Colours of law: Wespenstich als Dienstunfall?

Nach der extremen Wespenplage des gerade vergangenen Sommers lässt ein Urteil des VG Gelsenkirchen aufhorchen, wonach ein erlittener Wespenstich während der Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit ein Dienstunfall sein kann. Eine dienstbedingte Stich-Gefährdungserhöhung im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ist für einen Dienstunfall übrigens nicht erforderlich.  

Besonders in den letzten Wochen des zu Ende gegangenen Sommers stellten sich fast überall in Deutschland Wespen als eine besonders lästige Plage heraus. Ob privat als Gast auf der Terrasse eines Cafés oder als Angestellter tätig an Süßwaren- oder sonstigen Essensständen - Wespen unterscheiden nicht zwischen dienstlich und privat  - sie stechen einfach zu. Für manchen während seiner Arbeitszeit hiervon Betroffenen ist daher die Frage interessant, ob ein Wespenstich grundsätzlich als Dienstunfall oder ggfs. Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Eine Antwort hierzu könnte eine Entscheidung des VG Gelsenkirchen liefern.

Wespenangriff auf einen Bahnbeamten

Die bittere Erfahrung eines unverhofften heftigen Wespenstichs musste im August 2015 ein Bahnbeamter machen, der auf dem Bahnhof Essen als Kundendienstservicemanager eingesetzt war.

  • Im Anschluss an eine Zugfahrt bat ein gehbehinderter Reisender mit Rollator den Bahnbeamten, ihm vom Bahnsteig hinunter auf die Hauptebene des Bahnhofs zu helfen.
  • Aufgrund dieser Bitte beabsichtigte der Bahnbeamte den Lastenaufzug für den Transport des Koffers des Bahnreisenden in Betrieb zu nehmen.
  • Hierzu war ein besonderer Schlüssel erforderlich, den der Beamte aus seiner Hosentasche nehmen wollte.
  • Unbemerkt hatte sich dort eine Wespe eingenistet. Beim Griff in die Tasche geschah was geschehen musste - die Wespe stach kräftig zu

Beamter beantragte Anerkennung des Wespenstichs als Dienstunfall

Der Beamte erlitt hierdurch einen allergischen Schock und musste mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus transportiert und dort behandelt werden. Vor diesem Hintergrund stellte der Beamte bei seinem Dienstherrn den Antrag, den Vorfall als Dienstunfall anzuerkennen.

Deutsche Bahn lehnt ab, Arbeit im Außenbereich reicht für Gefahrerhöhung nicht 

Wie schon so macher Reisende, hatte auch er sich zu viel von der Deutschen Bahn erhofft. Sie lehnte die Anerkennung als Dienstunfall ab mit der Begründung

  • ein Wespenstich sei seinem Wesen nach keine typische Folge der Dienstausübung des Beamten,
  • vielmehr könne ein Wespenstich jeden treffen, ganz gleich ob privat oder dienstlich.
  • Damit habe sich mit dem Wespenstich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht,
  • das keinen spezifischen Zusammenhang zur Dienstausübung aufweise.

Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Beamte im Außenbereich tätig gewesen und hierdurch das Risiko, einen Wespenstich zu erleiden, gegenüber einer Tätigkeit im Innenbereich leicht erhöht gewesen sei. Eine in diesem Sinne relevante Gefahrenerhöhung sei dann gegeben, wenn ein Bahnbediensteter beispielsweise mit Arbeiten in einem Gestrüpp im Gleisbereich beauftragt sei und hierbei auf ein Wespennest stoße. Einer solchen dienstlich relevanten Gefahrerhöhung sei der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar.

Körperliche Integrität des Beamten durch Wespenstich beeinträchtigt

Diese strenge Auffassung teilte das vom Bahnbeamten angerufene Verwaltungsgericht nicht und verwies auf die Legaldefinition des § 31 Abs. 1 Satz 1  BeamtVG, wonach ein Dienstausfall immer dann anzunehmen sei,

wenn ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzlich, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis in Ausübung des Dienst eintrete.

Nach Auffassung des VG erfüllt ein Wespenstich diese gesetzlichen Voraussetzungen.

  • Der physische und psychische Zustand des Beamten sei durch den Stich ungünstig verändert worden.
  • Auf die Schwere des durch das Ereignis verursachten Körperschadens komme es dabei nicht an.
  • Aus medizinischer Sicht besitze der durch einen Wespenstich verursachte Körperschaden Krankheitswert, da das durch den Stachel der Wespe in die Haut eingeführte giftige Sekret eine Rötung, Schwellung sowie Schmerzen erzeuge.
  • Hierdurch sei die körperliche Integrität des Beamten nicht nur unwesentlich beeinträchtigt worden.

Wespenstich in Ausübung des Dienstes erlitten

Der Wespenstich ist nach Auffassung des VG auch in Ausübung des Dienstes im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG eingetreten,

  • da sich der Unfall innerhalb des vom Dienstherrn beherrschten räumlichen Risikobereichs (räumliche Abgrenzung) ereignet habe und
  • zeitlich während der Dienstausübung (zeitliche Abgrenzung) erfolgt sei.
  • Der Beamte habe mit seiner Hilfeleistung gegenüber dem Bahngast auch im Rahmen seines dienstlichen Aufgabenbereichs (funktionale Abgrenzung) gehandelt,
  • so dass sich mit dem Wespenstich während der Dienstzeit im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn ein dienstliches Risiko realisiert habe.
  • Eine dienstbedingte Gefährdungserhöhung im Vergleich zur übrigen Bevölkerung setzte der Begriff des Dienstunfalls entgegen der Auffassung der Beklagten im übrigen nicht voraus (BVerwG, Urteil v. 25.2.2010, 2 C 81.08).

Wespenstich als Dienstunfall anerkannt

Im Ergebnis hatte die Klage des Bahnbeamten damit Erfolg. Die Bundesbahn musste den erlittenen Wespenstich als Dienstunfall anerkennen.

(VG Gelsenkirchen, Urteil v. 12.1.2017, 12 K 683/16).

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