 Prozent auf zuletzt 16,7 Prozent.
Warum ein Perspektivwechsel juristischer Arbeitgeber dringend nötig ist
Die Kernproblematik, mit der sich Arbeitgeber heute konfrontiert sehen, wird also nur umso offensichtlicher: Die juristische Nachwuchsgeneration ist nicht schlechter ausgebildet. Sie ist durch die sinkenden Absolventenzahlen und den gestiegenen internationalen Wettbewerb schlicht eines: Rar! Dadurch kann sie Anforderungen an den Jobmarkt stellen, welchen viele Arbeitgeber heute nur schwerfällig gerecht werden.
Nostalgisch an einem tradierten Arbeitsethos und unbeliebten Arbeitsabläufen festzuhalten, kann für den juristischen Arbeitsmarkt heute keine Option mehr sein. Vielmehr müssen sich Kanzleien und Unternehmen schleunigst auf einen Perspektivwechsel einlassen, die vielfältigen Vorzüge der Millennials – wie Internationalität und Technikaffinität – schätzen lernen und diese geschickt für sich nutzen. Nur so werden sie im internationalen Wettbewerb weiter bestehen können.
Vgl. auch: