Colours of law: wenn sich Rechtshüter verrennen

Gelegentlich begeben sich Gesetzeshüter oder die Rechtspflege auf Irrwege: mit Polizisten, die zwei Handbremsen für Einarmige fordern, wenn Behörden die friedenstiftende Funktion von nächtlichem Dönergenuss nicht kennen und wenn ein Rechtsanwalt Halbtagsrichterinnen verunglimpft.

 Mitunter müssen Juristen sich mit Problemen beschäftigen, die für Normalsterbliche gar keine sind oder deren Lösung für den juristischen Laien unmittelbar auf der Hand liegt. Was zunächst klar zu sein scheint, kann juristisch aber durchaus ein Problem sein.

 Einarmiger muss Bußgeld wegen fehlender 2. Handbremse zahlen

Benötigt ein Einarmiger am Fahrrad unbedingt eine zweite Handbremse? Nach Meinung mancher Polizisten offensichtlich ja. In Köln geriet ein einarmiger Radfahrer in einer Polizeikontrolle. Der Polizist bemängelte das Fehlen der zweiten Handbremse an seinem Fahrrad.

Der Hinweis des Radfahrers, aufgrund des fehlenden 2. Armes könne er eine zweite Handbremse grundsätzlich nicht nutzen, ließen die Beamten nicht gelten. Sie verwiesen auf die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, die keine Ausnahmen für Einarmige vorsehe. Auch die Hinweise des einarmigen Radfahrers, sein Fahrrad verfüge eine Rücktrittbremse, wegen des fehlenden rechten Armes habe er die Handbremse extra auf die linke Seite umbauen lassen, überzeugte die Polizisten nicht. Sie verhängten eine Geldbuße von 25 Euro.

Juristenstab prüft Erfordernis einer 2. Handbremse für Einarmige

Der einarmige Fahrradfahrer wollte die Schmach nicht auf sich sitzen lassen. Er informierte die Presse, worauf insbesondere der Kölner Stadtanzeiger sich ausführlich dem Geschehen widmete und süffisant das sinnvolle Handeln der Polizei in Köln herausstellte. Dort beschäftigten sich daraufhin die Juristen mit dem Fall. Es wurde die Rechtslage eingehend geprüft. Die Fachjuristen kamen zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die Forderung nach einer zusätzlichen rechts angebrachten Handbremse angesichts des fehlenden rechten Armes unsinnig sei und daher von Rechts wegen nicht verlangt werden könne. Das Bußgeld sei daher zu Unrecht verhängt worden. Die Kölner Polizeibehörde entschuldigte sich in aller Form bei dem Fahrradfahrer für die unsinnige Behandlung und teilte auf ihrer Facebook-Seite mit: „Nach Prüfung der Rechtslage wurde festgestellt, dass dieses Verwarnungsgeld zu Unrecht erhoben wurde. Das gezahlte Verwarnungsgeld wird dem Radfahrer erstattet.“

Die soziale Funktion des nächtlichen Döner

Ob es zur Ehrenrettung der Kölner Polizei gereicht, dass andernorts ebenfalls juristisch merkwürdige Vorgänge zu verzeichnen sind, mag dahinstehen. So hatte die Stadt Augsburg sich vor einiger Zeit einen „Dönerkrieg“ mit einigen Besitzern von Dönerimbissen in der Stadt geliefert.

Die städtische Ordnungsbehörde störte es, dass Kneipen- und Discobesucher sich zum nächtlichen Abschluss häufig noch einen Döner genehmigten. Der nächtliche Dönergenuss führe zu asozialem Verhalten. Der nächtlich verursachte Müll sei nicht hinzunehmen. Von dem Argument, tagsüber verursache der Verzehr von Döner die gleiche Müllmenge überzeugte die Stadt nicht, es seien ja auch dernächtliche Lärm und mögliche Tätlichkeiten der Nachtesser zu berücksichtigen. Erst als Juristen auf wissenschaftliche Studien aus dem angelsächsischen Raum hinwiesen, wonach der nächtliche Dönergenuss aggressionshemmend und beruhigend wirke, gab die Stadt nach und genehmigte den nächtlichen Betrieb der Dönerimbisse.

Sex nur mit Zimmerlautstärke erlaubt

In einem Mehrfamilienhaus hatten sich Mieter über ihre Nachbarn beklagt. Diese hätten in der Nacht häufig dermaßen laut Sex, dass ein Weiterschlafen unmöglich sei. Das von den Nachbarn angerufene Amtsgericht gab dem Antrag auf Unterlassung der Geräuschbelästigung statt. Das AG  betonte, dass die freie Ausübung der Sexualität grundrechtlich geschützt werde und zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehöre. Hierbei sei jedoch Rücksicht auf die Belange der Nachbarn zu nehmen. Die Erzeugung von Geräuschen oberhalb der Zimmerlautstärke sei während der Nachtstunden zu unterlassen. (AG Warendorf, Urteil v. 19.8.1997, 5 C 414/97).

Halbtagsrichterin haben nur ihre Kinder und ihre Familie im Kopf

In Frankfurt vertrat ein Rechtsanwalt den Besitzer einer Frankfurter Diskothek, gegen den ein Räumungsverfahren lief. Die zuständige Richterin hatte eine Halbtagsstelle inne und zeigte Verständnis für die Beschwerden hinsichtlich des durch die Diskothek verursachten Lärms. Darauf formulierte der Rechtsanwalt einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin, den er unter anderem damit begründet, dass Halbtagsrichterinnen nur ihre Kinder und Familie im Kopf hätten und auf diese Weise von zu Hause aus häufig eine Menge rechtlichen Unfug anrichteten. Der Präsident des LG erstattete Strafanzeige, worauf die StA einen Strafbefehl gegen den Anwalt über einen Betrag in Höhe von 6.000 EUR erwirkte. Hiergegen hatte der Anwalt Einspruch eingelegt und fand einen verständnisvollen Richter. Dieser war zwar der Auffassung, dass die Äußerung des Anwalts der Tätigkeit von Halbtagsrichterinnen nicht gerecht werde. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Anwalt die berechtigten Interessen seines Mandanten wahrgenommen habe. In solchen Fällen seien starke Worte vor Gericht erlaubt. Das Gericht sprach den Rechtsanwalt von dem Vorwurf der Beleidigung frei.

Fazit:  Auf komplizierten Wegen kommen Juristen oft zu einem Ergebnis, zu dem der Normalbürger auch ohne Umwege und ohne viel Nachdenken gekommen wäre – reines Gehirnjogging.


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