Darf man beim Schadensersatz auf Kosten Dritte Geld verprassen?

Ein Luxusessen und ein Gläschen Champagner auf den ausgefallenen Flug als in Eigeninitiative gewählten Eigenversorgung nach der Fluggastrechte-VO oder ein schicker Ferrari als Mietwagen nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall – auch solche Bestandteile eines gepflegten Luxusleben können für die Justiz in Düsseldorf und Berlin Gegenstand berechtigter Schadensersatzansprüche sein.

Wer infolge eines Flugausfalls oder eines unverschuldeten Verkehrsunfalls außerplanmäßige Aufwendungen hat, kann die Kosten hierfür in der Regel vom Schadenersatzpflichtigen ersetzt verlangen. Im Rahmen der Schadensminderungspflicht erkennt die Rechtsprechung meist aber nur notwendige und angemessene Kosten an. Was angemessen ist, darüber kann die Meinung auch der Gerichte aber schon mal auseinandergehen.

Fluggäste ließen es sich nach der Flugannullierung gutgehen

In einem vom AG Düsseldorf entschiedenen Verfahren hatten die beiden Kläger für den 20.5.2018 einen Flug von Göteborg nach Düsseldorf gebucht. 2 Stunden vor dem für 20:45 Uhr angesetzten Abflug erhielten sie die Mitteilung, dass der Flug annulliert wurde. Vor der in Göteborg erforderlichen Hotelübernachtung (Kostenpunkt: 286,50 Euro), gönnten die Kläger sich den Besuch eines feinen Restaurants, verzehrten Speisen für knapp 160 Euro und wollten auch nicht auf feine Weine und Champagner für ca. 85 Euro verzichten.

Fluggastrechte-VO gibt Anspruch auf Betreuungsleistungen

Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 der VO (EG) 261/2004 (EU-Fluggastrechte-VO) gewährt im Fall der Annullierung eines Fluges über eine Entfernung von weniger als 1.500 km Fluggästen zunächst einen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro. Daneben gewährt Art. 9 Abs. 1 der Fluggastrechte-VO Fluggästen einen Anspruch auf Betreuungsleistungen.

Fluggesellschaft hat Betreuungsverpflichtungen nicht erfüllt

Der Verpflichtung zur Erbringung dieser Betreuungsleistungen in Form der Zurverfügungstellung einer Übernachtungsmöglichkeit sowie der Bereitstellung von Speisen und Getränken war die Fluggesellschaft nach Feststellung des AG nicht nachgekommen. Deren Erbringung sei gemäß § 275 Abs. 1 BGB am Folgetag mit Durchführung des Ersatzfluges unmöglich geworden. Demgemäß habe die Fluggesellschaft für die Kosten der in Eigeninitiative gewählten Eigenversorgung Ersatz zu leisten.

In Düsseldorf darf es auch mal ein Glas Champagner sein

Nach Auffassung des AG Düsseldorf ist die Angemessenheit der in Anspruch genommenen Leistungen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In Anbetracht der Enttäuschung über den kurzfristig abgesagten Flug bewertete das AG die von den Klägern verzehrten Speisen und Getränke als der Situation angemessen. Wörtlich heißt es in dem Urteil:

Es ist für das Amtsgericht Düsseldorf allgemein bekannt, dass zu einem gelungenen Essen nicht nur der Verzehr begleitender Biere und/oder Weine gehört, sondern darüber hinaus auch der Genuss von Champagner und Dessertwein, so das sich auch diese Kosten als angemessen erweisen“.

Dieser speziellen rheinländischen Betrachtungsweise von angemessenem Luxus ist nichts hinzuzufügen. Die Klage auf Erstattung der Kosten war in vollem Umfang erfolgreich

(AG Düsseldorf, Urteil vom 23.5.2019, 27 C 257/18). Darum ist es am Rhein so schön.

Ferrari als Ersatzfahrzeug angemietet

Doch nicht nur im rheinischen Düsseldorf haben die Gerichte ein Faible für Luxus. Auch mit den Urteilen des dem KG Berlin lässt sich's leben. In dem vom KG entschiedenen Fall musste das Fahrzeug eines Unfallgeschädigten, ein Rolls-Royce Ghost, für mehrere Tage in die Werkstatt. Als Ersatzfahrzeug mietete der Geschädigte ein Luxus-Sport-Cabrio Ferrari California T an. Die Mietwagenkosten beliefen sich für zehn Tage auf etwas über 10.000 Euro ohne MWSt. Die Anmietung eines Luxus-Cabrios rügte die Unfallversicherung im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots und der Schadensminderungspflicht als völlig unangemessen und zahlte unter Berufung auf die Fraunhofer Mietwagenklasse 10 lediglich 1.124,34 Euro.

KG bewertet Luxus-Cabrio als angemessen

Das KG Berlin sah dies anders. Die Anmietung eines Luxus-Cabrios war nach Auffassung des KG nicht zu beanstanden. Im Rahmen eines Schadensersatzanspruches gemäß § 249 Abs. 1 BGB sei zwar grundsätzlich das Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen, d.h. der Geschädigte dürfe höchstens ein dem beschädigten Fahrzeug wirtschaftlich gleichwertiges Fahrzeug anmieten. Nach Auffassung des KG hat sich der Geschädigte aber genau daran gehalten.

Das beschädigte Fahrzeug Rolls-Royce Ghost weise einen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aktuellen Verkaufspreis von ca. 250.000 Euro auf, der als Ersatzfahrzeug angemietete Ferrari koste demgegenüber nur 190.000 Euro. Mit der Anmietung eines im Vergleich zum Rolls-Royce deutlich preiswerteren Fahrzeuges habe der Kläger dem Wirtschaftlichkeitsgebot Genüge getan.

Tagessatz von 1.200 Euro brutto für Ferrari ist o. k.

Schließlich schied nach Auffassung des KG eine Orientierung sowohl an der Fraunhofer-Liste als auch an der Schwacke-Liste aus, da derartige Luxusfahrzeuge dort nicht gelistet sind. Der von der Mietwagenfirma in Rechnung gestellte Tagessatz für den Ferrari in Höhe von 1.200 Euro brutto ist nach den Feststellungen des KG marktüblich und daher nicht zu beanstanden. Die für 10 Tage Nutzungsausfall in Rechnung gestellten Kosten waren daher von der Unfallversicherung zu ersetzen (KG Berlin, Urteil v. 11. Juli 2019,22 U 160/17).

Kein Luxusshopping bei Armani wegen verspätetem Reisekoffer

Nicht alle Gerichte sind so luxusaffin wie die in Düsseldorf und Berlin. So hat das AG Frankfurt einem Fluggast, dessen Reisegepäck mit einem Tag Verspätung am Zielort Malta eingetroffen war, den Ersatz der Kosten für eine Luxus-Shopping-Tour in einem Modegeschäft der Marke Armani verweigert. Den von Armani aufgerufenen Preis für einen Boxershort in Höhe von 95 Euro sowie einige weitere Kleidungsstücke von deutlich über 1.000 Euro bewertete das AG als Überbrückungseinkauf für einen Tag bis zur Ankunft des eigenen Koffers als nicht angemessen und daher als nicht erstattungsfähig (AG Frankfurt, Urteil v.1.6.2017, 30 C 570/17).

Fazit: Die Ansichten der Gerichte zur Angemessenheit von Luxusgütern im Rahmen von Schadenersatzansprüchen können regional deutlich divergieren. Auch in Düsseldorf und Berlin sollten Geschädigte sich aber besser nicht darauf verlassen, dass jeder Luxus ersetzt wird.

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