Colours of law: Wenn Flüge vor Gericht landen

Der Traum vom Fliegen ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Doch der Träumer stellt sich gemeinhin vor, er selbst hätte Flügel und könne sich frei in die Lüfte erheben. In der Realität ist das Fliegen aber meist eine Massenveranstaltung, die mit der einen oder anderen Belästigung durch die Mitflieger verbunden sein kann. Manchmal endet der Traum deshalb mit einer Bruchlandung vor Gericht.

Der lang herbei gesehnte Flug nach Australien, in die USA oder auch nur nach Griechenland zwingt – jedenfalls in der „Economy-Class“ - dazu, sich auf relativ engem Raum mit fremden Menschen einigermaßen zu arrangieren. Nicht immer stößt man dabei auf besonders verständnisvolle Zeitgenossen.

Fliegen – Traum oder Alptraum?

Der eine klappt ohne Vorwarnung ruckartig seine Rückenlehne bis zum Anschlag nach hinten, so dass der Hintermann um seine Kniescheiben fürchten muss, der Nächste verströmt eine Duftaura, die einen glauben lässt, ihm fehle zu Hause jede Art von Waschgelegenheit, der Sitznachbar schließlich stimmt ein derartiges Schnarchkonzert an, dass nur der Griff zu den Boardkopfhörern hilft.

Das moderne Reiserecht hält für die unterschiedlichsten Reisebeschwernisse inzwischen in Reisemängeltabellen aufgelistete Erstattungsansprüche vor, angefangen von der verspäteten Abflugzeit über den Baulärm am Hotel bis zu dem zu weit entfernten Badestrand. Die Suche nach Rechtsansprüchen für Beeinträchtigungen während der Flugphase gestaltet sich dagegen schwieriger. Offensichtlich nehmen Reisende hier Beeinträchtigungen eher als unvermeidlich in Kauf oder sind froh, heil gelandet zu sein,  jedenfalls bemühen Flugärgernisse, wohl auch, weil sie schneller enden, die Gerichte seltener als bei Mängeln am Urlaubsort. Einige interessante Entscheidungen finden sich aber dennoch.

Saunatücher sind nicht für jeden eine Entspannung

Auf einem Flug von Indien nach Deutschland sollten sog. „Saunatücher“ zur Entspannung der Fluggäste beitragen. Eine Flugpassagierin machte die Crew darauf aufmerksam, das sie eine allergische Reaktion befürchte und bat, vom Verteilen der Tücher Abstand zu nehmen. Die Tücher wurden dennoch verteilt. Die allergische Reaktion der Passagierin ließ nicht lange auf sich warten. Sie erlitt eine so schwere Atemnot, dass nach der Landung der Notarzt gerufen werden musste.

Schmerzendgeld für Atemnot in luftiger Höhe

Die Frau verlangte darauf Schmerzensgeld von der Fluglinie. Das LG Frankfurt sprach ihr 2.000 Euro  zu, das in 2. Instanz zuständige OLG reduzierte den Betrag auf 1.500 Euro. Nach Auffassung der Richter hatte sich durch das Austeilen der Tücher an die Passagiere eine „typische, dem Luftverkehr eigentümliche Gefahr“ realisiert. Für solche Fälle sehe das Montrealer Übereinkommen die Zahlung von Schmerzensgeld vor.

Nach Auffassung des Senats hatte die Passagierin allerdings nicht energisch genug protestiert, als die Saunatücher entgegen ihrer ausdrücklichen Bitte während des Flugs dennoch verteilt worden waren. Darin sahen die Richter ein Mitverschulden und begründeten hiermit die Reduktion auf 1.500 Euro (OLG Frankfurt, Urteil v. 16.04.2014, 16 U 170/13).

Wer schnarcht darf bleiben, wer stinkt muss raus

Den laut schnarchenden Flugpassagier auf dem Nachbarsitz sah das AG Frankfurt als weniger gravierend an als die eine Allergie auslösenden Saunatücher. Die Belästigung durch Schnarchen sei auf einem Flug erwartbar.

Durch geeignete Maßnahmen wie das Anlegen von Ohrstöpseln könne der hiergegen empfindliche Fluggast der Belästigung vorbeugen. Das AG sah daher im Schnarchen keinen Grund für die Gewährung von Schmerzensgeld (AG Frankfurt, Urteil v. 30.08.2001, 31 C 842/01).

Demgegenüber kann unangenehmer Schweißgeruch Grund sein, einen Fluggast sogar vom Weiterflug auszuschließen. So geschehen im August diesen Jahres in Paris, als eine US-Crew einen französischen Passagier algerischer Abstammung wegen penetranten Geruchs aus der Maschine verwiesen hat. Dieser hat inzwischen Anzeige gegen die US-Crew wegen Diskriminierung erstattet.

In einem australischen Blog berichtete ein Blogger von einem übergewichtigen Sitznachbarn, der seinen (des Bloggers) Sitz zur Hälfte mit benötigte  und einen Geruch mit „Spuren von blauem Käse und Mumbai-Slum, dazu einige Nuancen von schwitzendem Fleisch und menschlichen Exkrementen“ ausgestrahlt habe. In Deutschland hat in einem ähnlich gelagerten Fall das OLG Düsseldorf den Verweis eines übel riechenden Flugpassagiers aus der Maschine als rechtens bestätigt (OLG Düsseldorf, Urteil v. 31.01.2007, 18 U 110/06).

Höheres Schmerzensgeld bei Gesundheitsgefahren

Schwerwiegender als Schweißgeruch sind gesundheitsschädliche Öldämpfe in der Kabine. In Australien hatte ein Gericht in New South Wales einem klagenden Passagier in einem solchen Fall im Jahre 2009 einen Betrag in Höhe von umgerechnet  97.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Nicht nur Passagiere leiden

Nicht nur Fluggäste, auch Flugbegleiter können von unangenehmen Erfahrungen auf Flügen berichten. Eine kürzlich in Hongkong veröffentlichte Studie belegt, dass jeder dritte Flugbegleiter schon mindestens einmal sexuell belästigt wurde. Besonders beliebt sind laut Studie Kneifen ins Gesäß und Brustbetatschen. 86% der so Belästigten – wer hätte das gedacht – sind Frauen. Schmerzensgeldurteile sind bisher insoweit nicht ersichtlich – vielleicht weil der Fluggast nun mal König ist.

Pilot darf oben ohne fliegen

Doch manchmal kommt auch das Fiugpersonal zu seinem Recht. Ein Pilot hat sich jetzt vor dem BAG damit durchgesetzt, dass er, genauso wenig wie seine weiblichen Kolleginnen, verpflichtet ist, eine Pilotenmütze zu tragen. Er sah darin eine Frage der Gleichberechtigung, das Bundesarbeitsgericht folgte ihm. Wie ein ausgeglicheneres Verhältnis in Sachen Kneifen und Betatschen zu erreichen wäre, dafür ist noch keine Lösung gefunden.  Wir empfehlen das frontale Einsetzen heißer Saunatücher oder die Schmerzensgeldtabelle von Hacks.


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