Darf ein Satiriker eine AfD-Politikerin „Nazi-Schlampe“ nennen?

Der Satiriker Christian Ehring hatte in der Satire-Sendung „extra 3“ am 27.4.2017 die AfD-Politikerin Dr. Alice Weidel als „Nazi-Schlampe“ bezeichnet. Das LG Hamburg hat den dagegen eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil sie selbst ausdrücklich forderte, die politische Korrektheit als Müll zu behandeln.

Der NDR verweigerte die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, wie von den Anwälten der betroffenen Politikerin gefordert. Weidel zog daher vor Gericht. Das LG sah in der Titulierung der Politikerin keine unzulässige Beleidigung.

Grund: Mit seinem Beitrag knüpfte der Satiriker Ehring an eine kurz zuvor gehaltene Rede der Poltikerin Weidel auf dem Parteitag der AfD an.

Politikerin will politische Korrektheit auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen

 In ihrer Rede führte die Politikerin wörtlich aus:

 „Es muss endlich Schluss damit sein, dass diejenigen, die auf Missstände in unserem Land hinweisen, härter bekämpft werden als die Missstände selbst. Und wir werden uns als Demokraten und Patrioten trotz dessen nicht den Mund verbieten lassen. Denn die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“.

Lasst uns alle unkorrekt sein!

In der Sendung des Satirikers war zunächst dieser Teil der Rede zu sehen und zu hören. Unmittelbar im Anschluss daran gab der Moderator der Politikerin Weidel in einem bissigen Kommentar scheinbar recht und äußerte:

 „Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das unkorrekt genug? Ich hoffe!“

„Nazi-Schlampe“ als Folge sachlicher Auseinandersetzung

In seiner Entscheidung sah das LG sich zunächst veranlasst, eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Satirikers und dem Persönlichkeitsrecht der AfD-Politikerin vorzunehmen.

  • Dabei ist nach Auffassung des LG die konkrete Präsentation der Aussage des Satirikers
  • und der Zusammenhang mit der kurz zuvor gehaltenen Rede auf dem Parteitag der AfD Rechnung zu tragen,
  • in der die Politikerin selbst ausdrücklich forderte, die politische Korrektheit als Müll zu behandeln.

Trotz krass überspitztem Kommentar sachliche Auseinandersetzung

Vor diesem Hintergrund stand bei dem krass überspitzten Kommentar des Satirikers nach Auffassung des Gerichts nicht die persönliche Diffamierung der Politikerin im Vordergrund, sondern die sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt ihrer Rede.

Der Satiriker habe kommentierend in überspitzter Form durch die Verwendung des Begriffs „Nazi-Schlampe“ dem Publikum zeigen wollen, welche Folgen es hat, wenn politische Korrektheit dem Müll übergeben wird.

 

Eine Politikerin muss Überspitzungen aushalten

Das LG betonte, dass die Antragstellerin als Spitzenpolitikerin ihrer Partei im besonderen Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Als solche müsse sie sich auch überspitzte Kritik gefallen lassen. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Wortwahl „Nazi-Schlampe“ in erkennbar unmittelbarem sachlichem Zusammenhang mit der Rede der Politikerin bei dem unbefangenen Zuschauer nicht den Eindruck hervorrufe, die Politikerin stehe inhaltlich in der Realität hinter dem Leitbild des Nationalsozialismus.

Der Zuschauer erkenne ohne weiteres, dass der Begriff „Nazi“ in diesem Zusammenhang als Übertreibung gemeint sei.

Schlampe nicht zwingend sexuell gemeint

Ebenso wenig hat der Satiriker nach Auffassung des Gerichts die   Bezeichnung „Schlampe“ in einen sexuellen Kontext gestellt. Es könne dahinstehen, ob die Bezeichnung „Schlampe stets eine sexuelle Konnotation habe.

Ehring habe erkennbar die Bezeichnung „Schlampe“ nicht im Sinne einer sexuellen Herabwürdigung der Politikerin gewählt, sondern lediglich als Abkehr von jeglicher politischer Korrektheit im Sinne der von ihr gehaltenen Rede.

 

Würde der AfD-Politikerin wurde nicht im Kern verletzt

Das Gericht konnte auch nicht erkennen, dass durch die beanstandete Bezeichnung die Sicherheitsinteressen der Politikerin - wie von ihr behauptet - berührt seien. Zusammenfassend stellte der Senat fest, dass eine persönlichkeitsverletzende Beleidigung in einem solchen satirischen Zusammenhang nur dann anzunehmen sei, wenn die von ihrer satirischen Umkleidung freigelegte Aussage die Würde des Betroffenen in ihrem Kernbereich verletze. Dies sei vorliegend nicht gegeben.

Das letzte Wort dürfte das Hanseatische OLG haben

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Politikerin hat bereits die Einlegung einer Beschwerde angekündigt, über die das Hanseatische OLG zu entscheiden haben wird.

(LG Hamburg, Beschluss v. 11.5.2017, 324 O 217/17).

„Nazi-Schlampe“ nicht zur allgemeinen Verwendung freigegeben

Die Entscheidung bedeutet im Ergebnis natürlich keine allgemeine Freigabe des Begriffs „Nazi-Schlampe“. Das Ergebnis ist vielmehr in einem engen Kontext mit der zuvor gehaltenen Rede der Politikerin zu sehen. Abgesehen davon ist die Bezeichnung einer Person als „Nazi-Schlampe“ auch weiterhin als Formalbeleidigung gemäß § 185 StGB rechtlich unzulässig. Die Hamburger Entscheidung zeigt, wie schillernd und differenziert die Farben des Rechts je nach ihrem konkreten Kontext sein können.

 

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Hintergrund:

Bereits mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung von Satire- und Pressefreiheit betont und diesen Rechten nicht selten den Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eingeräumt (BverfG, Urteil v. 9.3.2010, 1 BvR 1891/05).

Auch der BGH hat mehrfach einen ausgeprägten Sinn für die Kunstfreiheit und die zugespitzte Darstellung von Satire bewiesen (BGH, Urteile v. 10.1.2017, VI ZR 561/15 u. 562/15).

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