Colours of law: Zum Verbot religiöser Kopfbedeckungen

Immer stärker wendet sich die europäische Obrigkeit gegen (religiöse) Kopfbedeckungen. Mal wird das Kopftuch in der (französichen) Öffentlichkeit ganz verboten und das vom EGMR mit einem Gebot der Erkennbarkeit des Gesichts im öffentlichen Raum abgesegnet. Mal muss der Sikh seinen Turban zwecks Erfüllung der Helmpflicht abnehmen, ehe er auf sein Motorrad darf.

Toleranz in Kleiderfragen und bei Kopfbedeckungen ist seit jeher ein Thema, hier sei nur an die Geburt des Mini- und Maxi-Rocks erinnert und die "Pilzköpfe" der Beatles und ihrer Fans. In letzten Jahren ist modisch praktisch alles erlaubt, solange noch Stoff vorhanden ist - Argwohn und Skepsis haben sich eher in Richtung religiöser Kleidung verlagert. Das schlägt sich auch in der Rechtsprechung nieder. Nicht zu leugen ist, dass gelegentlich Sicherheitserwägungen gegen die Verhüllung von Kopf oder Gesicht sprechen - etwa im Straßenverkehr.

In Verschleierung und mit Turban im Straßenverkehr unterwegs?

Burka und Nikab geben lediglich einen Sehschlitz für die Augen frei. Bei der Burka ist selbst der Sehschlitz je nach Ausführung noch mit einem Gitter versehen. Ist es mit diesen Kleidungsstücken möglich, ein Auto sicher durch den Straßenverkehr zu führen? Probleme haben auch  Angehörige der Religion der indischen Sikh. Diese Religion gebietet ihren Mitgliedern das Tragen eines Turbans, was mit der Helmpflicht nur schwer in Einklang zu bringen ist. Setzt sich in solchen Fällen die Religionsfreiheit durch oder geht die Sicherheit des Straßenverkehrs vor?  Die Zahl gerichtlicher Entscheidungen zu diesen Fragen ist bisher sehr überschaubar. Offensichtlich wird das Problem in der Praxis im Straßenverkehr nur selten virulent. Gemäß § 1 StVO hat jeder Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr sich so zu verhalten, dass die Sicherheit anderer nicht gefährdet wird. Hierauf weist das Bundesverkehrsministerium hin, hält sich jedoch bei der Bewertung einzelner Bekleidungsstücke selbst bedeckt.

Eine Anfrage seitens der Internetplattform „DERWESTEN“ wurde im November 2014 dahingehend beschieden, dass jeder Straßenverkehrsteilnehmer eigenverantwortlich dafür zu sorgen habe, dass weder Sicht noch Gehör bei der Teilnahme am Straßenverkehr eingeschränkt werden. Ein Straßenverkehrsnorm zur religiösen Kopfbedeckung gibt es als in Deutschland nicht.

Kopftuch-Kontrolle im Straßenverkehr?

In der Praxis sieht man. obwohl im Islam das Thema kritisch gesehen wird und den Frauen in Saudi-Arabien das Autofahren weiterhin untersagt ist, häufig kopftuchtragende Autofahrerinnen. Es gibt natürlich auch autofahrende Nonnen. Autofahrerinnen mit Nikab oder Burka kommen dagegen praktisch nicht vor.

In Nordrhein-Westfalen meldete die Polizei bei Kontrollen bisher keine größeren Probleme. Auch ein Abgleich mit dem Lichtbild im Führerschein ist bei Kopftuchträgerinnen in der Regel problemlos möglich. In der Praxis weigern sich bei Kontrollen Frauen selten, zum Zwecke der Feststellung ihrer Identität, ihre Verschleierung zu lüften. Im Konfliktfall wird die Identifikation von Beamtinnen vorgenommen. Auch die Identifikation von Fahrzeugführerinnen auf „Blitzerfotos“ – z.B. nach Geschwindigkeitsüberschreitungen - hat bisher zu wenig Problemen geführt.

Die französischen Nachbarn sind weniger zimperlich

In Frankreich taucht das Problem nicht auf bzw. wurde es ganz grundsätzlich und brachial gelöst. Im Jahr 2011 wurde die „Verhüllung des Gesichts im öffentlichen Raum“ komplett untersagt. Ein Verstoß zieht ein Bußgeld von 150 Euro nach sich und führt zu einer Verpflichtung der Teilnahme an einem Staatsbürgerkundekurs.

