Colours of law: Wenn es beim Pflichtteil um die Wurst geht

Das kann einem schon den Appetit verschlagen, wenn es vor Gericht darum geht, dass der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entzieht, weil der die Wurst aus der elterlichen Metzgerei geklaut hat. Selbst der Diebstahl einer größeren Menge dieser Wurst, ist aber allein noch kein hinreichender Grund für den Entzug des Pflichtteilsrechts.

So jedenfalls hat es das bayerische LG Mosbach entschieden. Im zu Grunde liegenden Fall hatte der Sohn aus der elterlichen Metzgerei unbestimmte Mengen an Wurst entwendet. Und was kränkt einen Metzger mehr, als wenn der eigene Sohn ihm die im Schweiße seines Angesichts hergestellte Wurst aus der Theke stiehlt?

Das Erbrecht für ein Wurstgericht geopfert?

Die Enttäuschung darüber war so groß, dass der Metzgermeister und seine Ehefrau ein gemeinsames Testament errichteten, in dem sie dem Sohn nicht nur sein Erbe, sondern auch seinen Pflichtteil entzogen:

„Unserem Sohn.... entziehen wir hiermit den gesetzlichen Pflichtteil unter den Voraussetzungen des § 2333 Ziff.3  BGB.... Unser Sohn hat sowohl uns im Geschäft wie auch unsere Tochter ..... bestohlen. Gegenüber dem.... Vater wurde er ausfällig und hat ihn bedroht. Dieses vorsätzliche Vergehen betrachten wir deshalb als schweres Vergehen, weil es unter Ausnutzung des bestehenden Vertrauensverhältnisses durchgeführt wurde“

Eigentlich durfte er an die Wurst

Als die Mutter sich nach dem Tod des Vaters auf den Entzug des Pflichtteilsrechts berief, wurde es dem Sohn zu bunt und er verklagte seine Mutter vor dem LG im Wege der Stufenklage zunächst auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und dessen Wertermittlung.

  • Das LG konnte die Argumentation der Eltern in dem gemeinschaftlichen Testament nicht ganz nachvollziehen.
  • Der Sohn arbeitete nämlich im elterlichen Betrieb mit.
  • Entlohnt wurde er unter anderem dadurch, dass er Wurst und Fleisch mitnehmen durfte.

Es blieb ziemlich unklar, in welchen Mengen der Sohn berechtigt Wurst- und Fleischwaren als Lohn für seine Arbeit mitgenommen hatte bzw. in welchem Umfang die Wurst geklaut war.

Entzug des Pflichtteils nur bei schwer wiegendem Fehlverhalten

Das AG stellte in seiner Entscheidung im wesentlichen auf § 2333 BGB ab. Hiernach kann der Pflichtteil nur unter engen Voraussetzungen, d.h. bei einem schweren Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten gegenüber den Eltern entzogen werden. Hierbei muss das Fehlverhalten so schwerwiegend sein, dass es dem Erblasser nicht zugemutet werden kann, hinzunehmen, dass der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil erhält.

Eine vorsätzliche schwere Straftat gegenüber den Erblassern kann gemäß § 2333 Abs. 1 Nummer 2 BGB grundsätzlich ein solches Fehlverhalten beinhalten. Aber auch hier sind stets die Umstände des Einzelfalls zu gewichten. Hierbei kommt es nach Auffassung des LG weniger auf das strafrechtlich geschützte Rechtsgut, sondern vielmehr darauf an, inwieweit der Erblasser in unzumutbarer Weise beleidigt, gekränkt oder sonst zu Schaden gekommen ist.

Die Missachtung der besonderen Eltern-Kind-Beziehung ist entscheidend

Bei der Abwägung spielt eine grobe Missachtung des besonderen Eltern-Kind-Verhältnisses eine gewichtige Rolle. Nach Auffassung des LG stellt die Mitnahme von Fleischprodukten, auch wenn im Einzelfall hierzu keine Berechtigung bestanden hätte, keine Verfehlung dar, die den nach dem Gesetz erforderlichen Schweregrad erreicht. Selbst die Wegnahme einzelner Geldscheine aus einer Geldkassette – wie sie von der Mutter des Klägers behauptet wurde – stelle im Eltern-Kind-Verhältnis kein so außergewöhnliches Ereignis dar, dass dies den Entzug des Pflichtteilsrechts rechtfertige.

Eine verbale Bedrohung kann in hitziger Debatte vorkommen

Auch eine einmalige Bedrohung im Rahmen eines hitzigen Streits berechtigt nach Auffassung des LG den Erblasser nicht zum Entzug des Pflichtteilsrechts. Dies gelte auch dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des Streits damit gedroht habe, den Erblasser zu erschlagen. Hierzu hätte die Beklagtenseite nach Auffassung des LG vortragen müssen, aus welchen Umständen heraus der Vater des Klägers diese Drohung ernst genommen habe. In einem Streit könne eine solche Bemerkung fallen und dennoch nehme sie keiner der Beteiligten für bare Münze.

Pflichtteilsentzug auch formal fehlerhaft

Nach Auffassung des Gerichts waren auch die formalen Voraussetzungen für den Pflichtteilsentzug nicht erfüllt. Der Text des Testamentes sei hinsichtlich der Gründe für den Pflichtteilsentzugs äußerst vage und unbestimmt formuliert. Das LG verurteilte die Erben daher zur Erteilung der geforderten Auskünfte

(LG Mosbach, Urteil v. 31.1.2014, 2 O 182/13).

 

Hinweis: Gemäß § 2336 Abs. 2 BGB werden an eine Pflichtteilentziehung durch Testament gewisse formelle Anforderungen gestellt. Hiernach muss der Erblasser

  • den Entzug des Pflichtteilsanspruchs begründen,
  • sich dabei auf ein oder mehrere konkret umrissene Ereignisse beziehen
  • und den Vorgang zeitlich einigermaßen eingrenzen.

Durch diese Anforderungen möchte der Gesetzgeber der Gefahr vorbeugen, dass die Erben nachträglich Gründe vorbringen, die bei der Testamentsabfassung durch den Erblasser noch gar nicht vorgelegen haben.

Vgl. zum Thema Pflichtteil auch:

Gemeinsames Testament darf nach Partner-Tod nicht geändert werden

Pflichtteilbewertung

BGH zum "Nachrücken" entfernterer Abkömmlinge und zum Pflichtteilsrecht bei Enterbung eines "näheren" Abkömmlings

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