Der "Stückel-Mörder-Fall" - trotz Mordmerkmal  nicht lebenslang?

Ein Rechtsfall von besonderer Grausamkeit, der in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen wird. Ein Kriminalhauptkommissar zerstückelt die Leiche eines 59-jährigen, um sich hierdurch sexuell zu stimulieren. Der BGH hat nun allerdings das Strafurteil des LG aufgehoben.

Extrem grausame und auch abartige Verbrechensarten kommen in der Realität immer wieder vor. Weltweit bekannt wurde der Fall des „Kannibalen von Rotenburg“, der schon als Jugendlicher davon träumte, sich eine fremde Person durch Aufessen einzuverleiben. Auch dem Kannibalen von Rotenburg diente diese Vorstellung zur sexuellen Luststimulation (BGH, Urteil vom 22.4.2005, 2 StR 310/04).

Kontakt über Kannibalen-Forum

Im jetzt anhängigen Fall hatte ein 59-jähriger Geschäftsmann im Netz im so genannten „Kannibalenforum“ seine Fantasien verbreitet. Dort hatte er den Kriminalhauptkommissar des LKA kennen gelernt und sich mit ihm über seine Wünsche und Fantasien ausgetauscht. Nachdem sich herausstellte, dass es dem 59 -jährigen Geschäftsmann mit seinen Wünschen nach Schlachtung, Zerlegung und anschließendem Verzehr ernst war, trafen sich die beiden und fassten den gemeinsamen Entschluss, diese Fantasien in die Tat umzusetzen.

Sexuelle Erregung durch Leichenzerstückelung

Wie sich die Sache dann weiter entwickelte, war für das LG Dresden klar. Die Kammer ging davon aus, dass der Kriminalhauptkommissar sein Opfer getötet und anschließend in kleine Stücke zerteilt hat. Diese Handlungen habe der Täter begangen, um sich hierdurch sexuell in einen besonderen Erregungszustand zu versetzen. Ein Video, das der Täter von den Handlungen aufgenommen hatte, war - anders als im Fall des Rotenburger Kannibalen - nicht mehr verfügbar, weil der Täter dieses gelöscht hatte.

(Selbst-)Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs?

Nach den getroffenen Feststellungen konnte das LG nicht umhin, den Kriminalhauptkommissar als Mörder zu bestrafen. Gemäß § 211 StGB ist Mörder u.a., wer zur Befriedigung des Geschlechtstriebs handelt oder einen anderen Menschen tötet in der Absicht, hierdurch eine andere Straftat zu ermöglichen. Beide Varianten sah das LG als erfüllt an. Die Störung der Totenruhe bewertete das Gericht als Straftat, die der Kommissar durch die Tötung ermöglichen wollte.

LG schreckte vor dem Verdikt „lebenslang“ zurück

Gemäß § 211 StGB wäre hiernach nur eine Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe möglich gewesen, da § 211 eine solche zwingend vorschreibt. Gleichwohl schreckte die Strafkammer vor einer Verurteilung zu einer lebenslangen Strafe zurück und verurteilte den Täter lediglich zu einer Freiheitsstrafe von 8 1/2 Jahren. Die Strafkammer störte offensichtlich der Umstand, dass das Opfer sich den Tod wünschte und um die Tötung gebeten hatte. Eine sogenannte Tötung auf Verlangen wird vom Gesetz aber grundsätzlich deutlich milder gewertet und gemäß § 216 StGB mit einer wesentlich geringeren Strafe von 6 Monaten bis 5 Jahre bedroht als ein Totschlag oder gar ein Mord.

Problem der Verhältnismäßigkeitsabwägung bei den Mordmerkmalen

In dieser Zwickmühle bezog sich das LG auf die Rechtsprechung des BGH zum heimtückischen Mord. Bezogen auf das Mordmerkmal Heimtücke hat der BGH eine besondere Abwägungskomponente eingeführt. Hiernach kann in besonderen Ausnahmefällen trotz Erfüllung des Mordmerkmals der Heimtücke von einer lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen werden, wenn diese im Verhältnis zum gesamten Tatgeschehen als unverhältnismäßig hart erscheint (BGH, Beschluss v. 19.5.1981, GSSt 1/81).

Diesen Grundsatz hat das LG Leipzig auf die Mordmerkmale „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ und „zur Ermöglichung einer Straftat“ ausgedehnt mit der Begründung, dass die Tötung in einem anderen Licht erscheine, wenn das Opfer den Tötungsakt selbst herbeigesehnt und ausdrücklich gewünscht habe.

Möglichkeit der Selbsttötung nicht widerlegt

Gegen das Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Revision eingelegt. Der BGH gab beiden Revisionsanträgen statt. Nach Auffassung des Senats ist es dem LG in seinem Urteil nicht gelungen, eine lückenlose Beweiskette hinsichtlich der Tötung des Opfers durch den Kriminalhauptkommissar aufzustellen.

Der Kommissar selbst hatte behauptet, das Opfer habe sich selbst stranguliert, bevor er es fachgerecht zerlegt hatte. Diese Möglichkeit der Selbsttötung durch das Opfer, hat das LG nach Auffassung des Senats nicht lückenlos und vor allem auch nicht widerspruchsfrei widerlegt.

Vom Freispruch bis zu lebenslang ist noch alles möglich

Andererseits vertritt der BGH aber offensichtlich die Auffassung - die vollständige Begründung des Urteils liegt noch nicht vor -, dass im Falle eines Nachweises der Tötung die vom LG angewandte Rechtsfolgenermäßigung nicht ohne weiteres auf andere Mordmerkmale als die Heimtücke übertragen werden könne. Der Vorsitzende Richter des entscheidenden Senats am BGH erklärte jedenfalls anlässlich der Urteilsverkündung, die Karten seien „völlig neu gemischt“. Damit ist gemeint, dass je nach dem Ergebnis der weiteren Sachaufklärung durch einen anderen Senat des LG Dresden sowohl ein Freispruch (im Falle der Nichtbeweisbarkeit der Fremdtötung) bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe jedes Ergebnis denkbar ist.

(BGH, Urteil v. 6.4.2016, 5 StR 504/15).

Die weitere Entwicklung des Verfahrens bleibt also spannend. Der Fall könnte übrigens auch Bundesjustizminister Heiko Maas zur Begründung seiner seit längerem geplanten Reform des Mordparagraphen dienen, mit der die zwingend lebenslange Freiheitsstrafe bei Mord relativiert werden soll.

Vgl. auch:

Die Reform des Mordparagraphen soll erfolgen, fraglich ist der Zeitpunkt

Suizid ist nicht strafbar, sind aber Erben nach einem "Schienensuizid" schadensersatzpflichtig?