EGMR gibt Verschleierungsverbot seinen Segen

Zur Überraschung vieler Beobachter hat der EGMR das Verschleierungsverbot abgesegnet. Der EGMR begründete die Entscheidung im wesentlichen damit, dass das Verbot sich nicht allein gegen eine Verschleierung aus religiösen Gründen richte, sondern gegen eine Verschleierung im öffentlichen Raum überhaupt.

Der Staat habe das Recht, Mindestanforderungen an das gesellschaftliche Zusammenleben zu stellen. Dazu gehört nach Auffassung des EGMR auch die Erkennbarkeit des Gesichts im öffentlichen Raum (EGMR, Urteil v. 1.7.2014, RS 43835/11). In einem zweiten Urteil billigte der EGMR das französische Kopftuchverbot nun für eine Muslima, die ihr Tuch als Angestellte in einem Krankenhaus nicht ablegen wollte.

Turban runter, Motorradhelm auf

Auf die Verkehrssicherheit setzt ein Urteil des VG Freiburg. Das Gericht hat die Klage eines Angehörigen der Sikh-Religion auf Befreiung von der Helmpflicht beim Motorradfahren abgewiesen. Das VG begründete das Urteil sehr ausführlich und ging auf die religiösen Grundsätze der Sikh ein.

Schon bei der Taufe müsse der Sikh einen Eid leisten, dass er sich nach dem Vorbild des religiösen Führers bis zum Lebensende nicht mehr die Haare schneidet, die Haare bedeckt und mit einem Turban schmückt. Auf diese Weise zeige der Sikh Respekt vor der Schöpfung und bilde auch äußerlich eine Einheit mit seinem Guru.

Respekt vor der Schöpfung nicht tangiert

Auch ein Sikh nehme aber situationsbedingt seine Kopfbedeckung ab, zum Beispiel beim Schlafen. Vor diesem Hintergrund wird nach Auffassung des Gerichts der Respekt vor der Schöpfung auch nicht tangiert, wenn aus Sicherheitsgründen der Turban bei bestimmten Verrichtungen im Straßenverkehr abgenommen werden müsse.

Auch unter dem Helm bleiben die Haare bedeckt

Dieser Eingriff in die Religionsfreiheit sei auch nicht sehr gravierend, da er nur den Zeitraum des Motorradfahrens betreffe und die Haare im übrigen auch durch den Helm bedeckt blieben. Überdies wies das Gericht darauf hin, dass die Helmpflicht nicht nur den Schutz des Motorradfahrers selbst bezwecke, sondern auch den Schutz der Allgemeinheit vor den Belastungen, die dadurch entstehen, dass bei Motorradunfällen ohne Helm besonders schwere Kopfverletzungen mit entsprechenden kostenintensiven Behandlungen zu befürchten seien. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das VG die Berufung zum VGH Baden-Württemberg aber ausdrücklich zugelassen (VG Freiburg, Urteil v. 29.10.2015, 6 K 2929/14).

Verkehrssicherheit, Religionsfreiheit und das Grundgesetz

Verkehrssicherheit ist ein Aspekt, Toleranz ein anderer. Mittlerweile hat die CSU auf ihrem Parteitag dafür gestimmt, das Tragen von Burka und Niqab in der Öffentlichkeit zu verbieten. Eine Vollverschleierung stehe nicht für kulturelle Vielfalt in Deutschland, sondern sei „eher Ausdruck eines fehlenden Integrationswillens und einer fehlenden vorbehaltlosen Akzeptanz unserer Rechts- und Werteordnung“. Merke aber auch:

"Intoleranz und Diskriminierung sind Gefahren für den Zusammenhalt pluraler und demokratischer Gesellschaften. Sie zeigen an, inwieweit die Mehrheit bereit ist, soziale, ethnische, kulturelle und religiöse Minderheiten und vermeintlich ,Andere‘ oder ‚Fremde‘ als gleichberechtigte Mitglieder zu akzeptieren."

Aus: Die Abwertung der Anderen: eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung  Andreas Zick ; Beate Küpper ; Andreas Hövermann ( Friedrich-Ebert-Stiftung).

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